Der Silberschatz von Kaiseraugst

Eine abenteuerliche Entdeckungsgeschichte: auf verworrenen Umwegen finden die wertvollen Silberobjekte schliesslich in die Archäologische Sammlung.
An einem kalten regnerischen Tag Ende Dezember 1961 planiert ein Bagger das Areal für einen neuen Sportplatz beim Schulhaus in Kaiseraugst. Niemand ahnt, was da in der Baggerschaufel an Kostbarkeiten, verdeckt unter Erde, zutage kommen. Mit dem Erdmaterial verteilt der Bagger unbesehen wertvolle Silberobjekte aus längst vergangenen Jahrhunderten auf dem Feld und schaufelt andere auf einen Erdhaufen.
Doch aufmerksamen Augen entgehen die seltsamen Objeke nicht. In den Tagen danach finden und bergen verschiedene Personen Teile dieses besonderen Fundes. Es vergehen allerdings fast zwei Monate, bis der Archäologe Rudolf Laur-Belart auf den Platz gerufen wird. Ein Anwohner will ihm zeigen, wo er auf einem Spaziergang eine Silberplatte gefunden hat. Später stösst die Wirtin des nahen Gasthofs dazu und berichtet, dass ihre Neugierde von einer Familie hervorgerufen wurde, die in der Erde herumgestochert hatte und dann mit etwas davongefahren war. Sie hatte ihren Mann gebeten, die Autonummern zu notieren.
Aus der Erde gezogen

Die Wirtin holt mehrere Silberplatten von zu Hause hervor, die sie an jenem Tag, als die Autofahrer verschwunden waren, gefunden hatte und zeigte sie dem Archäologen Laur-Belart.
So stand ich mit meinen Platten, in jeder Hand eine, vor Herrn Prof. Laur mit den Worten: "Hier hab ich was gefunden vor einem Monat, können Sie mit den Sachen etwas anfangen?" Mit grossen Augen und erhobenen Händen fragte er mich: "Ja, Frau Schmid, wo kommen denn Sie mit diesen Sachen her?" Ich konnte ihm zur Antwort geben: "Ich hab noch welche, im ganzen fünf Stück".
Als die Archäologen später die Familie fanden, die mit dem Auto weggefahren war, brachte der damals 7-jährige Jakob eine Silberplatte aus seinem Zimmer.
Auch der 12-jährige Kläusli war auf dem Feld auf etwas aufmerksam geworden und zog mehrere silberne Platten aus der Erde. Er zeigte sie seinem Lehrer. Besonders ein Tablett gefiel dem Buben besonders gut.
Sie glänzte wie Silber und Gold, und ich zeigte sie meinem Lehrer... Er sagte: "Du glaubst, das sei von den Römern? Das ist ein altes Blech, werfe es in die Abfallgrube." Ich tat, wie mir geheissen wurde.

Vermisste Platten
Wie viele andere Objekte in der Zwischenzeit verschwunden waren, ist unklar. Dass aber Teile des Schatzes fehlten, konnten Untersuchungen zeigen. Der Bagger hatte nämlich durch sein Gewicht einige der Gefässe auf darunterliegende gepresst, wo sie Abdrücke der Standringe und der Ränder hinterliessen. Doch der Abdruck eines Standrings passte zu keiner der geborgenen Platten. Und ein Randabdruck fand kein entsprechendes Gefäss.
Späte Rückgabe
Gut 30 Jahre vergehen. Im Jahr 1995 werden 18 weitere Silbergefässe aus einem anonymen Legat an die Behörden übergeben. Diese können als eindeutig zum Schatz gehörend identifiziert werden, weil sich unter ihnen Fragmente zu damals in Bruchstücken gefundenen Gefässe befinden. Und doch ist der Schatz nicht vollständig. Der Abdruck auf einer Platte zeigt: mindestes ein Gefäss fehlt heute immer noch.
Eindrucksvoller Schatz

Der Silberschatz von Kaiseraugst besteht aus 270 Stücken von 57,5 Kilogramm Silber. Er gehört zu den weltweit bedeutendsten Funden von römischen Silber. Gemessen an der Anzahl von Geschirr ist es das bisher grösste bekannt gewordene Silberensemble der Spätantike.
Der Silberschatz ist nicht nur gesammeltes luxuriöses Tafelgeschirr, sondern ist ein Besitz von kaiserlichen und privaten Geschenken und Wertgegenständen, die im Jahr 352 n. Chr. vergraben wurden.
Unzählige Inschriften, Zeichen und Stempel auf den Objekten geben Hinweise über die Herkunftsorte, die Produzenten und die Besitzer des Silbers. Ornamente und Motive verraten etwas über die Geisteshaltung der damaligen Menschen. Spuren auf den Gefässen erhellen die Geschichte der Objekte und ermöglichen Rückschlüsse auf Herstellungstechniken. Die intensiven wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten Jahre und eine minutiöse Reinigung und Konservierung der Objekte haben seit der Entdeckung wertvolle neue Erkenntnisse über das Kaiseraugster Silber gebracht.