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Ausgrabungen & Untersuchungen

Leitungsgräben − Chancen und Schwierigkeiten einer archäologischen Aktion

Ein geöffneter Werkleitungsgraben mit blauen und orangen Plastikrohren und einem gemauerten Kanal in der Mitte.
Laufenburg-Marktgasse: Übersicht der laufenden Werkleitungsarbeiten. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Werkleitungen müssen kontinuierlich erneuert werden: dies ermöglicht der Kantonsarchäologie immer wieder einmalige Bodeneinblicke mitten in der Stadt.

Der Aargauer Untergrund in Städten und Dörfern ist von einem dichten Netz an Werkleitungen durchzogen. Es sind Leitungen, die die Infrastruktur für unser tägliches Leben sicherstellen: Wasser, Abwasser, Fernwärme, Elektrizität, Kommunikation, Gas und weiteres. Das Werkleitungsnetz muss nicht nur regelmässig erneuert werden, sondern es wird laufend um neue Versorgungssysteme wie Fernwärmeanschlüsse erweitert. Bei solchen Arbeiten wird der Boden geöffnet, um Zugang zu erhalten. Dies ermöglicht der Kantonsarchäologie immer wieder schmale, aber aufschlussreiche Bodeneinblicke.

Zweischneidiges Schwert

Aus dem Blickwinkel der Archäologie handelt es sich bei solchen Bauprojekten um ein zweischneidiges Schwert: die Gräben werden im direkten Umfeld bereits bestehender Leitungen geöffnet, sodass einerseits archäologische Befunde lediglich noch ausschnitthaft zutage treten und bisweilen so stark gestört sind, dass sie kaum mehr ansprechbar sind. Andererseits erstrecken sich die teilweise mehrere hundert Meter langen Leitungsgräben über ein grosses Areal, in dem oft zum ersten Mal überhaupt eine archäologische "Begutachtung" erfolgen kann. Dies ist für die Kantonsarchäologie die Chance auf einen einmaligen Bodeneinblick. Meistens bleibt dafür aber aufgrund der Sicherung der Grabenwände und kurzen Bauetappen nur ein kleines Zeitfenster – eine Herausforderung in Anbetracht begrenzter personeller Ressourcen und oft vieler parallel laufender Projekte. Neben der Priorisierung bestimmter Areale auf Grundlage von historischen Quellen und Plänen oder früheren Funden ist hier insbesondere eine Sensibilisierung und ein gutes Zusammenspiel mit der Bauleitung und den ausführenden Bauarbeitern gefragt. Ein vertretbares Restrisiko des undokumentierten Verlusts archäologischer Substanz bleibt allersdings immer bestehen. Dass eine solche "Arbeitsteilung" aber mehrheitlich funktioniert und sich Einblicke in die Leitungsgräben durchaus lohnen, zeigen die hier kurz vorgestellten Befunde.

Unerwartetes in Laufenburg

Blick in einen Abwasserkanal, mitten in einem Werkleitungsgraben.
Intakter Hauptkanal des Abwasserentsorgungssystems. Die rechte Wange besteht teilweise aus einem Findling, der in den sandigen Flussablagerungen lag. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

In der Marktgasse in Laufenburg konnte der Nachweis eines aufwändigen frühneuzeitlichen Abwasserentsorgungssystems erbracht werden. Es bestand aus einer bis zuletzt funktionierenden Hauptleitung von 1,6 Meter Höhe und 1,1 Meter Breite, die mit Nebengassen- und Hausanschlüssen verbunden war.

Aufgrund mehrfacher Anpassung der Gassenniveaus haben sich nur stellenweise mittelalterliche Befunde wie Hausfundamentgruben, Planien oder spärliche Reste der ostseitigen Stadtbefestigung (Markttorturm und Bollwerk) erhalten. Ein intakter stratigrafischer Aufschluss an der Flössergasse offenbarte, dass in der Kernstadt bereits in vor- oder frühstädtischer Zeit, d.h. im 11. bis 13. Jahrundert, von einer Besiedlung ausgegangen werden kann. Darüberliegende Brandschuttschichten stehen vermutlich mit dem grossen Stadtbrand von 1479 im Zusammenhang.

Geöffneter Werkleitungsgraben, im Profil sind archäologische Schichten erkennbar.
Laufenburg-Marktgasse: Hausanschlussprofil mit prähistorischen Schichten. Die Steine unten im Bild markieren die alte Bodenoberfläche. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Von grösserer Bedeutung ist der Nachweis einer spätbronzezeitlichen Siedlungstätigkeit in Form eines flächig vorhandenen Fundniederschlags vor allem von Keramik. Die Funde bezeugen erstmals eine spätbronzezeitliche Besiedlung im Gelände rings um die Marktgasse.

Komplexe Befestigungen und reichhaltige Verfüllungen in Kaiserstuhl

Offener Werkleitungsgraben mit Überresten der Stadtmauer.
Kaiserstuhl-Obertor: Vor dem Oberen Turm sind die Schichten des mittelalterlichen Stadtgrabens sichtbar, der im 17. Jh. mit einem zusätzlichen Hindernis (Mauergeviert im Vordergrund) verstärkt wurde. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Südlich des das Stadtbild von Kaiserstuhl prägenden Oberen Turms befand sich eine im 17. Jahrhundert errichtete grosszügige Zwingeranlage, die den Stadtzugang zusätzlich sicherte. Bei deren Bau wurde der mittelalterliche Stadtgraben verfüllt. Aus den Auffüllungen konnten unter anderem die Abfälle einer Schmiede oder eines anderen Eisenverarbeitungsgewerbes sowie Unmengen an Hausrat in Form von gut erhaltener Geschirr- und Ofenkeramik geborgen werden.

Gepflästerte Strasse in einem offenen Leitungsgraben.
Kaiserstuhl-Obertor: Gut erhaltener Abschnitt des gepflasterten Strassenbelags aus dem 18./19. Jh. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Das Areal innerhalb der Zwingeranlage erhielt in jener Zeit eine Bollensteinpflästerung; begrenzt wurde es durch eine Zwingermauer mit vorgelagertem Graben. Im Bereich der heutigen Strasse stand ein Tor, dessen charakteristische sogenannten Schwingbalkengruben eine Wippbrücken-Konstruktion belegen. Diese war offenbar nur kurz in Gebrauch, denn nur wenige Zeit später ersetzte man die Brücke durch einen festen Fahrdamm mit Kopfsteinpflaster. Die Zwingeranlage wurde ab den 1830er-Jahren kontinuierlich abgetragen, Teile davon waren aber bis ins frühe 20. Jahrhundert noch sichtbar. In den angrenzenden Liegenschaften haben sich sogar bis heute Teile der Zwingermauer erhalten.

Massenhaft Mauern und Gräber in Baden

Offener Leitungsgraben mit einem Wirrwarr aus alten Mauern.
Baden-Schlossbergplatz: Der ausschnitthafte Charakter der Leitungsgräben sowie zahlreiche moderne Leitungen erschweren die Interpretation der Mauerbefunde. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

In Baden werden gleich an mehreren Stellen Fernwärmeanschlüsse erstellt. Auf dem Schlossbergplatz fanden sich vor dem Stadtturm massive Mauerreste des stark befestigten nordseitigen Stadtzuganges in Form von Kasematten (Gewölben), Bollwerken und einem Graben, was alles zwischen 1677 und 1679 errichtet worden war. Zeugnisse der nachmaligen Nutzung als offener Platz ab dem frühen 18. Jahrhundert bilden mehrere unterirdische Kanäle zur Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung.

Offener Leitungsgraben, in dem mehrere Skelette zu sehen sind.
Baden-Kirchplatz: Unterste Gräberlage, die durch verschiedene jüngere Leitungen gestört wird. Auffällig ist die gekreuzte Armhaltung der Bestatteten. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Auf dem Kirchplatz konnten südwestlich der Kirche seit Anfangs Juli 2025 über 40 Bestattungen des dort vermutlich vom Frühmittelalter bis 1820 bestehenden Friedhofes dokumentiert werden. Die sowohl geosteten als auch genordeten Gräber liegen teilweise dicht in- bzw. übereinander. Neben zahlreichen Sargnägeln und Gewandschliessen gehören Beigaben wie Rosenkränze, Ringe und Wallfahrtsmedallien zu den besonderen Fundstücken.

Mit der Fortsetzung der Ausgrabungsarbeiten westlich der Stadtkirche bis Ende Jahr werden vermutlich Reste der 1823 bzw. 1863 abgebrochenen Gebäude des ins 14. Jahrhundert zurückreichenden Agnesspitals zum Vorschein kommen.