Archäologie

Die Kantonsarchäologie ist eine Fachstelle mit der Aufgabe, archäologische Hinterlassenschaften zu schützen und zu erhalten oder vor ihrer unabwendbaren Zerstörung zu untersuchen und zu dokumentieren.
Archäologie erforscht die Vergangenheit des Menschen anhand von materiellen Überresten. Diese stammen überwiegend aus dem Boden. Bodenfunde sind die Quellen für Zeitepochen, in denen es keine oder nur wenig schriftliche Überlieferungen gibt. Deshalb sind archäologische Hinterlassenschaften von öffentlichem, allgemeinem Interesse. Darum beansprucht sie der Kanton von Gesetzes wegen auch als Eigentum zugunsten der Allgemeinheit – Das heisst: die archäologischen Hinterlassenschaften gehören uns allen als Gemeinschaft.
In die 3. Dimension: Das war 2022 – Jahresrückblick
Im Wald oberhalb von Sarmenstorf machen sich moderne Bagger an einer alten Grabstätte zu schaffen. Sie schichten Erdmaterial aus der Vergangenheit zu Hügeln auf und erschaffen einen buckligen Friedhof inmitten eines lichten Waldes. Der neue Ort ist eigentlich ein alter Ort, und endlich wieder er selbst: ein Hügelgräberfeld aus der mittleren Bronzezeit im Zigiholz. Die Ruhestätte der Toten wurde vor über 100 Jahren von Forschern ausgegraben und analysiert, lange bevor es die Kantonsarchäologie überhaupt gab. Und lange bevor die Forschung eindeutige Antworten auf manche Fragen hatte. So wurde der Friedhof im Geiste der damaligen Forschung rekonstruiert und gab seither ein falsches Bild von vermeintlich germanischen Grabsitten an die Öffentlichkeit wieder. Einer wiederherstellenden Operation gleich, rekonstruierte die Kantonsarchäologie das Grabhügelfeld in den Jahren 2020 bis 2022 und gab ihm sein ursprüngliches Aussehen zurück. Dafür erhielten wir im Dezember letzten Jahres den Anerkennungspreis der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturgüterschutz.
Dass wir ihn erhalten haben, freut uns enorm. Es zeigt, dass der Ansatz, den wir verfolgen, richtig ist.
Was uns 2022 beschäftigt und bewegt hat
Schützen und erhalten
Schützen und erhalten
Der Ansatz, den die Kantonsarchäologie verfolgt, heisst getreu dem Kulturgesetz: wenn immer möglich an Ort und Stelle zu schützen und zu erhalten. Denn nur was an seinem originalen Ort bleibt, was als Erbe unserer Vergangenheit unangetastet im Bodenarchiv gesichert ist, kann auch an unsere Nachkommen vererbt werden – und damit an künftige Generationen, die mit weit besserer Technik weit detailliertere Fragen beantworten können als es heute möglich ist. Deshalb galt es letztes Jahr auch im römischen Lenzburg, die Spaten zu Hause zu lassen. Im Lindfeld, unweit der Autobahn und eines bereits bekannten römischen Theaters, liegt eine Stadt ohne Namen im Untergrund. Immer wieder kamen Spuren aus der römischen Zeit zum Vorschein, doch die gesamte Ausdehnung der Siedlung war bisher unbekannt. Im letzten Jahr fanden die umfangreichen Prospektionskampagnen mit geophysikalischen Methoden ihren Abschluss: ohne auch nur einen Bodeneingriff setzte sich der Plan der Kleinstadt Stück für Stück zusammen und sogar ein bisher unbekannter Tempel kam zum Vorschein. Eine kleine Ausstellung im Museum Burghalde Lenzburg informierte über das mehrjährige Projekt und die bisherigen Resultate. Es bleibt spannend: noch sind die Untersuchungen nicht abgeschlossen. Geben uns die Funde weitere Anhaltspunkte zur zeitlichen Dimension der Siedlung? Warum bildete sich genau an dieser Stelle diese Siedlung? Und welche Bedeutung hatte die Stadt ohne Namen wirklich? An den Antworten arbeiten wir – auch dieses Jahr wieder.
Die ganze Geschichte
Mehr Informationen zu den Grabhügeln im Zigiholz und deren Geschichte finden Sie hier:
- Grabhügel im "Zigiholz" bei Sarmenstorf
- "Renovation eines spätneolithischen Grabhügels im Zigiholz in Sarmenstorf (AG)" in Archäologie der Schweiz von 1998.
- "Wahr ist, was uns nützt! Zur Urgeschichte im Dienst der Nationalsozialisten" in Argovia 124, 2012.
- "Die falschen Germanen von Sarmenstorf" in der Aargauer Zeitung vom 18.8.2017
- "Wie Hitlers Archäologe Pfahlbauer-Funde manipulierte" in der NZZ vom 6.2.2023
Die Suche
Untersuchen und dokumentieren
Untersuchen und Dokumentieren
Im Feld ging es letztes Jahr definitiv in die 3. Dimension. Die digitale Transformation macht auch vor der Altertumswissenschaft Archäologie nicht halt. Statt Papier nehme man ein Tablet und statt Bleistift einen Touchpen. Die ersten Feldversuche mit digitalem Handzeichnen waren vielversprechend und die neue Dokumentationsmethode soll im laufenden Jahr eingeführt und verbessert werden. Regelhaft dokumentierte das Grabungsteam schon letztes Jahr archäologische Funde in 3D. So zum Beispiel die Überreste eines Ziegelbrennofens in Wittnau. Die dreidimensionale Dokumentation ermöglicht einen Detailgrad und eine räumliche Wahrnehmung, wie sie ansonsten nur direkt im Feld möglich sind. Die 3D-Daten verlegen einen Befund gewissermassen "en bloc" ins digitale Archiv.
Die Zahlen

Die Grabungen
- Im Herzen des Kastells: Rettungsgrabung in Kaiseraugst
- Bauuntersuchung in Sulz
- Römische Gräber in Endingen
- Neues aus dem Frühmittelalter
- Feldkurs in Vindonissa
- Ausgrabung am Hexenturm in Melligen
- Prähistorischer Landschaftsbau: Rettungsgrabungen am Badener "Kappelerhof"
- Ausgrabung in Villigen − oder: Ein Superfood und seine Folgen
- Ein schmaler Einblick ins castrum Vindonissense
Sammeln und inventarisieren
Sammeln und inventarisieren
Auch in der Archäologischen Sammlung kommen 3D-Modelle zum Einsatz. Sie können bei der Restaurierung und Analyse grosser Steinobjekte helfen. Die schon 2020 gefundene Weiheinschrift vom Kurplatz in Baden konnte beispielsweise in ihrem höchst fragilen Zustand geschont werden, indem man für die Detailuntersuchung mit dem 3D-Modell arbeitete. Das Ergebnis wurde im letzten Jahr in der Zeitschrift AS publiziert. So ist der Altar den Aquae Divinae et Nymphae (den göttlichen Wassern und Nymphen) geweiht und wurde von einem Soldat der 21. Legion aus Vindonissa gestiftet, der ihn im Sakralbezirk von Aquae Helveticae aufstellen liess. Doch nicht nur neuartige Methoden kamen zum Einsatz, auch neue Funde sorgten für Freudensprünge. Ein unscheinbar anmutendes Keramikgefäss entpuppte sich als wahrer Schatz: Das Keramikgefäss aus Villigen stammt aus der spätkeltischen Zeit, die ansonsten im Kanton Aargau kaum belegt ist.
Der Fund des Jahres
Die braunen Scherben aus einer Ausgrabung in Villigen erregten zunächst wenig Aufmerksamkeit. Doch irgendwie glichen die Scherben doch nicht den im Aargau häufig zu findenden bronzezeitlichen Keramikfragmenten. Die Verzierung mit Kammstrich passte nicht dazu. Schliesslich konnten die Expertinnen und Experten das Gefäss als spätlatènezeitlich identifizieren, es stammt also aus der spätkeltischen Epoche (um 150−50 v. Chr.). Das ist selten! Währenddem die Siedlungen der Bronzezeit im Kanton Aargau immer häufiger dokumentiert werden, fehlen bislang bis auf wenige Ausnahmen die keltischen Siedlungsspuren. Die Fundstelle in Villigen ist deshalb ein wichtiger Anhaltspunkt.
Erforschen
Erforschen
Gut belegt ist dagegen auf der Möhliner Höhe im Fricktal eine Fundgattung: rund 25'000 Steinartefakte aus einem Zeitraum von über 100'000 Jahren sind im Laufe von sechs Jahrzehnten von einem Freiwilligen zusammengetragen worden. Ein wahres Lebenswerk! Die Sammlung wird seit mehreren Jahren bearbeitet und soll nun in die Archäologische Sammlung des Kantons überführt werden. Die Arbeiten wurden filmisch begleitet und in der Folge davon entstand auch ein 3D-Modell des ältesten bekannten Fundstücks aus dem Kanton Aargau: dem Faustkeil von Zeiningen. Die Resultate der Aufarbeitung dieser einmaligen Sammlung werden in einen Dokumentarfilm eingearbeitet und sollen in einem Buch publiziert werden.
Das Objekt
Vermitteln
Vermitteln
Bücher wurden wahrlich nicht wenige publiziert im vergangenen Jahr. Langjährige Forschungsprojekte fanden ihren Abschluss in Buchform und bedeutende Fundplätze ihre Würdigung zwischen zwei Buchdeckeln. So kann man sich "Zu Gast bei Offizieren in Vindonissa" über die bewegte Geschichte eines Fundortes im Zentrum von Vindonissa informieren oder sich ins frühmittelalterliche "zeEigane und Taleheim" begeben, um mehr über die Ursprünge dieser Dörfer im Fricktal zu erfahren. Ein in seiner Häufigkeit geradezu langweiliges Fundmaterial erscheint in neuem Licht, denn "Ziegel für Vindonissa" sind mehr als nur gepresster Ton – als Träger von Informationen vermitteln sie uns einen einmaligen Einblick in den ältesten Industriekomplex der Schweiz. Das einzige römische Legionslager auf Schweizer Boden erhielt anlässlich des 125-Jahr-Jubiläums der Gesellschaft Pro Vindonissa einen Geländeführer mit "Vindonissa in 40 Blickpunkten".
Gefeiert wurde das Jubiläum auch am Römertag im Juni. Rasante Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe in der Arena des Amphitheaters versprühten römisches Adrenalin und entführten die Sinne in die römische Antike. Dass antike Methoden den modernen in nichts nachstehen, zeigte die Kantonsarchäologie an ihrem Informationstand. Mit einem sogenannten Stereoskop liess sich bereits vor über 100 Jahren die 3. Dimension darstellen. Alte Stereofotografien aus den Anfängen der Vindonissa-Forschung faszinierten die Besucherinnen und Besucher ebenso sehr wie das moderne 3D-Modell des Legionslagers. Archäologie ist und bleibt eben die Hauptsache – auch in der 3. Dimension.
Die Bücher
Die Aktivitäten
- Neuer Foxtrail Seengen mit Pfahlbauhaus als Station
- Neue Augmented Reality-App in den römischen Gewerbehäusern in Kaiseraugst
- Auf der Suche nach der verlorenen Stadt
- Römertag in Vindonissa am 12. Juni 2023
- Kulturerbe-Tag Birmenstorf am 26. Juni 2022 (PDF, 2,0 MB)
- Feldkurs für Freiwillige in Vindonissa
- "Hot oder Schrott? Mit dem Detektor in die Vergangenheit" in der Vitrine AKTUELL
Die Medienberichte
- "Diese römischen Bauten gibt es im Aargau zu entdecken" in ArgoviaToday vom 22.1.2022
- "Ursprung von Frick gefunden" in der neuen Fricktaler Zeitung vom 10.2.2022
- "Überraschender Fund in Sulz" in der Neuen Fricktaler Zeitung vom 18.2.2022
- "Archäologen entdecken den über 1200 Jahre alten Ursprung des Dorfes – und eine weitere Überraschung" in der Aargauer Zeitung vom 26.2.2022
- "Spektakuläre neue Bilder: Kantonsarchäologie zeigt Funde im Bäderquartier aus neuem Blickwinkel" im Zofinger Tagblatt vom 1.3.2022
- "25'000 Fundobjekte aus der Steinzeit und ein Goldschatz" in der Neuen Fricktaler Zeitung vom 29.3.2022
- "Das Tätschdachhaus in Auw ist eines der ältesten Gebäude der Schweiz – ein exklusiver Einblick in das restaurierte Schmuckstück" in der Aargauer Zeitung vom 1.4.2022
- "Römische Baugeschichte unter dem ehemaligen Dorfladen entdeckt" in der Neuen Fricktaler Zeitung vom 1.4.2022
- "Gestaltungsplan «Via Romana» liegt auf: Der Erhalt der antiken Legionslagermauer ist gewährleistet" in der Aargauer Zeitung vom 2.5.2022
- "Neue interaktive Ausstellung: Mit einer App zurück in die Zeit der Römer" im Basler Tagblatt vom 6.5.2022
- "Römischer Speiseplan umfasste Grosswild, Singvögel und kostspielige Importe" in der Aargauer Zeitung vom 10.5.2022
- "Kulturerbe macht Schule" im Reussboten vom 13.5.2022
- "Spektakuläre Funde: Tempel aus der Römerzeit in Lenzburg AG nachgewiesen" in watson vom 27.6.2022"
- "Sensationsfund: In Windisch im Amphitheater finden Freiwillige drei Skelette" in Tele M1 vom 19.10.2022
- "Ziegel für Vindonissa" im SRF Regonaljournal vom 1.12.2022
- "Nationale Auszeichnung für das Projekt Sanierung Zigiholz: Sarmenstorfer Grabstätte erhält Anerkennungspreis" in der Aargauer Zeitung vom 1.2.2023
Die Kantonsarchäologie als Fachstelle
Die Kantonsarchäologie kümmert sich um sämtliche archäologischen Belange im Kanton Aargau. Ziel ist, die archäologischen Grundlagen zur Rekonstruktionen unser aller Vergangenheit zu sichern. Damit ist die Kantonsarchäologie Hüterin und Fürsprecherin des Kulturerbes, sowie eine wissenschaftliche Fachstelle im Auftrag der Gesellschaft.
Dranbleiben
Kantonsarchäologie
- Organigramm (PDF, 1Seite, 218 KB)
- Jahresbericht der Kantonsarchäologie Aargau 2021 (Argovia 133, S. 173−192) (PDF, 20 Seiten, 1,2 MB)
- Jahresberichte in Argovia bis 2019
Archäologie in der Schweiz
- Archäologie Schweiz
- archäologie.ch − Konferenz Schweizerischer Kantonsarchäologen und Kantonsarchäologinnen
- Archäologie in der Schweiz. Rahmenbedingungen, Aufgaben, Organisation. In: NIKE-Bulletin 3/2019