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Dossiers & Projekte

Suchtstrategie des Kantons Aargau 2030

Sucht und Risikoverhalten verursachen nicht nur individuelles Leid, sondern belasten auch die Gesellschaft erheblich.

Einleitung

Für den Kanton Aargau gibt die Gesundheitspolitische Gesamtplanung (GGpl) 2030 vor, dass die Suchthilfe entlang eines kantonalen Suchtkonzepts zu steuern ist. Der Vorsteher des Departements Gesundheit und Soziales hat deshalb am 16. November 2023 die Abteilung Gesundheit mit der Erarbeitung einer Suchtstrategie beauftragt. Diese soll die Vier-Säulen-Politik des Bundes auf die Bedürfnisse des Kantons Aargau konkretisieren und den Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern der Suchthilfe als Orientierung dienen. Die vorliegende Suchtstrategie des Kantons Aargau bildet bis ins Jahr 2030 die Grundlage für das kantonale Vorgehen.

Die Abteilung Gesundheit erarbeitete die Suchtstrategie von Februar 2024 bis August 2025 unter Einbezug der Vertreterinnen und Vertretern von Gemeinden, der Suchthilfe und der kantonalen Verwaltung.

Handlungsbedarf

Eine wirksame Suchthilfe erfordert Angebote in allen vier Säulen der Schweizer Suchtpolitik. In den ersten beiden Säulen (Prävention und Therapie) steht der Aargauer Bevölkerung im schweizweiten Vergleich ein gut ausgebautes Angebot zur Verfügung. Hingegen bestehen in der dritten Säule (Schadensminderung) grössere Angebotslücken: Im Kanton Aargau fehlen fachlich bewährte Ansätze zur Bewältigung des Suchtmittelkonsums im öffentlichen Raum. Auch bei bestehenden Angeboten in allen Bereichen zeigt sich Handlungsbedarf: Die Nachfrage steigt kontinuierlich an, die Fachstellen stossen an Kapazitätsgrenzen, die Problemlagen der Klientinnen und Klienten werden komplexer und für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie suchtgefährdete und suchtbetroffene Jugendliche fehlen spezifische Angebote. In der vierten Säule (Regulierung und Vollzug) bestehen im Kanton Aargau punktuelle Lücken in den rechtlichen Grundlagen.

Um die spezifischen Herausforderungen im Kanton Aargau gezielt anzusprechen, setzt die Suchtstrategie des Kantons Aargau bis zum Jahr 2030 den Fokus auf vier konkrete Schwerpunkte:

1. Früherkennung und -intervention stärken

Früherkennung und Frühintervention sind zentral, damit sich ein Risikoverhalten nicht zum Suchtverhalten entwickelt.

2. Suchtgefährdete und suchtbetroffene Jugendliche und junge Erwachsene unterstützen

Die meisten Suchterkrankungen beginnen im Jugendalter. Psychoaktive Substanzen können Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur Selbstmedikation bei psychischen Problemen dienen. Aufgrund fehlender oder überlasteter, auf das Jugendalter zugeschnittener Angebote kann sich Risiko- oder Suchtverhalten manifestieren.

3. Öffentliche Räume entlasten

Der Suchtmittelkonsum soll aus öffentlichen Bereichen verlagert werden, indem niederschwellig zugängliche Suchthilfeangebote bereitgestellt werden, in denen Menschen mit Suchtproblemen die notwendige Unterstützung erhalten.

4. Schnittstellen und Übergänge koordinieren

Sucht ist ein Querschnittsthema. Unterschiedliche Fachbereiche sind in die Vorbeugung und Bewältigung von Suchterkrankungen involviert. Die Koordination der Schnittstellen zwischen den Fachbereichen ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der nationalen Vier-Säulen-Politik.

Handlungsfeld 1: Suchtprävention, Früherkennung und Frühintervention

Ziel 1.1: Die Suchtprävention für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene weiterentwickeln.

Massnahmen

  • Massnahme 1.1.1: Medienkompetenz fördern und Online-Verhaltenssüchte vorbeugen.
  • Massnahme 1.1.2: Angebote zur Prävention von Substanzkonsum stärken.
  • Massnahme 1.1.3: Neue Wege der Erreichbarkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen entwickeln.

Ziel 1.2: Die Suchtprävention für Erwachsene weiterentwickeln.

Massnahmen

  • Massnahme 1.2.1: Die betriebliche Suchtprävention stärken.
  • Massnahme 1.2.2: Die Suchtprävention während Übergängen und kritischen Lebensereignissen stärken.
  • Massnahme 1.2.3: Information und Sensibilisierung zu Substanzkonsum bei älteren Personen verstärken.

Ziel 1.3: Die Früherkennung und Frühintervention stärken.

Massnahmen

  • Massnahme 1.3.1: Früherkennung und Frühintervention in der Gesundheitsversorgung stärken.
  • Massnahme 1.3.2: Früherkennung und Frühintervention von gefährdeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen stärken.

Handlungsfeld 2: Therapie und Beratung

Ziel 2.1: Bestehende Angebote der Therapie und Beratung langfristig sichern und laufend an Entwicklungen anpassen.

Massnahmen

  • Massnahme 2.1.1: Früherkennung und Frühintervention in der Therapie und Beratung stärken.
  • Massnahme 2.1.2: Angebote zu Online-Verhaltenssüchten (weiter-)entwickeln und zugänglich machen.
  • Massnahme 2.1.3: Digitale und hybride Therapie und Beratung (weiter-)entwickeln und zugänglich machen.
  • Massnahme 2.1.4: Substitutionsangebote überprüfen und nachhaltig sichern.

Ziel 2.2: Angebote zielgruppenspezifisch und chancengerecht gestalten.

Massnahmen

  • Massnahme 2.2.1: Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene mit Suchtproblem gewährleisten.
  • Massnahme 2.2.2: Angebote für suchtbetroffene Personen mit Kindern gewährleisten.
  • Massnahme 2.2.3: Angebote chancengerecht und für sozial benachteiligte und vulnerable Gruppen zugänglich machen.

Ziel 2.3: Psychosoziale und sozialtherapeutische Angebote weiterentwickeln und stärken.

Massnahmen

  • Massnahme 2.3.1: Niederschwellige suchtspezifische Beschäftigungsprogramme und arbeitsmarktnahe Angebote zur beruflichen Reintegration schaffen.
  • Massnahme 2.3.2: Tageszentren / Tagesstrukturen ausbauen.
  • Massnahme 2.3.3: Suchtspezifische, integrationsorientierte Angebote im Bereich Wohnen stärken und (weiter-)entwickeln.

Handlungsfeld 3: Schadensminderung und Risikominimierung

Ziel 3.1: Schadensminderung im kantonalen Gesetz regeln und die Umsetzung bedarfsgerecht konzipieren.

Massnahmen

  • Massnahme 3.1.1: Schadensminderung im kantonalen Gesundheitsgesetz regeln.
  • Massnahme 3.1.2: Gesamtkonzept zur Schadensminderung im Kanton Aargau erstellen.

Ziel 3.2: Öffentlichen Raum mit niederschwelligen Angeboten entlasten.

Massnahmen

  • Massnahme 3.2.1: Aufsuchende Suchtarbeit sicherstellen.
  • Massnahme 3.2.2: Kontakt- und Anlaufstellen mit Konsummöglichkeiten aufbauen.
  • Massnahme 3.2.3: Schadensmindernde Angebote im Bereich Wohnen (weiter-)entwickeln.

Ziel 3.3: Die Überlebenshilfe für Personen mit schweren Suchterkrankungen gewährleisten.

Massnahmen

  • Massnahme 3.3.1: Grundversorgung sicherstellen (Gassenküchen, Hygiene, Medizin).
  • Massnahme 3.3.2: Angebot an Notschlafstellen bedarfsorientiert ausgestalten.

Ziel 3.4: Die Risiken des Konsums von Substanzen minimieren.

Massnahmen

  • Massnahme 3.4.1: Zukünftige Entwicklungen des Substanzkonsums auf ihr Gefährdungspotential antizipieren und Interventionen (weiter-)entwickeln.
  • Massnahme 3.4.2: Substanzanalysen (Drug-Checking) anbieten.

Handlungsfeld 4: Regulierung und Vollzug

Ziel 4.1: Regulierungslücken bezüglich Erhältlichkeit und Zugänglichkeit von suchtfördernden Substanzen und Verhaltensweisen schliessen.

Massnahmen

  • Massnahme 4.1.1: Eine gesetzliche Grundlage für zeitliche und örtliche Verkaufsverbote von Alkohol schaffen.
  • Massnahme 4.1.2: Eine gesetzliche Grundlage für Kontrollen des illegalen Suchtmittelhandels und -konsums sowie des illegalen Glücksspiels im nicht- oder halböffentlichen Raum prüfen.

Ziel 4.2: Vollzug und Kontrolle bezüglich Erhältlichkeit und Zugänglichkeit von suchtfördernden Substanzen und Verhaltensweisen sicherstellen.

Massnahmen

  • Massnahme 4.2.1: Gesetzlich verankerter Jugendschutz im Handel mit Substanzen gewährleisten.
  • Massnahme 4.2.2: Kontrolle von Distributionswegen im Drogenhandel ausbauen.

Handlungsfeld 5: Steuerung, Koordination und Kooperation

Ziel 5.1: Die kantonale Steuerung und Koordination der Suchthilfe sicherstellen.

Massnahmen

  • Massnahme 5.1.1: Umsetzung der Suchtstrategie des Kantons Aargau aktiv begleiten und steuern.
  • Massnahme 5.1.2: Innerkantonale Zusammenarbeit der Akteure der Suchthilfe gezielt fördern.
  • Massnahme 5.1.3: Kantonales Monitoring des Suchtbereichs ausbauen.

Ziel 5.2: Die interkantonale Kooperation und Koordination sicherstellen.

Massnahmen

  • Massnahme 5.2.1: Interkantonale Koordination zielgerichtet weiterentwickeln.
  • Massnahme 5.2.2: Interkantonale Kooperationen bei der Ausgestaltung des Suchthilfeangebots bedarfsorientiert sicherstellen.
  • Massnahme 5.2.3: Beitritt zur Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE) Bereich C bei Angeboten im Bereich Wohnen prüfen.

Ziel 5.3: Schnittstellen über alle vier Säulen hinweg koordinieren.

Massnahmen

  • Massnahme 5.3.1: Koordinierte und integrierte Versorgung stärken.
  • Massnahme 5.3.2: Case-Management / Fallführung ausbauen und Ressourcen sicherstellen.
  • Massnahme 5.3.3: Intensives Case-Management (ICM) für Personen mit schweren Suchterkrankungen aufbauen.

Handlungsfeld 6: Information und Sensibilisierung

Ziel 6.1: Information und Sensibilisierung zu suchtrelevanten Themen sicherstellen.

Massnahmen

  • Massnahme 6.1.1: Eine umfassende Angebotsübersicht gewährleisten.
  • Massnahme 6.1.2: Informationen zu Sucht und Suchthilfeangeboten für Bevölkerungsgruppen und Fachpersonen sicherstellen.

Von der Strategie zur Umsetzung

Nach der Verabschiedung der Strategie durch den Regierungsrat arbeiten die zuständigen kantonalen Fachstellen in Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren an der Umsetzungsplanung. Dabei legen sie fest, wie die Massnahmen bedarfsgerecht gestaltet werden sollen, berücksichtigen die weiteren Details aus den Erläuterungen zur Suchtstrategie1 und klären die Finanzierungsmodalitäten. Der Kanton arbeitet die Ressourcenplanung bei der Konkretisierung der einzelnen Massnahmen aus und beantragt die Ressourcen im Rahmen der Aufgaben- und Finanzplanung.

1 Aufgrund ihres Umfangs werden die Erläuterungen nicht separat veröffentlicht, können jedoch auf Anfrage bei der Abteilung Gesundheit des Departement Gesundheit und Soziales bezogen werden.