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Hoch­wasser­schutz

Luftaufnahme des Hochwassers am 1. September 2005 in Mellingen.

Hier finden Gemeinden und Planungs­büros die raum­planerischen Grund­lagen des Kantons, die es bei der bevor­stehenden Ortsplanungs­revision im Bereich Hochwasser­schutz zu berück­sichtigen gilt.

1. Ausgangslage und strategischer Rahmen

Ziel des Hochwasser­managements im Kanton Aargau ist die Sicher­stellung des Hochwasser­schutzes mit geeigneten Rück­halte­massnahmen samt daran angepasster Abfluss­kapazitäten bei Bächen und Flüssen (Richt­plan­kapitel L 1.2 > Planungs­grundsatz A und Planungs­anweisung 2.1). Raum­planerische Massnahmen sind ein wichtiger Teil des vorsorglichen Hochwasser­managements. Während die Flächen­vorsorge darauf zielt, Bauzonen in hochwasser­gefährdeten Gebieten zu vermeiden, werden mit der Bauvorsorge Nutzung und Bauweise von Gebäuden hochwasser­gerecht festgelegt. Um die Hochwasser­sicherheit zu gewährleisten, sind Kanton und Gemeinden aus der Warte der Haftpflicht gehalten, die Gefahren­karten und Massnahmen­planungen zur Vermeidung von Personen- und Sachschäden in ihrer Richt- und Nutzungs­planung umzusetzen. Die Gemeinden legen in der allgemeinen Nutzungs­planung die zum Schutz vor Natur­gefahren notwendigen Bestimmungen fest (§ 13 Abs. 2ter Gesetz über Raumentwicklung und Bauwesen [BauG]). Wird die Nutzungs­planung mass­geblich geändert (Einzonungen, Umlagerung von Bauzonen, Auf- und Umzonungen mit Änderung der zulässigen Nutzungen), so ist die Gefährdungs­situation jeweils eingehend zu prüfen. Mit der Umsetzung des Gewässer­raums wird ebenfalls ein wichtiger Beitrag zum Schutz vor Hochwasser geleistet (siehe Modul Gewässer­raum).

2. Handlungsspielräume für Gemeinden

Der Schutz vor Hochwasser und Oberflächen­abfluss ist in § 36c Bauverordnung (BauV) in allgemeiner Weise ausgehend von den bestehenden Fachplanungen geregelt. Wo notwendig, ist dieser durch die Gemeinden in ihrer allgemeinen Nutzungsplanung räumlich und inhaltlich zu konkretisieren. Grundlage für die Analyse der Gefährdungs­situation durch Hochwasser und durch Oberflächen­abfluss bildet dabei das Dossier Gefahrenkarte Hochwasser (Gefahren-, Fliesstiefen- und Schutz­defizit­karten sowie der zugehörige Technische Bericht) sowie die Gefährdungskarte Oberflächen­abfluss. Die Umsetzung erfolgt im Bauzonenplan und Kulturlandplan auf unterschiedliche Weise:

2.1 Umsetzung der Gefahrenkarte Hochwasser im Bauzonenplan

Die Gefahrenkarte Hochwasser (Fachplanung) ist grundsätzlich nach dem Vorschriften­modell in der allgemeinen Nutzungsplanung umzusetzen. Das Modell definiert, in welchen Gebieten welche Nutzungen mit Blick auf die konkrete Gefährdungs­situation zulässig sind. Die Gebiete mit einem Hochwasser­schutz­defizit werden dazu im Bauzonen­plan mittels Hoch­wasser­gefahren­zonen 1–3 (HWZ 1–3) als überlagerte Schutzzonen im Genehmigungs­inhalt festgelegt. Dabei wird den einzelnen Gefahren­stufen und Fliess­tiefen entsprechend Rechnung getragen. Die einschlägigen Bestimmungen der HWZ sind in der Bau- und Nutzungs­ordnung (BNO) auszuführen (vgl. 3.1 Umsetzungs­beispiele für die BNO).

Gebiete, welche beim HQ₃₀₀ (300-jährliches Hochwasserer­eignis) mit Fliess­tiefen bis zu 0.5 m oder beim EHQ (Extremes Hochwasser­ereignis mit einer Jährlich­keit grösser als 300 Jahre) betroffen sind, weisen gemäss Schutz­ziel­matrix kein Schutz­defizit auf. Sie werden über­geordnet mit § 36c BauV geregelt. Diese Gebiete sind nicht im Bauzonen­plan darzustellen und es wird keine zusätzliche BNO-Bestimmung benötigt.

Führen aktuell laufende wasser­bauliche Mass­nahmen in den nächsten fünf Jahren zu einer Veränderung der Gefahren­situation, so wird der Hochwasser­schutz durch § 36c BauV über­geordnet geregelt und es ist keine eigene BNO-Bestimmung nötig. Die Gefahren­karte Hochwasser (Fach­planung) zeigt die Gefahren­gebiete und ihre Gefahren­stufen und muss nicht in den Orientierungs­inhalt übernommen werden. Die Veränderungen aufgrund der wasser­baulichen Massnahmen sind im Planungs­bericht jedoch zu erläutern und die Anwendung von § 36c BauV ist darzulegen.

2.2 Umsetzung der Gefahren- und Gefahrenhinweiskarte Hochwasser im Kulturlandplan

Die Freihalte­gebiete Hochwasser sind im Richtplankapitel L 1.2 festgesetzt. Das Freihalte­gebiet Hochwasser umfasst alle Gebiete ausserhalb der Bauzonen, die gemäss Gefahren­karte beziehungsweise Gefahren­hinweiskarte Hochwasser über­schwemmt werden können, oder deren Über­schwemmung dazu dient, Hochwasser­schäden zu mindern. Ist das Freihalte­gebiet Hochwasser von über­geordneter Bedeutung (Gebiete für Über­schwemmungen entlang von Flüssen und Haupt­tal­bächen, Retentions­flächen, Abfluss­korridore, etc.) ist die Fest­legung einer überlagerten Schutz­zone (Freihalte­zone Hochwasser) im Kulturland­plan im Genehmigungs­inhalt zwingend (vgl. 3.1 Umsetzungs­beispiele für die BNO). Bei Fragen zur Abgrenzung der Freihalte­zone Hochwasser gibt die Sektion Wasserbau, Bereich Gefahren­karte Hochwasser gerne Auskunft. Der entsprechende GIS-Layer kann bei Bedarf bezogen werden.

Freihalte­gebiete ohne über­geordnete Bedeutung sind durch § 36c BauV über­geordnet geregelt und müssen weder im Kulturland­plan noch in der BNO umgesetzt werden.

2.3 Oberflächenabfluss

Der Oberflächen­abfluss ist der Anteil des Nieder­schlags, der bei besonders starken oder lang­andauernden Regen­fällen nach dem Auf­treffen auf den Boden unmittel­bar auf der Gelände­oberfläche abfliesst. Oberflächen­abfluss sammelt sich oft entlang von Strassen und kann lokal heftige Über­schwemmungen verursachen.

Zur Beurteilung der Gefährdungs­situation durch Oberflächen­abfluss dient die Gefährdungs­karte Oberflächen­abfluss des Bundesamts für Umwelt (BAFU). Die Gefährdungs­karte Oberflächen­abfluss ist eine fach­technische Grundlage. Sie hat aus­schliesslich hin­weisenden Charakter und ist rechtlich nicht verbindlich.

Der generelle Schutz vor Oberflächen­abfluss wird mit § 36c BauV über­geordnet abschliessend geregelt. Die vom Oberflächen­abfluss betroffenen Gebiete sind somit nicht im Bauzonen­plan darzustellen und es wird keine zusätzliche BNO-Bestimmung benötigt.

3. Planungsinstrumente

Die zentrale Planungs­grundlage für die Analyse der Gefährdungs­situation durch Hochwasser bildet das AGIS-Geoportal mit Gefahren-, Fliesstiefen- und Schutz­defizit­karten sowie Gefahren­hinweis­karte Hochwasser (Fach­planung). Hilfestellung zur Anwendung der Karten, die technischen Berichte und Massnahmen­planungen sowie weitere nützliche Unterlagen sind auf der Webseite Gefahren­karte Hochwasser zu finden.

Eine detaillierte Anweisung zur Umsetzung der Gefahren­karte Hochwasser im Bauzonen­plan enthält das Merkblatt Umsetzung der Gefahren­karte in der Nutzungs­planung (in Überarbeitung). Das Merkblatt Hochwasser­schutz ausserhalb des Siedlungs­gebiets: Freihalte­gebiet Hochwasser (in Überarbeitung) bietet eine Hilfe­stellung für die Umsetzung der Gefahren- und Gefahren­hinweis­karte Hochwasser im Kulturland­plan und für das Bau­bewilligungs­verfahren.

Potenziell durch Oberflächen­abfluss gefährdete Gebiete zeigt die Gefährdungs­karte Oberflächen­abfluss des BAFU. Die Dokumentation von Gebäuden mit Über­schwemmungs­schäden ist auf der Gefährdungs­übersicht der AGV (Aargauische Gebäude­versicherung) verfügbar.

3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO

Hochwassergefahrenzonen

§ ... Hochwassergefahrenzonen

¹ Die Hochwassergefahrenzonen HWZ sind der Grundnutzungszone überlagert. Sie dienen dem Schutz von Menschen, Tieren und Sachwerten vor Schädigungen durch Hochwasserereignisse. In den Hochwassergefahrenzonen ist der jeweiligen Gefährdungssituation angemessen Rechnung zu tragen.

² In der Hochwassergefahrenzone HWZ 1 sind Gebäudeöffnungen wie Hauszugänge, Fensteröffnungen, Abfahrten und Lichtschächte ausreichend erhöht oder wasserdicht auszuführen. Potenziell gefährliche Anlagen wie Öltanks sind zu sichern. Wohnräume, sensible Nutzungen wie schwer evakuierbare oder publikumsintensive Einrichtungen, unterirdische Lager für umweltgefährdende Stoffe oder grosse Sachwerte etc. sind in Untergeschossen nicht zulässig.

³ In der Hochwassergefahrenzone HWZ 2 sind sensible Bauten und Anlagen wie schwer evakuierbare oder publikumsintensive Einrichtungen, Lager für umweltgefährdende Stoffe oder grosse Sachwerte etc. nicht zulässig. Gebäudeöffnungen wie Hauszugänge, Fensteröffnungen, Abfahrten und Lichtschächte sind ausreichend erhöht oder wasserdicht auszuführen. Potenziell gefährliche Anlagen wie Öltanks sind zu sichern. Wohnräume und andere sensible Nutzungen sind in Untergeschossen nicht zulässig. Für die Objekte ... (Objektbezeichnung) gelten folgende Hochwasserschutzziele:

  • ...
  • ...

⁴ In der Hochwassergefahrenzone HWZ 3 sind neue Bauten und Anlagen, Erweiterungen und Umbauten, die über den Besitzstandsschutz hinausgehen, sowie neue Nutzungen grundsätzlich nicht zulässig. Neue Bauten, Anlagen und Nutzungen können ausnahmsweise bewilligt werden, wenn:
  • sie auf den Standort angewiesen sind,
  • sie mit den öffentlichen Interessen vereinbar sind und
  • das Schadenpotenzial nicht erhöht wird und insgesamt vernachlässigbar bleibt.

⁵ Als massgebliche Projektierungs- und Überprüfungsgrundlagen gelten namentlich Gefahrenkarte Hochwasser, Naturereigniskataster, Schutzdefizitkarte und die Massnahmenplanung, die im Geoportal des Kantons sowie auf der Gemeindeverwaltung eingesehen werden können.

⁶ Die Baubewilligungsbehörde kann, wenn nötig, auf Kosten der Bauherrschaft eine Begutachtung durch Fachleute anordnen sowie, unter Abwägung sämtlicher berührter Interessen, Ausnahmen und weitergehende Massnahmen verfügen.

⁷ § 36c BauV bleibt anwendbar.

Freihaltezone Hochwasser

§ ... Freihaltezone Hochwasser

¹ Die überlagerte Freihaltezone Hoch­wasser FHZ dient der Sicherstellung des erforderlichen Raums ausserhalb der Bauzonen für den natürlichen Hochwasserabfluss bei grossen und seltenen Hochwasserereignissen sowie für den Hochwasserrückhalt.

² Die zulässige Nutzung richtet sich unter Vorbehalt nachstehender Einschränkungen nach der Grundnutzungszone. Von den in den Absätzen 3, 4 und 5 genannten Ausnahmen abgesehen sind Bauten und Anlagen sowie Terrainveränderungen verboten.

³ Bauten und Anlagen sowie Terrainveränderungen für den ökologischen Ausgleich, Renaturierungs-massnahmen, Bauten für den Hochwasserschutz oder Ähnliches können bewilligt werden, wenn sie auf den Standort angewiesen sind und keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen.

⁴ Rechtmässig erstellte und bestimmungsgemäss nutzbare Bauten und Anlagen dürfen im Rahmen der Besitzstandsgarantie erneuert, teilweise geändert, massvoll erweitert oder wiederaufgebaut werden, sofern sie dem Hochwasserschutz genügend Rechnung tragen und den natürlichen Abfluss nicht beeinträchtigen.

⁵ Der Neubau von Bauten und Anlagen ist ausnahmsweise zulässig, wenn:

  • erforderliche Hochwasserschutzmassnahmen umgesetzt und von der Gemeinde, Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer oder Bauherrschaft finanziert werden können,
  • keine anderen Standortmöglichkeiten bestehen oder geschaffen werden können,
  • der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstands nicht nachteilig beeinflusst werden,
  • die Hochwasserrückhaltung nicht beeinträchtigt wird und
  • keine nachteiligen Auswirkungen auf Ober- und Unterlieger zu erwarten sind.

⁶ In der Regel sind die erforderlichen Hochwasserschutzmassnahmen nach den Absätzen 3 und 4 auf die Schutzziele der kantonalen Schutzzielmatrix der Gefahrenkarte Hochwasser auszurichten. Sind Menschen oder hohe Sachwerte betroffen, ist das Schutzziel im Einzelfall zu bestimmen und gegebenenfalls zu erhöhen.