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Boswil-Huebacher

Auf einer Ausgrabung kommen oft Erdgruben zum Vorschein. Was die unscheinbaren Strukturen alles erzählen, zeigte sich auf der Grabung in Boswil. Auch ein sehr seltener Fund kam zum Vorschein.

Ein Ausgräber legt eine Grube frei. Zuerst eine Hälfte, damit das Profil sichtbar wird. Foto: Kantonsarchäologie Aargau, © Kanton Aargau

Scheinbar normale braune Erde. Eine Fläche mit unterschiedlich grossen Löchern. Was für Archäologinnen und Archäologen Berufsalltag ist, löst bei Besucherinnen und Besucher von archäologischen Grabungen oft nur Stirnrunzeln aus. Was soll hier zu sehen sein?

Genauso würde es Besuchern auf der Ausgrabung in Boswil, auf der Flur Huebacher, ergehen. Denn Gruben gibt es dort nicht gerade wenige. Sie zeichnen sich durch eine Verfärbung im Boden ab; nachdem sie ausgegraben wurden, sind es nur noch Löcher im Erdboden. Doch für die Archäologen sind es Hinweise auf die Besiedlung der Menschen aus früherer Zeit.

Grubenhäuser aus dem Mittelalter

Ausgräber legen die Pfostengruben eines Hauses frei. Foto: Kantonsarchäologie Aargau, © Kanton Aargau

Im Frühmittelalter (500−1050 n. Chr.) und Mittelalter (1050-1500 n. Chr.) waren sogenannte Grubenhäuser sehr häufig. Die Bauten sind in den Boden abgetieft. Dadurch war es im Innern im Sommer kühl und im Winter wärmer als ausserhalb. Ausserdem herrschte ein eher feuchtes Raumklima, ähnlich wie in einem Keller. So verrichteten die Menschen in solchen Bauten oft Arbeiten, für die eine erhöhte Luftfeuchtigkeit wichtig war, wie zum Beispiel für die Weberei. Drei solche Grubenhäuser grub das Team der Kantonsarchäologie in Boswil aus. Im kleinsten der drei fand sich der Balken einer kleinen Waage. Damit konnte man etwa frisch geschlagene Münzen wiegen.

Aus welchem Zeitabschnitt die Grubenhäuser genau stammen, ist noch nicht bekannt. Vielleicht gehören sie tatsächlich zum ersten, im 9. Jahrhundert urkundlich erwähnten Dorf in Boswil.

Haus und Abfalltonne aus der Vorgeschichte

Dicht an Dicht: in der Grube liegen die Überreste von Keramikgefässen. Sie werden u.a. mit dem Spachtel in der Bildmitte sorgfältig freigelegt. Foto: Kantonsarchäologie Aargau, © Kanton Aargau

In der prähistorischen Zeit bauten die Menschen ihre Häuser überwiegend aus Holz. Davon bleibt allerdings im Boden meist nichts erhalten. Einzig runde Verfärbungen im Erdreich weisen auf die längst vergangenen Hauspfosten hin. Einen solchen Pfostenbau von mindestens 6 Meter Breite und 12 Meter Länge dokumentierten die Ausgräber ebenfalls in Boswil. Er stammt aus der späten Spätbronzezeit (um 900 v. Chr.).

Abfall als Informationsquelle

Eine wichtige Informationsquelle sind für die Archäologen nicht nur die Pfostengruben der einstigen Häuser, sondern auch die Abfallgruben. Denn es ist genau dieser Abfall, der viele Informationen aus dem Leben der damaligen Menschen preisgibt. Eine dieser Abfallgruben entpuppte sich dabei als wahrer Schatz. Viel Zeit, Geduld und Handfertigkeit waren nötig, um die Grube Schicht für Schicht auszuräumen, den Inhalt zu dokumentieren und die Funde zu bergen. Ein ganzes Kücheninventar war in dieser Grube entsorgt worden. Zahlreiche zerscherbte Gefässe, darunter Schüsseln und Töpfe, lagen dicht gepresst, fast ohne Erde dazwischen, in der Grube. Dabei lagen auch mehrere Ringe aus Ton, die man als sogenannte Webgewichte für einen Gewichtswebstuhl benutzte.

Erst wenn die Restauratorinnen und Restauratoren die Gefässe zusammensetzen und restaurieren, wird sich die einstige Anzahl und das Formenrepertoire zeigen. Und somit auch ein Blick in die Küche aus vergangener Zeit.

Zwei weitere Gruben enthielten jüngere Keramikscherben, die zeigen, dass dieses Areal auch noch in der älteren Eisenzeit, der sogenannten Hallstattzeit bzw. Frühlatènezeit (um 500 v. Chr.) genutzt wurde.

In der Grube entsorgt: ein Mondhorn

Ein seltener Fund − Ein Mondhorn aus der Spätbronzezeit. Foto: Kantonsarchäologie Aargau, © Kanton Aargau

Nur wenige Exemplare gibt es im Kanton Aargau. Ihre Bedeutung ist heute immer noch unklar. Sind es Kultobjekte oder Alltagsgegenstände? Wozu dienten sie? Wieso wurden sie einfach entsorgt? Diese Fragen beschäftigen die Archäologen, seit diese rätselhaften Objekte das erste Mal gefunden wurden.

Die sogenannten Mondhörner, benannt nach ihrer Form, sind tönerne Skulpturen, die ausschliesslich in der Spätbronzezeit (1300 bis 800 v. Chr.) vorkommen. Ein vollständiges Exemplar wurde auch in einer Grube in Boswil entdeckt. Sorgfältig bargen es die Ausgräber und brachten es ins Restaurierungslabor, wo es von Erde befreit, zusammengesetzt und gefestigt wurde. Zur Überraschung aller entdeckte das Grabungsteam in einer anderen Grube auch noch das Fragment eines zweiten Mondhorns. Zusammen mit den drei Mondhörner aus Sulz (gefunden 2009), Egliswil (2016) und Tegerfelden (2016) bilden sie ein Ensemble, das es weiter zu erforschen gilt.

  1. Balken einer Waage aus Bronze.
    Waage
  2. Ein sogenanntes Mondhorn aus Keramik.
    Mondhorn
  3. Ein Mondhorn: Kultobjekt oder Alltagsgegenstand?
    Kultobjekt?

Grabung abgeschlossen.

Die Grabung dauerte vom 28.11.2016 bis 22.02.2017 und wurde termingerecht abgeschlossen.