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Kantonale Planungsgrundlagen

Siedlungs­qualität

Foto des Kunz-Areals in Windisch mit der Reuss im Vordergrund.
Foto: Michel Jaussi

Hier finden Gemeinden und Planungs­büros die raum­planerischen Grund­lagen des Kantons, die es bei der bevor­stehenden Orts­planungs­revision im Bereich Siedlungs­qualität zu berück­sichtigen gilt.

1. Ausgangslage und strategischer Rahmen

Die Siedlungs­entwicklung nach innen ist eng an die Entwicklung einer hohen Wohn­qualität gebunden (Art. 1 Abs. 2 lit. abis Bundes­gesetz über die Raum­planung [RPG]). Der kantonale Richt­plan und die Bau­verordnung (BauV) nehmen diese Forderung mit dem Richtplan­kapitel S 1.1 und § 4 BauV auf. Im Zentrum der Raum­planung steht die Gestaltung unseres Lebens­raums im Hinblick auf die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft und unter Beachtung der natürlichen Gegeben­heiten. Eine wesentliche Aufgabe der Nutzungs­planung ist es, zusammen mit der mass­geschneiderten und hoch­wertigen Innen­entwicklung die Siedlungs­qualität zu fördern.

Die Transformation des bestehenden Siedlungs­gebiets, welche die hochwertige Siedlungs­entwicklung nach innen mit sich bringt, bietet einer­seits Chancen zur Aufwertung und Siedlungs­erneuerung. Anderer­seits gilt es, die orts­bauliche Identität und identitäts­stiftende Elemente der gewachsenen Siedlung zu erhalten und zu pflegen. Beides ist wichtig, um die Akzeptanz der Siedlungs­entwicklung nach innen (und die daraus resultierende höhere Bau- und Einwohner­dichte) sowie die Identifikation der Bevölkerung mit ihrer räumlichen Umgebung zu fördern. Im Richtplan­kapitel S 1.5 sind die Rahmen­bedingungen für den Umgang mit beziehungs­weise für den Schutz und Erhalt des historischen Erbes festgelegt.

Eine hohe Siedlungs­qualität beinhaltet darüber hinaus auch soziale, verkehrliche, energetische, klimatische, freiräumliche und ökologische Aspekte. Zentral gelegene publikums­intensive Nutzungen kombiniert mit öffentlichen Räumen wie Plätzen, Strassen­räumen und Grün­anlagen sind für das gesell­schaftliche Leben in der Gemeinde unverzichtbar. Als multi­funktional gestaltete Infra­struktur werten sie die Siedlungen auf (Richtplan­kapitel H 4 > Strategie H 4.3). Im Siedlungs­gebiet sollen viele Grün­flächen und Bäume enthalten sein (Art. 3 Abs. 3 lit. e RPG). Dies trägt wesentlich zu einem verträglichen Siedlungs­klima bei (Richtplan­kapitel H 7 > Strategie H 7.2) und leistet einen Beitrag für die Natur in der Siedlung und deren Vernetzung. Eine gute Durch­wegung mit attraktiv und sicher gestalteten, kurzen Wegen inner­halb der Gemeinde erhöht die Siedlungs­qualität und fördert den Fuss- und Velo­verkehr und stellt so auch einen wichtigen Beitrag zum Klima­schutz dar.

2. Handlungsspielräume für Gemeinden

Eine hohe Siedlungs­qualität ist vielschichtig und umfasst die nach­folgend näher ausgeführten Handlungs­felder. In der Nutzungs­planung sind die Anforderungen gemäss Planungs­anweisung 1 des Richtplan­kapitels S 1.1 spezifisch umzusetzen.

Die Möglichkeiten zur Förderung einer hohen Siedlungs­qualität in anderen Handlungs­feldern wie Klima, Lärm, Mobilität und Energie sind direkt in den jeweiligen Modulen aufgeführt.

Orts- und städtebauliche Qualität

Eine hoch­wertige baulich-räumliche Gestaltung der Quartiere, des Freiraums und insbesondere der öffentlichen Räume sind wichtige Voraus­setzungen für eine gute Siedlungs­qualität. Dies beinhaltet beispiels­weise Massnahmen zur Aufwertung von Orts­bildern und Strassen­räumen, zur Förderung der kompakten Bauweise, zur voll­ständigen Ausnützung bestehender Gebäude beziehungs­weise Bauzonen, zur Erneuerung über­alterter Siedlungs­teile oder zugunsten qualitäts­voller Neuüber­bau­ungen und Umstrukturierungen mitsamt identitäts­stiftender Umgebungs- und Freiraum­gestaltung.

Es ist dabei auch auf differenzierte Wohn- und Nutzungs­angebote mit quartier­dienlichen Möglichkeiten (wie Cafés, Gemeinschafts­räume, Treffpunkte etc.) zu achten. Dies gilt insbesondere bei der Entwicklung der Orts­zentren. Diese können mittels gemeinde­spezifischen Nutzungs­vorgaben gestärkt werden, indem beispiels­weise der minimale Wohn­anteil, Belange von Ortsbild- und Denkmal­pflege oder Verkaufs­nutzungen ergänzend geregelt werden.

Dorfkern- und Altstadt­zonen umfassen die Gebiete mit erhöhter Schutz­würdigkeit. Die Gemeinden können zum Schutz des Orts- und Quartier­bilds sowie zur schonenden Überbauung exponierter Bauzonen überlagerte, orts­spezifische Schutz­zonen festlegen (beispiels­weise Umgebungs­schutz­zonen, Ortsbild­schutz­perimeter etc.).

Die Bau- und Nutzungs­vorschriften sind so auszu­gestalten, dass eine gute Siedlungs­qualität gefördert wird. Mögliche planerische Ansätze hierfür sind das Fest­legen von Gebieten mit Gestaltungs­plan­pflicht, Anreize für Mehr­ausnutzung in Verbindung mit qualitäts­sichernden Massnahmen (Sonder­bau­vorschriften, vgl. Planungs­wegweiser, Kapitel 4 [Unter­kapitel 4.5, ab Seite 12] und Werkzeug­kasten W4c) sowie die Sicherung wesentlicher ortsbild­prägender Elemente (wie Bauten oder Grün­elemente) mittels Ergänzungs­plänen. Eine weitere Handlungs­möglichkeit bieten qualitäts­sichernde Verfahrens­vorgaben, wie das Einsetzen einer (inter­disziplinären) Fach­kommission zur Beurteilung von orts­baulich wichtigen Planungen und Bau­vorhaben oder das Einfordern qualitäts­fördernder Konkurrenz­verfahren, beispiels­weise als Grundlage für einen Gestaltungs­plan.

Die allgemeinen fachlichen Anforderungen an die Einpassung von Gebäuden und Aussen­räumen in die Umgebung sind in § 15e BauV geregelt und müssen nicht in der Bau- und Nutzungs­ordnung (BNO) verankert werden. Im Sinne der guten Gesamt­wirkung (gemäss § 42 Gesetz über Raum­entwicklung und Bauwesen [BauG]) und einer hohen Siedlungs­qualität sind diese in der Bewilligungs­praxis durch die Gemeinden konsequent einzufordern.

Erhalt identitätsstiftender Ortsbilder

Das Ortsbild ist zentraler Bestandvteil einer hohen Siedlungs­qualität. Das Modul Ortsbild zeigt dessen Wichtigkeit und den planerischen und baulichen Umgang damit.

Integrale Freiraum-, Aussenraum- und Strassenraumgestaltung

Die Freiräume in der Siedlung (Strassen­raum inklusive Vorgärten, Plätze, Grün­anlagen, gemeinschaftliches Wohn­umfeld, private Gärten etc.) sowie die umgebende Landschaft leisten einen wichtigen Beitrag an die Wohn- und Lebens­qualität in der Gemeinde. Mit der hoch­wertigen Siedlungs­entwicklung nach innen hat die Sicherung von ausreichenden Frei- und Grün­flächen sowie von Bäumen in der Siedlung zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Eine sorg­fältige Gestaltung und Pflege dieser Flächen ist auch für die Klima­anpassung (siehe Modul Klima), die Bio­diversität und die ökologische Infra­struktur entscheidend.

Ein ausreichender Grün­anteil kann mittels Grün- und Freihalte­zonen sowie mit angemessenen Grün­flächen­ziffern in den Wohn- und Arbeits­platzvzonen gesichert werden. Für eine ausreichende Baum­pflanzung ist zentral, dass ein angemessener Teil des Frei­raums (auch bei Innen­höfen) von unter­irdischen Bauten frei­gehalten wird. Das Potenzial von Dach- und Fassaden­begrünung gilt es, aktiv in Wert zu setzen. Soweit sinnvoll stellen die Gemeinden ökologische Ausgleichs­flächen und die Vernetzung sicher. Die Gemeinden sorgen für ein angemessenes Mass an öffentlich zugänglichen, gut erreich­baren Erholungs­flächen (Spiel­plätze, Sport­anlage, Vita-Parcours) in Ergänzung zu den Spiel- und Aufenthalts­bereichen im direkten Woh­numfeld (vgl. 3.1 Umsetzungs­beispiele für die BNO).

Die Gestaltung von Aussen­räumen nimmt wesentlichen Einfluss auf das Ortsbild, das Lokal­klima und die Bio­diversität. Als Grundlage für die Bau­bewilligung ist deshalb ein Umgebungs­plan mit detaillierten Angaben zu Terrain­gestaltung, Bepflanzung, Boden­belägen, Einfriedungen und Gebäude­begrünung anzufordern. Im Zusammen­hang mit der Klima­anpassung wird zudem der Umgang mit Regen­wasser (Versickerung beziehungs­weise Speicherung und Wieder­verwendung) wichtiger. Es wird empfohlen, in der BNO mit einer Bestimmung zur Freiraum­gestaltung Mindest­anforderungen an die Umgebungs­gestaltung fest­zulegen (vgl. 3.1 Umsetzungs­beispiele für die BNO). Wichtige Aspekte sind dabei die Vermeidung von Terrain­veränderungen und Boden­versiegelung, die Förderung einer standort­gerechten, arten­reichen und ökologisch wert­vollen Bepflanzung sowie eine sorg­fältige Gestaltung von Einfriedungen und allfälliger Stütz­mauern. Auf das Anlegen von Stein- und Schotter­gärten, die keinen ökologischen Nutzen haben und das lokale Siedlungs­klima beeinträchtigen, ist möglichst zu verzichten. In sensiblen Gebieten der Siedlung, beispiels­weise in der Kern­zone/Dorf­zone oder an exponierten Hang­lagen, ist zu prüfen, ob erhöhte Vorgaben an die Aussen­raum­gestaltung zu definieren sind. Auch für die Gestaltung des öffentlichen Raums können spezifische Vorgaben fest­gelegt werden.

Die Strassen­räume sind für das Orts­bild und die Wah­rnehmung der Gemeinde sowie für ein verträgliches Lokal­klima von zentraler Bedeutung. In der gestalterischen Auf­wertung liegt ein grosses Potenzial (siedlungs­verträgliche Lösungen wie fuss­gänger­freundliche Strassenr­äume oder der Verzicht auf Lärms­chutz­wände). Gestützt auf die Vorgaben gemäss Planungs­anweisungen 1.3 und 1.4 des Richtplan­kapitels S 1.1 sind insbesondere entlang stark belasteter Verkehrs­achsen entsprechende Aufwertungs­massnahmen in den Bestimmungen der BNO zu verankern (§ 15 Abs. 3 BauG).

Siedlungsrand

Die Siedlungsränder prägen die Wahr­nehmung der Gemeinde vom Landschafts­raum her. Sie werden durch die Bauten und Frei­räume im Siedlungs­gebiet sowie durch die angrenzende Kultur­landschaft (Land­wirtschaft und Wald) beeinflusst. Mit einer bewussten Gestaltung des Siedlungs­rands kann ein Beitrag zugunsten der Gesell­schaft, der Natur und des Lokal­klimas erzielt werden. Erhöhte Anforderungen hinsichtlich Anordnung, Dimensionierung und Gestaltung der Bauten sowie hinsichtlich der Freiraum­gestaltung (zum Beispiel Gestaltungs­plan­pflicht) sind insbesondere bei grösseren Gebieten an sensibler Rand­lage zu prüfen. Ein ökologisch wert­voller Siedlungs­rand trägt zudem mass­geblich zur ökologischen Vernetzung bei. Die Gestaltung des Siedlungs­rands kann in der BNO fest­gelegt werden (vgl. 3.1 Umsetzungs­beispiele für die BNO).

Partizipation

Eine für die Bevölkerung hohe Siedlungs­qualität entsteht insbesondere durch den aktiven Einbezug ihrer Bedürfnisse. Die verschiedenen Nutzerinnen- und Nutzer sowie weitere Anspruchs­gruppen sind daher frühzeitig und über das formell vorgeschriebene Mitwirkungs­verfahren hinaus in geeigneter Weise und kontinuierlich am Planungs­prozess zu beteiligen und zu informieren. Mit der Erarbeitung eines gemein­samen Zielbilds beziehungs­weise gemeinsam definierter Gestaltungs- und Nutzungs­anforderungen erhöht sich die Identifikation mit dem eigenen Lebens­raum und damit auch die Akzeptanz komplexer und lang­wieriger Innen­entwicklungs­prozesse. Über die verschiedenen Möglich­keiten zum angemessenen Einbezug der Bevölkerung gibt der Werkzeug­kasten W1 des Planungs­wegweisers Auskunft.

3. Planungsinstrumente

Die 10 Aspekte der Siedlungsqualität(öffnet in einem neuen Fenster) von EspaceSuisse geben eine Übersicht zur Siedlungs­qualität bei der hoch­wertigen Siedlungs­entwicklung nach innen. Planerische Ansätze zur Förderung der Siedlungs­qualität bietet der Planungs­wegweiser Hoch­wertige Siedlungs­entwicklung nach innen. Weitere Anregungen und Beispiele finden sich zudem in den Publikationen zur Baukultur im Aargau. Eine zunehmende Bedeutung erhalten darüber hinaus informelle Planungs­instrumente auf kommunaler Ebene, wie das Räumliche Entwicklungs­leit­bild (REL) oder weitere gebiets- und themen­spezifische Grundvlagen wie Studien, Master­pläne oder (Freiraum)­Konzepte. Bei der Aufwertung stark belasteter Orts­durch­fahrten eignet sich die Erstellung eines Betriebs- und Gestaltungs­konzepts (BGK).

Für die Stärkung der Siedlungs­qualität im Zuge der Siedlungs­entwicklung nach innen stehen nach Möglichkeit Förder­mittel der Abteilung Raum­entwicklung zur Verfügung.

3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO

Der Planungs­wegweiser, Kapitel 4 (Unter­kapitel 4.5, ab Seite 12) bietet zusammen mit dem Werkzeug­kasten W4c eine umfassende Über­sicht verschiedener Regelungs­ansätze für eine mass­geschneiderte Anwendung zur Förderung einer hohen Siedlungs­qualität.

Spiel-, Aufenthalts- und Erholungsflächen

Hervorgehoben:§ ... Spiel-, Aufenthalts- und Erholungsflächen

¹ Die Grösse der Spiel-, Aufenthalts- und Erholungsflächen hat gesamthaft mindestens 15 % der anrechenbaren Geschossfläche zu betragen.

² Der Spielflächenanteil richtet sich nach der Bewohnerstruktur. Die Spielplätze sind nach den neuesten Erkenntnissen über kindergerechte Wohnumfelder und den verschiedenen Altersgruppen entsprechend auszugestalten.

³ Bei der Anlage der Spielplätze ist darauf zu achten, dass die Kinder diese Plätze möglichst unbeaufsichtigt erreichen und benutzen können.

Umgebungsgestaltung

Hervorgehoben:§ ... Umgebungsgestaltung

¹ Das Terrain soll nicht unnötig verändert werden. Ökologisch und geo­morpho­logisch wertvolle Objekte sind zu schonen. Terrain­veränderungen müssen sich einwandfrei in die Umgebung einordnen und dürfen die Verkehrs­sicherheit nicht beeinträchtigen. Die Versiegelung von Flächen ist auf das Notwendige zu beschränken.

² Für die Begrünung sind standortgerechte, mehrheitlich einheimische Pflanzen zu verwenden. Es ist eine artenreiche Bepflanzung anzustreben.

³ Die Aussenraum- und Umgebungsgestaltung bildet Bestandteil des Bauprojekts und ist im Baugesuch auszuweisen (inkl. Terraingestaltung, Materialisierung, Bepflanzung, Entwässerung etc.).

Siedlungsränder

Hervorgehoben:§ ... Siedlungsränder

¹ Am Siedlungsrand ist die Einordnung von Bauten, Anlagen und Aussen­räumen auf die angrenzende Landschaft abzustimmen.

² Für die Bepflanzung entlang der Siedlungs­ränder sind standort­gerechte, einheimische Pflanzen zu verwenden.

³ Stützmauern sind zu vermeiden. Wo solche notwendig sind, sind sie auf das Notwendige zu beschränken und ab 10 m Länge zu gliedern und zu begrünen.