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Orts­bild

Foto der Skyline von Klingnau, mit dem neuen Altstadthaus in der Bildmitte.
Foto: Michel Jaussi

Hier finden Gemeinden und Planungs­büros die raum­planerischen Grund­lagen des Kantons, die es bei der bevor­stehenden Orts­planungs­revision im Bereich Orts­bild zu berück­sichtigen gilt.

1. Ausgangslage und strategischer Rahmen

Mit dem Begriff Ortsbild wird die visuelle Erscheinung und räumliche Wahr­nehmung eines Orts angesprochen. Wie Menschen einen Ort wahrnehmen oder wie die Gestalt eines Orts wirkt, hat unmittelbar Auswirkungen auf ihre Beziehung dazu. Das Ortsbild beeinflusst die Bewegungs­muster und entscheidet über die Verweil­dauer im Raum. Ein stimmiges Ortsbild schafft eine gute Orientierung, begünstigt das Wohl­befinden und die Identifikation der Bevölkerung mit dem Ort. Das Bestreben, wichtige historische Zeugnisse und damit die bedeutenden Elemente und Substanz des Orts- oder Quartierbilds auch für kommende Generationen zu erhalten, ist nicht zuletzt auch Ausdruck des Grund­bedürfnisses des Menschen nach Erinnerung. Darüber hinaus erbringen Ortsbilder – insbesondere deren engeren, historischen Bereiche – noch weitere wichtige gesell­schaftliche, wirtschaftliche und ökologische Leistungen. Sie stärken beispielsweise die Standort­attraktivität, tragen zu hochwertigen Freiräumen bei und können einen positiven Einfluss auf die Biodiversität haben (vgl. Fachbericht Ortsbildschutz des Bundesamts für Kultur). Diese auch volks­wirtschaftlich relevanten Leistungen werden dabei von einem Gebäude­bestand erbracht, der lediglich 12 % des totalen Gebäude­bestands umfasst. Entsprechend umsichtig ist mit dieser Ressource umzugehen.

Die räumliche Wahr­nehmung und Wirkung werden gleichsam vom bebauten und vom unbebauten Raum geprägt. Die Gesamt­wirkung resultiert aus der Qualität der einzelnen Bestand­teile (Gebäude, Frei­räume, Bäume etc.) sowie der Ordnung und der Beziehungen der Elemente zu- und untereinander (Gebäude­abstand, Gebäude­stellung, First­richtung, Materialisierung, Farb­gebung etc.). Zu einem Ortsbild gehört entsprechend nicht nur das historische Zentrum eines Orts. Es umfasst die gesamt­heitliche räumlich-visuelle Erscheinung mit seinen Gebieten und Quartieren und insbesondere auch die Siedlungs­ränder. Das innere Ortsbild beinhaltet die räumlichen, funktionalen und gestalterischen Beziehungen der Bauten und Aussen­räume (Strassen, Plätze, Grün­flächen mit ihrer Bepflanzung und Ausstattung etc.). Das äussere Ortsbild charakterisiert sich durch die Ausbildung des Siedlungs­rands und durch die An- und Aufsicht der Siedlung, eine wesentliche Prägung erfolgt dabei durch die Form und Gestaltung der Dächer und der Dach­landschaft. Ausserdem beinhaltet es die Lage des Orts und die Einbettung in die Landschaft sowie deren Beziehung mit der umgebenden Landschaft von nah und fern.

Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS)

Durch raumwirksame Eingriffe wie Bauten, Anlagen und Infra­strukturen verändern sich Ortsbilder kontinuierlich. Auch deswegen hat der Bund alle Ortsbilder der Schweiz nach einheitlichen Kriterien analysiert und im ISOS inventarisiert. Diese Grundlagen fördern das Verständnis über den Ort. Sie unterstützen eine hohe Siedlungs­qualität, denn die Berücksichtigung der Ortsbild­aufnahmen in allen Planungs­phasen begünstigt, dass Eingriffe in die Ortsbilder harmonisch oder wenigstens schonungs­voll erfolgen (siehe §§ 40 und 42 Gesetz über Raumentwicklung und Bauwesen [BauG] sowie § 15e Bauverordnung [BauV]). Die Vorgaben zu einem sensiblen und schonungs­vollen Umgang mit Ortsbildern sind im Richtplan­kapitel S 1.5 hinterlegt.

Gemäss dem ISOS weist der Kanton Aargau aktuell 61 Ortsbilder von nationaler Bedeutung in 49 Gemeinden auf.

136 Ortsbilder in 104 Gemeinden sind von regionaler (sprich: kantonaler) Bedeutung (siehe Online-Karte Schützenswerte Ortsbilder im Geoportal). Die jüngere Recht­sprechung hat indessen die hohe Bedeutung der regional (sprich: kantonal) bedeut­samen Ortsbilder, nebst den nationalen, bekräftigt.

Die Ortsbild­aufnahmen mit lokaler Einstufung sind von kommunaler Bedeutung und im Richtplan nicht fest­gesetzt. Sie erhalten dennoch wertvolle Informationen zur Siedlungs­entwicklung und zu den Qualitäten des Orts und können als Grundlage für Planungen und Projekte beigezogen werden.

Das ISOS bei Erfüllung einer Bundesaufgabe

Gemäss Art. 6 Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) wird durch die Aufnahme eines Objekts von nationaler Bedeutung in ein Inventar des Bundes dargetan, dass es in besonderem Masse die ungeschmälerte Erhaltung, jedenfalls aber unter Einbezug von Wieder­herstellungs- oder angemessenen Ersatz­massnahmen die grösst­mögliche Schonung verdient. Ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung im Sinne der Inventare darf bei Erfüllung einer Bundes­aufgabe nur in Erwägung gezogen werden, wenn ihr bestimmte gleich- oder höher­wertige (Eingriffs-)Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegen­stehen.

Die Interessenabwägung bei Eingriffen in ISOS-Schutzgebiete erfolgt in zwei Varianten, je nachdem ob eine Bundesaufgabe vorliegt oder nicht.

Bei der Erfüllung einer Bundes­aufgabe durch den Kanton oder die Gemeinde gemäss Art. 2 NHG kommt bei den Bundes­inventar­objekten nach Art. 5 NHG eine unmittel­bare Geltung zum Tragen. Die Interessen­abwägung nach Art. 3 Raumplanungsverordnung (RPV) ist sodann zweistufig vorstrukturiert. Bei nicht lediglich gering­fügigen Eingriffen oder bei Unsicherheiten beziehungs­weise wenn sich grund­sätzliche Fragen stellen, ist ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutz­kommission (ENHK) erforderlich. Hat die ENHK oder eine andere Kommission bei einem Vorhaben mitgewirkt, so hat die zuständige Behörde die entsprechende Verfügung mitzuteilen (siehe auch Video Anwendung des ISOS).

2. Handlungsspielräume für Gemeinden

Eine Auseinander­setzung mit den einzelnen ISOS-Gebieten und ihren Erhaltungs­zielen sowie die angemessene Umsetzung der ISOS-Ziele ist gemäss Richtplan­kapitel S 1.5 im Bereich von national und regional (sprich: kantonal) bedeutenden Ortsbildern unabdingbar. Zugunsten der Rechts­sicherheit ist gebiets­weise eine umfassende Interessen­abwägung unter Einbezug des ISOS vorzunehmen und im Planungs­bericht transparent darzulegen. Dabei ist aufzuzeigen, wo Differenzen zwischen den Schutz­zielen des ISOS (insbesondere in Gebieten mit den Erhaltungs­zielen A, B und a sowie für spezielle Hinweise wie Einzel­elemente mit Erhaltungs­ziel A; siehe Erläuterungen ISOS) und der Planung oder dem Planungs­vorhaben bestehen. Die ISOS-Erhaltungs­ziele sind mit Bestimmungen in der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) oder allfälligen Sonder­nutzungs­vorschriften (SNV) umzusetzen.

Zonenbestimmungen

Insbesondere in Gebieten oder Baugruppen mit ISOS-Erhaltungs­ziel A (ursprüngliche Substanz vorhanden; Erhalten der Substanz) kann der Abbruch von Bauten und Anlagen höchstens ausnahms­weise und ausschliesslich basierend auf einem kommunalen Fach­gutachten zulässig sein (zum Beispiel sofern ein Gebäude für das Ortsbild unwichtig oder die Erhaltung der Bausubstanz tatsächlich unzumutbar ist; siehe Werkzeug­kasten W4c > Absatz 4.5_F.2_2 [Seite 11]). Für ein schützens­wertes Einzel­element mit Erhaltungs­ziel A gilt, dass die Substanz integral zu erhalten ist. Diese Gebäude sind grundsätzlich unter Substanz­schutz zu stellen. Eine möglichst umfassende Umsetzung des Bau­inventars trägt wesentlich zum Erhalt des Ortsbilds bei (siehe Modul Denkmalpflege).

Für im ISOS eingetragene Umgebungs­zonen und -richtungen sowie Frei­flächen mit Erhaltungs­ziel a (unerlässlicher Teil des Ortsbilds; Erhalten der Beschaffenheit als Frei­fläche), die heute noch mehrheitlich unüberbaut sind, soll deren Erhalt geprüft werden. Insbesondere im Rahmen von Gestaltungs­plänen oder Areal­überbauungen gilt es sodann, rechts­sichere und adäquate Antworten im Spannungs­feld zwischen Frei­haltung und baulicher Entwicklung zu finden. Solche Flächen können im Orts­zentrum beispielsweise als belebter Frei- oder Grün­raum gefördert werden. Umgebungs­zonen beinhalten oft auch die Siedlung umgebende Frei­flächen und stehen in Beziehung zum Ortskern (Ortsbild­teile mit Beziehungs­wert). Häufig sind diese bereits der Bauzone zugewiesen oder bebaut und bilden den neuen Siedlungs­rand. Dies kann unter anderem bei Hang­lagen problematisch sein und benötigt eine Auseinander­setzung mit der Dorf­silhouette und der Einbettung in die Landschaft. Die Aus­zonung oder ein Bauzonen­abtausch solcher Flächen soll thematisiert werden.

Darüber hinaus ist mit Blick auf das gesamte Ortsbild das ablesbare und prägende (ursprüngliche) Gefüge der Räume und Bauten durch adäquate, die Struktur bewahrende Bestimmungen weiter­zu­entwickeln. Bei Aufzonungen ist dafür zumeist eine räumliche Über­prüfung notwendig. Zudem sind durch zweck­mässige Vorgaben hinsichtlich der Anordnung und der Gestaltung von Bauten und Freir­äumen die wesentlichen Elemente und Merkmale zu erhalten (Baulinien, Gebäude mit Struktur­erhalt, Nutz­weise, Fassaden­höhe, Geschoss­zahl etc.; siehe auch Werkzeug­kasten W4c > Absatz 4.5_F.2_2 [Seite 11]).

Gebiete mit Gestaltungsplanpflicht

In der allgemeinen Nutzungs­planung sind für Gebiete mit Gestaltungs­plan­pflicht massg­eschneiderte Ziel­vorgaben kontext­bezogen vorzugeben. Eine besonders gute Einpassung ins Ortsbild oder eine eben­solche Ergänzung desselben sowie ein guter Übergang ins Kultur­land bei Lagen am Dorf­eingang und am Siedlungs­rand sollen sowohl für Bauten als auch für Frei­räume und Bepflanzung geprüft werden. Gestützt auf das öffentliche Interesse können dabei höhere Anforderungen an die Qualität der Bauten sowie Frei- und Grün­räume gestellt werden.

Die Verträglichkeit der zulässigen Ausnützung soll insbesondere in Gebieten mit Gestaltungs­plan­pflicht in Bezug auf den Kontext und unter Berück­sichtigung der ISOS-Erhaltungs­ziele bewusst überprüft werden. Dabei ist qualifiziert zu hinterfragen, ob das gemäss § 8 Abs. 2 BauV quasi automatisch zulässige zusätzliche Voll­geschoss überhaupt verträglich ist (dies gilt gleicher­massen für Areal­überbauungen).

Wichtige weiterführende Hinweise zur integralen Frei­raum-, Aussen­raum- und Strassen­raum­gestaltung finden sich im Modul Siedlungs­qualität.

Qualitätssicherung

Hochwertige Planungen und Bestimmungen können die Siedlungs­qualität fördern und begünstigen. Die eigentliche Qualitäts­sicherung erfolgt jedoch im Vollzug bei der Umsetzung samt der Bemusterung und der Realisierung der Vorhaben. Fach­personen, Gutachterinnen und Gutachter oder Fach­kommissionen und Gremien können die Bau­bewilligungs­behörden bei ihren Entscheidungen fachlich wirkungs­voll unterstützen und darüber hinaus begleiten (Werkzeug­kasten W4c > Absätze 4.2_7, 4.2_8 und 4.2_9 [Seite 3] sowie Absätze 4.5_B.1_1 und 4.5_B.2_1 [Seite 5]). Dies gewähr­leistet eine fachlich einwand­freie und einheitliche Auslegung von qualitativen und/oder unbestimmten Anforderungen (siehe § 42 BauG sowie § 15e BauV). Sie erhöhen dadurch die Berechenbar­keit der Entscheide, was für Rechts­sicherheit und insbesondere auch für Gleich­behandlung sorgt.

3. Planungsinstrumente

Zur Umsetzung der Orts­bild­anliegen stehen die klassischen Instrumente der (Sonder-)Nutzungs­planung zur Verfügung. Diese gilt es im Sinne einer hoch­wertigen Siedlungs­entwicklung nach innen mass­geschneidert und qualitäts­fördernd auszugestalten (siehe 2. Handlungs­spielräume für Gemeinden oben­stehend sowie Planungs­wegweiser, Kapitel 4 (Unter­kapitel 4.2 und 4.5, ab Seite 5 bzw. Seite 12).

In besonderen Fällen (wie Dorfkern­zonen, Altstadt­zonen und Weiler­zonen), wo räumlich relevante, struktur­gebende Gebäude, Elemente und Flächen besonders bezeichnet werden sollen, bewährt sich die Erstellung eines den allgemeinen Nutzung­splan konkretisierenden Ergänzungs­plans.

Eine gesamt­heitliche Vorstellung über den Raum und dessen Entwicklung ist jedenfalls Voraussetzung für ziel­führende Fest­legungen. Gebiets­bezogene Vertiefungs­studien leisten einen wesentlichen Beitrag daran (siehe Planungs­wegweiser, Kapitel 3 > 3.5 Thematische Vertiefungen [Seite 18]). Sie können gestützt auf § 2a Dekret über die Beiträge an die Raumplanung auf Gesuch hin finanziell unterstützt werden (siehe Dekretsbeiträge).

Für die nutzungs­planerische Umsetzung der Weiler sowie zur fachlichen und finanziellen Unter­stützung stehen eine Arbeits­hilfe zur Weiler­planung und ein Muster­gesuch für Beiträge an Weiler­konzepte zur Verfügung:

  • Die Arbeitshilfe Weilerplanung zeigt anschaulich auf, wie das erforderliche Gleich­gewicht zwischen Erhalt und Umnutzung situativ gefunden und begründet werden kann.
  • Das Mustergesuch Weilerkonzepte ermöglicht Gemeinden mit fest­gesetzten Weilern gemäss Richtplan­kapitel S 1.6, unbürokratisch finanzielle Beiträge bei der ARE zu beantragen.

In der Publikation Zukunft bauen – Geschichte weiterbauen finden sich gelungene Aargauer Beispiele zum Umgang mit historischen Orts­bildern. Empfehlungen zur Farb- und Materialwahl für Bauten im ländlichen Raum gibt zudem gibt das Merk­blatt des Departements Bau, Verkehr und Umwelt (BVU).

3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO

Der Werkzeug­kasten bietet orts­bauliche Vorgaben für einen mass­geschneiderten Umgang mit dem Ortsbild (Werkzeug­kasten W4c > Absatz 4.5_F.2_2 [Seite 11]).