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Freiwilligenprogramm

Die Eisenbahnbrücke Koblenz – Felsenau

Dieser Beitrag wurde im Kontext des Fokusthemas 2023 "Stadt-Land-Fluss" erarbeitet. Die über 130 Jahre alte Eisenbahnbrücke, die sich in geschwungener, kunstvoller Form über die Aare spannt, ist Ausdruck der technischen Leistung der damaligen Zeit und eines zahlreicher Beispiele der Ingenieurskunst, die sich unter anderem auch in der Schweizer Eisenbahngeschichte manifestiert.

Leider ist die Brücke nicht sehr sichtbar für den Beobachter und – etwas salopp ausgedrückt – zwischen dem Kraftwerk Klingnau (erbaut ab 1931) und der fast zur gleichen Zeit gebauten Strassenbrücke (1935/36) unterhalb der Eisenbahnbrücke eingeklemmt.

© Kanton Aargau, Foto: Benedikt Hellweger
© AGIS Online Karten
© Kanton Aargau, Foto: Benedikt Hellweger
© Kanton Aargau, Foto: Benedikt Hellweger
© Kanton Aargau, Foto: Benedikt Hellweger
© e-periodica, Schweizerische Bauzeitung Nr. 15 (1890)
© Kanton Aargau, Foto: Benedikt Hellweger
© Kanton Aargau, Foto: Benedikt Hellweger

Gut Ding will Weile haben

In Auftrag gegeben wurde die Brücke von den damaligen Eisenbahngesellschaften Schweizerische Centralbahn (Gründung 1853) und der Schweizerische Nordostbahn (Gründung 1853). Ziel war es, eine Verbindung von Basel nach Romanshorn herzustellen: die sogenannte Rheintalbahn (Bahnstrecke Hochrhein – Südufer).

Ende der 1870er Jahre entwickelte sich eine Rivalität zwischen den Gesellschaften Schweizerische Nationalbahn (gegründet 1875, aufgelöst 1880) und der Schweizerischen Nordostbahn. Gleichzeitig herrschte der deutsch-französische Krieg. Zusammen mit einer nicht ganz einfachen Linienführung (Aare-Überquerung) ergab sich eine komplizierte Ausgangslage für den Bau der Brücke und so wurde das Teilstück zwischen Stein Säckingen und Koblenz erst 40 Jahre später eröffnet.

Der Ingenieur dieser Stahlkonstruktion war Robert Moser, ein massgeblicher und für viele Streckenabschnitte der Nordostbahn federführender Angestellter in leitender Funktion.

Facts & Figures

Sehen wir uns mal einige Eckdaten an.

  • Die Brücke weist eine Gesamtlänge von ca. 250 Meter auf. Die Joche stehen auf fünf Pfeilern mit einer Stützweite von bis zu 47.83 Metern.
  • Der Betrachter mag sich fragen, aus welchem Grund die Brücke nicht geradlinig über die Aare führt… Die geologischen Gegebenheiten auf der Felsenauer Seite, der Bahnhof Koblenz, der bereits existierte, sowie die Strecke Turgi-Koblenz-Waldshut (1859) zwangen die Ingenieure zu dieser Sonderform.
  • Der Bau der Widerlager (massiver Unterbau, der den Übergang zwischen der Brückenkonstruktion und dem Erddamm herstellt) wurde an die Firma E. Gärtner in Wien vergeben. Die Oberkonstruktion, sogenannte Schwedlerträger, die eine optimale Linienführung der Gurtungen von Fachwerkbrücken garantieren, wurde von der damaligen Firma Bosshard & Cie. aus Näfels ausgeführt. Es gibt schweizweit nur noch ganz wenige Schwedlerträger – es lohnt sich, diesem Bau Beachtung zu schenken.
  • Die Einweihung dieses imposanten Bauwerkes fand am 1. August 1892 statt – ein Tag, den die Schweiz damals erst zum zweiten Mal als Nationalfeiertag feierte.
  • Für die Eisenbahn elektrifiziert wurde die Brücke 1944.

Anekdoten

  • Wie so viele Bauwerke, und insbesondere Brücken, wurde auch dieses Objekt vom Schweizerischen Militär vor dem 1. Weltkrieg mit Sprengstoff bestückt und in den laufenden Jahrzehnten immer mal wieder mit neueren Versionen ausgestattet, um in einem Ernstfall einzugreifen – d. h. um die Brücke sprengen zu können! Ausgebaut wurde der Sprengstoff erst zwischen 2010 und 2014.
  • Mit dieser Brücke könnte man das Dorf Koblenz auch als Vierbrückendorf bezeichnen.
  • Auch die Schweizerische Post verewigte diese Brücke auf einer 80 Rappen-Ausgabe im Jahr 1991.
  • Der reguläre Personenfahrbetrieb von Koblenz nach Stein (Teilstück) wurde leider im Jahre 1994 aufgehoben. Es soll aber Pläne in der Schublade geben, diesen Abschnitt vielleicht eines Tages wieder zu reaktivieren.
  • Die Brücke hat schon einige Modifikationen durchlebt: 1952 wurden die Pfeilerköpfe erneuert, 1984 verstärkt, und 1998 und 2004 – nach Hochwasser – erneut verstärkt. Zwischen 2019 und 2021 wurde die Brücke renoviert und der Fussgängersteg hinzugefügt – und nicht wie vorgesehen, nicht mehr instandgesetzt. Dies haben wir der SBB zu verdanken! Heute können also Architekturbegeisterte, Wanderinnen und Wanderer die Brücke aus nächster Nähe erleben.

Kann nur noch die Eisenconstruction, deren Ausführung die Firma Bosshard & Cie. in Näfels besorgt mit gleicher Sorgfalt ausgeführt werden, woran nicht zu zweifeln ist, so wird diese Brücke manches Menschenalter überdauern.

Schweizerische Bauzeitung 1892

Autor: Benedikt Hellweger, Freiwilliger von Bibliothek und Archiv Aargau