Hauptmenü

Zurück

Fund ohne Funktion?

Spitzen eines sogenannten Mondhorns, eines mondförmigen Tonobjekts.

Vor über 150 Jahren, nämlich 1851, wurde in der Schweiz ein damals unbekanntes Fundobjekt geborgen, dem die Archäologen fortan Mondhorn sagten. Bislang ist unklar, wofür dieses und weitere ähnliche Objekte einst gedient haben. Ein vollständig erhaltenes Mondhorn fand das Grabungsteam der Kantonsarchäologie 2016 in Boswil.

Sie bestehen aus unscheinbarem Ton, kommen in verschiedenen Grössen vor und sehen teils aus wie eine Mondsichel, teils wie Hörner. Die Vorderseite ist meist mit Mustern verziert, die Rückseite von Feuer geschwärzt: es handelt sich um sogenannte Mondhörner. Der Name ist − abgeleitet von der Form − ein Kunstbegriff, den Archäologen und Archäologinnen für dieses seltsame Objekt benutzen.

Das Mondhorn von Boswil

Das Mondhorn von Boswil. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Ein solches Mondhorn entdeckte das Grabungsteam der Kantonsarchäologie 2016 in Boswil auf dem Huebacher. Es lag zusammen mit einer Vielzahl von Keramikscherben in einer Grube. Kaum Erde steckte zwischen den dicht in die Grube geschichteten Scherben. Nachdem die Ausgräber das Mondhorn sorgfältig geborgen haben, konnte es der Restaurator im Labor der Kantonsarchäologie reinigen und bis auf eine Schadstelle wieder ganz zusammensetzen.

Im Verlauf der Grabung barg das Team noch zwei weitere Fragmente von Mondhörnern, die vielleicht zu einem oder sogar zwei weiteren Exemplaren gehören.

Fünf Mondhörner in einem Grabungsjahr

Ausgrabung Boswil-Huebacher im Jahre 2016. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Mit diesen zwei Stücken wächst die Zahl der Mondhörner in der Archäologischen Sammlung auf insgesamt sieben an. Dabei zeichnet sich das Grabungsjahr 2016 als richtiggehendes "Mondhornjahr" aus, wurden doch in Egliswil und Tegerfelden ebenfalls je ein Mondhorn entdeckt. Ein weiteres kleines Fragment stammt aus einer Grabung von 2009 in Sulz. Schliesslich stammen von der bronzezeitlichen Siedlung vom Kestenberg in Möriken-Wildegg zwei weitere Exemplare, die derzeit im Museum Burghalde in Lenzburg ausgestellt sind. Bislang ist jedoch das Mondhorn von Boswil das einzige ganz erhaltene Stück und deshalb umso bemerkenswerter.

Jedoch sind diese tönernen Objekte insgesamt gar nicht so selten anzutreffen. In der Schweiz sind mehr als 1000 Fragmente von Mondhörnern belegt. Zeitlich eingeordnet werden sie in die Spätbronzezeit (1250 bis 800 v. Chr.).

Gefertigt nur für einen Moment?

Die Mondhörner stehen oft auf einem Sockel oder auf Tonfüssen. Sie sind aus eher grobem Ton gefertigt und machen den Anschein, als ob sie nicht mit grosser Sorgfalt, sogar teils recht flüchtig geschaffen wurden. Auch beim Brennen hat man keine besondere Vorsicht gezeigt, zu sehen ist das in der Brüchigkeit der Objekte.

Ihre flüchtige Herstellung lässt erahnen, dass sie vielleicht nur kurz benutzt wurden. Wofür sie jedoch genau dienten, das bleibt bislang im Dunkeln und macht damit einen grossen Teil der Faszination für diese Objekte aus.

Theorien und eine These

Das Mondhorn von Boswil in Fundlage. Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Es wurden bereits viele Theorien aufgestellt und zahllose Vermutungen geäussert, doch die Forschung konnte in den letzten 150 Jahren keine stichhaltigen Beweise für die ein oder andere Deutungsmöglichkeit erbringen. Nachdem man Verwendungen wie Nackenstützen, Giebelschmuck und Feuerböcke immer wieder diskutiert hat, jedoch aufgrund der Form und flüchtigen Machart auch immer wieder ausschliessen konnte, zogen manche Forscher sogar die Möglichkeit eines astronomischen Messgerätes in Betracht.

Die derzeit schlüssigste Theorie ist jedoch, dass es sich beim Mondhorn um einen rituellen Gegenstand handelt, der vielleicht in einem Brandritual gebraucht wurde. Darauf weisen die häufig auftretenden Brandspuren auf der Rückseite hin. Vielleicht verbrannte man im Rahmen eines Rituals Getreideähren, Blumen oder Ähnliches auf dem Mondhorn.

Auf einen rituellen Gebrauch deutet auch der Fundkontext, wurden die Mondhornfragmente doch oft in Gruben mit zerbrochenen, verbrannten Keramikgefässen gefunden. Solche als Kultgruben anzusprechenden Befunde finden sich relativ häufig. Sie dürften Überreste einer kultischen Mahlzeit sein.

Zu hoffen ist, dass künftige Befunde und Funde dereinst weitere Anhaltspunkte für diese These liefern.