Archäologie
Die Kantonsarchäologie ist eine Fachstelle mit der Aufgabe, archäologische Hinterlassenschaften zu schützen und zu erhalten oder vor ihrer unabwendbaren Zerstörung zu untersuchen und zu dokumentieren.
Archäologie erforscht die Vergangenheit des Menschen anhand von materiellen Überresten. Diese stammen überwiegend aus dem Boden. Bodenfunde sind die Quellen für Zeitepochen, in denen es keine oder nur wenig schriftliche Überlieferungen gibt. Deshalb sind archäologische Hinterlassenschaften von öffentlichem, allgemeinem Interesse. Darum beansprucht sie der Kanton von Gesetzes wegen auch als Eigentum zugunsten der Allgemeinheit – Das heisst: die archäologischen Hinterlassenschaften gehören uns allen als Gemeinschaft.
Durch die Epochen: Das war 2023 – Jahresrückblick
Auf langen, immer gleichen Bahnen läuft ein Mann gepflügte Äcker auf und ab. Es sind wieder und wieder dieselben Äcker, und doch kommt jedes Mal etwas Neues zum Vorschein. Hier auf dem Möhliner Feld hat Werner Brogli zeit seines Lebens archäologische Zeugnisse aus der Vergangenheit gesammelt. Und damit ein Stück Menschheitsgeschichte des Aargaus geschrieben. Denn hier im Möhliner Feld dokumentierte er die ältesten Steinwerkzeuge im Kanton. Es sind Hinterlassenschaften von Neandertalern, die hier vor über 100'000 Jahren durchzogen und ihre Lager errichteten. Nichts als Steine blieben übrig, denn alles andere wie Zeltstangen, Holzkohle vom Feuer, Essenreste, Leder- und Fellschnipsel – alles, was von einem solchen Lagerplatz zurückbleiben könnte – ist verloren und vergangen im Boden. Was aber geblieben ist, sind 25'000 Steinartefakte und darunter der Faustkeil von Zeiningen als ältester Beleg von Menschen im Aargau.
Das löst eine Faszination aus, weil man einer Zeit nahekommt, die man sonst selten hat.
Mit dem ältesten Fundstück im Kanton endete das Jahr 2023 der Kantonsarchäologie. Am 11. Dezember 2023 wurde Werner Brogli mit der Vernissage eines Filmporträts über ihn gewürdigt. Der Film zeigt das Lebenswerk eines Menschen mit einer grossen Leidenschaft: die Archäologie.
Diese Leidenschaft teilen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kantonsarchäologie. Sie setzen sich ein für die Hinterlassenschaften der Menschen, die Jahrhunderte und Jahrtausende vor ihnen hier im Gebiet des Kantons Aargau gelebt haben.
Viele Dinge, die man im Leben gemacht hat, verschwinden wieder. Aber Archäologie, das bleibt.
Was uns 2023 beschäftigt und bewegt hat
Schützen und erhalten
Schützen und erhalten
Der Kanton Aargau ist ein Archäologie-Kanton. Von aktuell 197 Gemeinden sind nur drei völlig Archäologie-frei. Das heisst: nahezu überall unter uns liegen archäologische Hinterlassenschaften im Boden – Ein schöner Gedanke, wie wir finden, denn das verbindet uns alle. Das heisst aber auch: überall dort, wo gebaut wird, wo künftiger Wohnraum entstehen soll, ist mit archäologischen Spuren umzugehen. Diese versucht die Kantonsarchäologie wenn immer möglich zu schützen und vor Ort zu erhalten. Nur wenn dies nicht möglich ist, werden die Überreste ausgegraben und dokumentiert.
Damit die Kantonsarchäologie künftig noch besser mit der Baudynamik und Nutzungsplanung Schritt halten kann, wird das gesamte Wissen über archäologische Fundstellen in die Fundstellenkarte eingearbeitet. Aktuelle Daten, das heisst solche aus dem digitalen Zeitalter seit etwa der 1990er-Jahre, sind natürlich mehrheitlich schon in der Karte drin. Doch nun werden in einem auf fünf Jahre angelegten Projekt (2022−2026) auch alle sogenannten Alt-Daten – das sind handschriftliche Notizen und mit Schreibmaschine geschriebene Textseiten zu Ausgrabungsbefunden, Fundmeldungen aus antiquarischen Publikationen, Skizzen, Pläne, Dokumentationen – in das zentrale Arbeitsinstrument Fundstellenkarte eingearbeitet. 2023 kam das Projektteam einen grossen Schritt weiter, das Wissen verdichtet sich. Und das erlaubt bald eine Reise durch die Epochen mit einer einzigen Karte.
Die Karte
Durch die Epochen mit einer einzigen Karte. Die Fundstellenkarte ist verdichtetes und visualisiertes archäologisches Wissen.
Untersuchen und dokumentieren
Untersuchen und Dokumentieren
Die Feldarbeit führte letztes Jahr wahrlich durch alle Epochen. Von den insgesamt 157 Untersuchungen, die das Grabungsteam durchgeführt hat, prägten besonders drei grosse Grabungen den Arbeitsalltag. In Herznach galt es, im Vorfeld eines Neubauprojekts mit fünf Mehrfamilienhäusern 2600 Quadratmeter zu untersuchen. Siedlungsspuren vom Ende der Jungsteinzeit (2400−2200 v. Chr.) zeigen, dass hier schon vor über 4000 Jahren Menschen wohnten. In der römischen Epoche verlief an dieser Stelle eine Strasse, die nachweislich bis ins Frühmittelalter genutzt wurde.
Frühmittelalterlich und Hochmittelalterlich erwiesen sich die Befunde in der grössten Ausgrabung im letzten Jahr. In Wölflinswil begleitete das Grabungsteam auf 4500 Quadratmetern Aushubarbeiten für eine Überbauung mit fünf Mehrfamilienhäusern. Über Jahrhunderte hatte sich hier rund ein Meter Lehm abgelagert und die darunter liegenden Siedlungsspuren konserviert. Und wenige waren es nicht! Der Befundplan mit allen archäologischen Strukturen ist so dicht und so komplex, dass einem schwindlig werden kann. Die ältesten Spuren, Überreste von Pfostenbauten und Grubenhäusern, stammen aus dem 7. bis 8. Jahrhundert. Eine weitere Siedlung ist aus dem 11. bis 12. Jahrhundert belegt und dazu eine Strasse, die bis ins 14. Jahrhundert mindestens dreimal erneuert wurde.
Mit mittelalterlichen Befunden fand das Ausgrabungsjahr seinen Abschluss. In Aarau kam bei einem Neubauprojekt direkt am Aareufer eine mittelalterliche Kirche zum Vorschein. Die "Tellikirche" ist seit den 1930er-Jahren bekannt und wurde in den 1960er-Jahren schon einmal ausgegraben. Nun dokumentierte ein kleines Team die Fundamente erneut und legte über ein Dutzend Gräber frei. Der Name der Kirche ist in keinerlei Quellen vermerkt und noch ist die genaue Datierung mangels Funden unklar. Eine C14-Datierung wird nun möglichweise bald Klarheit bringen.
Die Grabungen
Die Zahlen
Sammeln und inventarisieren
Sammeln und inventarisieren
Eine ganz besondere Reise durch die Epochen ist im Untergeschoss der Kantonsarchäologie möglich. Hier befindet sich nämlich eines von zwei Depots. In Räumen und Regalen, in Kisten und Kästen, Schubladen und Schachteln liegt hier ein Teil der über 1.5 Millionen Fundobjekte der Archäologischen Sammlung. Dazu gehören nicht nur Funde aus laufenden Untersuchungen, sondern auch sogenannte Altfunde aus frühen Ausgrabungen und Sammlungen. Diese Objekte lagern teilweise noch in ihren ursprünglichen Aufbewahrungseinheiten, die nun selbst Teil der Sammlungsgeschichte sind. Gemeinsam mit unseren Freiwilligen haben die Mitarbeitenden der Sammlung in diesem Jahr ganze Arbeit geleistet. Regale wurden umgestellt, Kartons und Schubladen verschoben, Kisten umgepackt und Fundtüten gesichtet. Die Freiwilligen erhielten durch diesen Einsatz einen einmaligen Einblick ins Depot und die Sammlungsmitarbeitenden erfreuen sich an besserer Auffindbarkeit und optimierter Raumnutzung. Ein Gewinn für alle.
Freiwillige entdecken
Mehr Entdeckungen unserer Freiwilligen finden sich laufend auf Instagram.
Erforschen
Erforschen
Auswertungs- und Forschungsprojekte gibt es viele in der Kantonsarchäologie. Studierende verschiedener Universitäten absolvieren ihre Abschlussarbeit. Forschende aus der Schweiz und dem Ausland analysieren Funde, Archäologinnen und Archäologen der Kantonsarchäologie werten Ausgrabungen, Bauuntersuchungen oder Fundgruppen aus. Mit den römischen Steininschriften aus Vindonissa wurde nun letztes Jahr ein ganz besonders wichtiger Denkmälerbestand erschlossen. Im Auswertungsprojekt 2019−2023 wurden alle bis zum Jahr 2023 bekannten römischen Steininschriften aus dem Perimeter des antiken Vindonissa zusammengestellt. Im aktuellen Jahr wird nun die Drucklegung der Publikation vorbereitet.
Nicht nur die römische Epoche stand letztes Jahr im Fokus, sondern auch das Spätmittelalter. Und zwar ein ganz bestimmtes Ereignis: Der Schwabenkrieg. Archäologische Hinterlassenschaften aus dem Fricktal, die möglicherweise damit in Zusammenhang stehen, sind 2022 bis 2023 in einem Kooperationsprojekt der Kantonsarchäologie und der Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde ausgewertet worden. Die Resultate werden nun im laufenden Jahr mit einer Wanderausstellung vermittelt.
1499 – Unruhige Zeiten im Fricktal
1499 tobte der Schwabenkrieg im Fricktal. Ganze Dörfer wurden niedergebrannt. Heute zeugen archäologische Entdeckungen von diesen unruhigen Zeiten.
Vermitteln
Vermitteln
Die alljährliche Vitrine AKTUELL der Kantonsarchäologie zeigt neue Funde oder Forschungsresultate. Die kleine Ausstellung "Handel und Handwerk vor 3500 Jahren" wurde im November im Vindonissa Museum eröffnet. Die inszenierten Funde stammen aus einer Rettungsgrabung am Fuss des Kestenbergs in Möriken-Wildegg. Sie erlauben Rückschlüsse auf Handel und Handwerk in einer Siedlung der mittleren Bronzezeit (um 1500 v. Chr.)
Mit dem Mittelalter beschäftigte sich das Team Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit gleich in zweifacher Weise. Mit der Publikation "Burgen im Aargau" wurden alle bisher bekannten Burgen des Kantons vorgelegt. Nicht weniger als 98 Burgen und Burgstellen sind es. Deren 12 sind exemplarisch für die vielfältige Burgenlandschaft in eine Karte aufgenommen worden, die Inspiration zu Ausflügen und eigenen Burgenentdeckungen sein soll.
Das Jahr 2023 war wahrlich eine Reise durch die Epochen. Eine "Reise durch die Zeit" ermöglicht das gleichnamige Magazin, das im Rahmen des Forschungs- und Vermittlungsprojekts "Zeitgeschichte Aargau" entstand und im Juni letzten Jahres erschien. In Zusammenarbeit mit dem Projektteam durfte die Kantonsarchäologie Entdeckungen und Erkenntnisse der Jahre 2013−2023 ins Magazin einfliessen lassen. Unsere Tätigkeit, so scheint es, ist einer Reise ähnlich – einer Reise durch die Epochen und die Zeit.
Die Aktivitäten
Bücher und Magazine
Ausstellungen
- Pop up-Ausstellung "100 Jahre Pfahlbauten Riesi" in Seengen
- Pop up-Ausstellung "Archäologie aktuell: Eine römische Stadt wird neu entdeckt" in Kooperation mit Museum Burghalde Lenzburg
- "Handwerk und Handel vor 3500 Jahren" in der Vitrine AKTUELL
Veranstaltungen
- Kulturerbe-Tag vom 25. Juni 2023 in Würenlingen
- Jubiläum "850 Jahre Sarmenstorf" in Kooperation mit der Gemeinde Sarmenstorf und der Historischen Vereinigung Seetal
Neues
- Burgenkarte
- Filmporträt "Werner Brogli"
- Informationstafel Römisches Gebäude im Biswind bei Seon
- Informationstafel Grabhügel im "Zigiholz" bei Sarmenstorf
- Informationstafel Römischer Gutshof im "Murimooshau" bei Sarmenstorf
- Neuauflage des Faltblatts "Geschichtsweg Sarmenstorf"
Freiwilligenprogramm
Die Medienberichte
- "Ziegel für Vindonissa: Einer der ältesten Industriekomplexe der Schweiz" im Baublatt vom 05.01.2023
- "Archäologen entdecken im Aargau einen Schatz aus dem Mittelalter – was man über die Gläser weiss" in der Aargauer Zeitung vom 06.01.2023
- "Jahrtausende altes Gebäude im Waldboden – eine Tafel erzählt nun die Geschichte dazu" in der Aargauer Zeitung vom 24.01.2023
- "Grundriss von 3400 Jahre altem Haus entdeckt – es ist das grösste im Aargau" im Zofinger Tagblatt vom 02.02.2023
- "Wissenswertes von zeEigane und Taleheim" in der Neuen Fricktaler Zeitung vom 04.02.2023
- "Schatzjäger Marvin Lanz aus Möhlin hat immer mehr Indizien – er ist einem grossen Fund auf der Spur" in der Aargauer Zeitung vom 13.2.2023
- "Reise ins erste Jahrtausend: Kanton stellt Publikation über frühmittelalterliche Siedlungsforschung vor" in der Aargauer Zeitung vom 16.02.2023
- "Archäologische Ausgrabungen vor Neubau der Kantonsschule bringen neue Erkenntnisse" in der Aargauer Zeitung vom 18.2.2023
- "Tauchteam erkundet das St. Anna-Loch in Rheinfelden AG" in Schweiz Aktuell vom 07.03.2023
- "Fasziniert von der Archäologie" im Wohler Anzeiger vom 24.03.2023
- "Pfahlbauten: Wie Posthalter Hauri am Hallwilersee Geschichte fand – und Geschichte schrieb" in der Aargauer Zeitung vom 10.04.2023
- "Überraschungen aus der Vergangenheit: Mitarbeiterin der Kantonsarchäologie erzählt von ihrem Beruf" in der Aargauer Zeitung vom 10.05.2023
- "Bauarbeiten fördern Mauern eines spätrömischen Kastells zutage" in der Aargauer Zeitung vom 17.05.2023
- "Unesco-Welterbe am Hallwilersee wird mit Ausstellung gewürdigt" in der Aargauer Zeitung vom 19.05.2023
- "Der Aargau ist ein Burgenkanton" im Regionaljournal Aargau/Solothurn vom 23.05.2023
- "Ein Grabungsteam entdeckt in einer Baugrube eine Strasse aus zwei Epochen" in der Aargauer Zeitung vom 03.06.2023
- "Niemand weiss, wohin die vergessene Römerstrasse führt" in der Basler Zeitung vom 06.06.2023
- "Bauen auf 6000 Jahren Siedlungsgeschichte" in der Neuen Fricktaler Zeitung vom 06.06.2023
- "Von Römerfunden über Flugzeugabsturz bis zur Fasnacht: Würenlingen steht immer wieder im Scheinwerferlicht der Presse" in der Aargauer Zeitung vom 13.06.2023
- "Spektakuläre Steinstrukturen entdeckt" in der Aargauer Zeitung vom 19.08.2023
- "Hier lebten keine armen Leute" in der Fricktaler Zeitung vom 22.08.2023
- "Sie war richtig aufmüpfig: Neues Buch widmet sich Leben und Leistung von fünf Forscherinnen des 20. Jahrhunderts" in der Aargauer Zeitung vom 21.08.2023
- "Darum hat eine Hochzeit zum Verfall einer Fricktaler Burg beigetragen" in Argovia today vom 10.09.2023
- "Die Schönheit des Verfalls: die Burgruine Schenkenberg" in Argovia today vom 1.10.2023
- "Kantonsarchäologie entdeckt Reste eines abgebrannten Gebäudes aus dem Mittelalter – mit 14 Freiwilligen" in der Aargauer Zeitung vom 5.10.2023
- "Einblicke in ein Aargauer Dorf vor 3500 Jahren" in der Aargauer Zeitung vom 6.11.2023
- "Auf der Spur der verschwundenen Telli-Kirche: Weitere Gräber und Knochenreste gefunden" in der Aargauer Zeitung vom 05.12.2023
- "Der Sensationsfund von einst gibt immer mehr Geheimnisse preis" in der Aargauer Zeitung vom 14.12.2023
- "Ein Film zeigt das riesige Werk des Bodenforschers: Werner Brogli erschuf ein Archiv der Menschheitsgeschichte" in der Aargauer Zeitung vom 12.12.2023
- "Filmische Hommage an Bodenforscher Werner Brogli" in der Neuen Fricktaler Zeitung vom 14.12.2023
- "Seien wir ein bisschen Brogli" in der Neuen Fricktaler Zeitung vom 26.12.2023
Aufgaben der Kantonsarchäologie
Die Kantonsarchäologie kümmert sich um sämtliche archäologischen Belange im Kanton Aargau. Ziel ist, die archäologischen Grundlagen zur Rekonstruktionen unser aller Vergangenheit zu sichern. Damit ist die Kantonsarchäologie Hüterin und Fürsprecherin des Kulturerbes, sowie eine wissenschaftliche Fachstelle im Auftrag der Gesellschaft.