INV-NIW906 Mühleweg 2, 1579 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-NIW906
Signatur Archivplan:NIW906
Titel:Mühleweg 2
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Niederwil (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Niederwil, Mühlematt
Adresse:Mühleweg 2
Versicherungs-Nr.:2 (Wohnhaus), 4 (Scheune)
Parzellen-Nr.:234
Koordinate E:2664801
Koordinate N:1247860

Chronologie

Entstehungszeitraum:1579
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:zugehörige Scheune
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Mühle

Dokumentation

Würdigung:Auf das Jahr 1579 zurückgehende Mühle mit zugehörigem Ökonomiegebäude. Wie typologisch üblich, unterscheidet sich das Mühlegebäude nicht grundlegend von der ortsüblichen Bauernhausarchitektur, fällt jedoch durch seine überdurchschnittlich stattliche Bauweise auf, mit der man einerseits den praktischen Erfordernissen Rechnung trug, andererseits den Wohlstand und die gehobene soziale Stellung des Müllers innerhalb des Dorfverbandes zum Ausdruck brachte. Die ehemalige Mühle ist ein wichtiger bau- und wirtschaftsgeschichtlicher Zeuge für die historische Nahrungsmittelverarbeitung im Aargau, wo der Getreidebau traditionell sehr verbreitet war. Zusammen mit dem Ökonomiegebäude bildet sie eine bau- und nutzungsgeschichtlich wertvolle Baugruppe mit hohem Situationswert für den Dorfkern von Niederwil. Von den natursteinernen Fenster- und Türgewänden ist insbesondere das gefaste Rundbogenportal zum einstigen Mühlekeller mit Jahrzahl, Steinmetzzeichen und Mühlerad zu erwähnen.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Mühlen nahmen aufgrund ihrer Bedeutung für die Nahrungsmittelversorgung seit jeher eine herausragende wirtschaftliche Stellung sowohl im städtischen wie auch im ländlichen Raum ein. Ein wesentlicher Teil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Getreide, Früchte, Samen) wurde in den Mühlen zu den lebenswichtigen Produkten Mehl und Öl verarbeitet. Schlecht ausgebaute Verkehrswege und mangelhafte Transportmittel bedingten ein dichtes Netz von Mühlebetrieben. Im Aargau, wo der Getreidebau traditionell sehr verbreitet war und die zahlreichen Flüsse und Bäche günstige Voraussetzungen für wassergetriebene Anlagen boten, gab es früher kaum eine grössere Ansiedlung ohne eigene Mühle. Wie beispielsweise auch Tavernen, Trotten oder Schmieden gehörten Mühlen zu den konzessionspflichtigen Gewerbebetrieben ("Ehafte"). Die grundherrliche Konzession betraf die ganze Anlage mit Gebäude, maschineller Einrichtung und Wasserrechten. Sie wurde dem Müller als Hand- oder Erblehen übertragen, wofür er einen jährlichen Zins in Form von Geld oder Naturalabgabe zu entrichten hatte. Diesen Ehaften-Status behielten die Mühlen bis zur Einführung der generellen Handels- und Gewerbefreiheit in der Bundesverfassung von 1874. Bis ins 19. Jh. waren Mühlen per se Kundenmühlen und somit verpflichtet, das Mahlgut ihrer Kunden für einen fixen Lohn zu mahlen. Dafür genossen sie wesentliche Privilegien hinsichtlich der Wassernutzung und der Holzvergabe aus öffentlichen Wäldern. Innerhalb des Dorfverbandes nahm der Müller eine bedeutende wirtschaftliche und soziale Stellung ein. Mit dem technischen Fortschritt und der damit verbundenen Rationalisierung sowie dem Ausbau der Verkehrswege nahm die Zahl der Mühlen seit dem späteren 19. Jh. sukzessive ab [1].
In Niederwil bestand bereits seit der Zeit um 1400 eine Mühle. Das bestehende Gebäude der ehemaligen Mühle wurde gemäss der Inschrift am Portalgewände des Eingangs an der Ostseite 1579 errichtet. Anhand von Kaufverträgen lassen sich die Wechsel der Eigentümer und die Grösse des Betriebs nachverfolgen. So verkaufte 1613 Hans Jakob Meyer die Mühle mit dem zugehörigen Land an Michael Notter. Damals umfasste das Mühlegut neben der Mühle mit Mahlwerk und Haferdarre (Vorrichtung zum Trocknen des Hafers) eine Stampfe (für Getreide oder Flachs) sowie Wiesen und Äcker. Die Mühle blieb bis gegen 1700 im Besitz der Familie Notter, 1701 verkauften sie Ulrich und Johann Hubschmidt an das Kloster Gnadenthal. Der Kauf umfasste die Mühle mit einem Mahlwerk und einer Rölle (zum Entpelzen des Getreides), die untere Mühle (ein zweites Mahlwerk in einem separaten Gebäude), die Scheune, die Mühlematte, den alten Garten und einige Äcker. Mitte des 18. Jh. gelangte die Mühle in den Besitz der Familie Seiler, welche diese bis zum Beginn des 20. Jh. behielt. Das Einzugsgebiet der Mühle war nicht auf Niederwil beschränkt, es gab auch Kunden aus den umliegenden Dörfern [2]. 1921 wurde die Mühle stillgelegt [3].
An nachträglichen Veränderungen ist ein Ausbau zum Zweifamilienhaus von 1979 dokumentiert, bei dem vor allem der nordwestliche Bereich, wo sich das Radhaus und der Mühlekeller befunden hatten, umgestaltet wurde [4]. 2007 wurden das Dachgeschoss ausgebaut und Lukarnen erstellt, wobei die ursprüngliche Dachkonstruktion durch eine neue ersetzt wurde [5].
Beschreibung:Die ehemalige Mühle und das zugehörige Ökonomiegebäude befinden sich im Bachtal östlich des Dorfkerns. Der gedrungene, breitgelagerte Mauerbau ist zweigeschossig ausgebildet und trägt ein geknicktes Halbwalmdach (Dachwerk erneuert). Sein Dachvorsprung an der südlichen Stirnseite ruht auf einer teilweise verschalten, von Bügen gestützten Flugsparrenkonstruktion. An dieser fünfachsigen Fassade befindet sich auch der ursprüngliche Wohnungszugang, wobei Befensterung wie Dachgestalt vermutlich auf einen Umbau des 18. Jh. zurückgehen. An der östlichen Trauffassade befindet sich der Zugang zum ehemaligen Mühlekeller, der durch ein Rundbogenportal aus Mägenwiler Muschelkalk ausgezeichnet ist. Am Bogenscheitel sind das Baujahr "1579" sowie ein Steinmetzzeichen und rechts davon ein Mühlerad eingemeisselt. Auch an dieser Fassade sind die Fenstergewände aus Naturstein und mit Jalousieklappläden ausgestattet.
Im Innern hat sich aus dem Bereich des Mühlekellers und Mahlraums eine mächtige Eichensäule erhalten, die mit ihrer kräftigen Entasis und den Profilierungen an Kapitell und Basis schmuckvoll gestaltet ist. Vergleichbare Stützen existieren auch in den Mühlen von Böttstein (Schlossweg 4) und Siglistorf (Bachstrasse 72) [6]. Sie hatten eine wichtige statische Funktion, da bei den Mahlvorgängen auch auf das Gebäude Kräfte wirkten. Ebenso zeichnen sie sich durch dekorative Zimmermannsarbeit aus. Im Dachgeschoss bestehen zum Teil noch Fachwerkwände, deren Ausfachung im Zuge des Dachausbaus entfernt wurde. Ansonsten sind die Oberflächen im Innern weitgehend modernisiert.
Das Ökonomiegebäude steht westlich des Mühlegebäudes und bildet mit diesem ein bauliches und nutzungsgeschichtliches Ensemble, da Mühlen in der Regel immer von Nebenbauten begleitet waren. Ihm kommt vor allem ein Situationswert zu. Während sein Gewölbekeller noch aus der Zeit stammt, in der die Mühle in Betrieb war, ist der obere Bereich jüngeren Datums und teilweise erst im 20. Jh. entstanden.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Allgemein zu historischen Mühlen im Aargau bzw. in der Schweiz siehe Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1, Basel 1996, S.411–415; Anne-Marie Dubler, "Mühlen", in: Historisches Lexikon der Schweiz, Online-Version vom 31.05.2012.
[2] Zur Geschichte der Mühle in Niederwil siehe Felix Müller, Das Gewerbe. In: Ender et al. 1993, S. 95–96.
[3] Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Niederwil III-12,1 (1988).
[4] Gemeinde Niederwil Baugesuchsarchiv, Baugesuch Nr. 27/79 (1979).
[5] Gemeinde Niederwil Baugesuchsarchiv, Baugesuch Nr. 2007/04 (2007). Bei der ursprünglichen Konstruktion handelte es sich um ein Sparrendach mit stehendem Stuhl und Aufschieblingen (Kantonale Denkmalpflege Aargau, Kurzinventar Niederwil, KI-NIW906, 2001).
[6] Zur Getreidemühle in Böttstein (Schlossweg 4) siehe Edith Hunziker, Thomas B. Manetsch, Susanne Ritter-Lutz, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau. Bd. 11: Der Bezirk Zurzach I, Bern 2024, S. 171–172.
Literatur:- Peter Felder, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau. Bd. 4: Der Bezirk Bremgarten, Basel 1976, S. 302.
- Urs Ender et al., Niederwil im Freiamt. Dorfgeschichte 1993, Wohlen 1993, S. 95–96.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0095–CA.0001/0096 (1899–1938), Vers. Nr. 2 (Mühle), 4 (Ökonomiegebäude) Brandkataster Gemeinde Niederwil.
- Gemeinde Niederwil Baugesuchsarchiv, Baugesuch Nr. 27/79 (1979); 2007/04 (2007).
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Niederwil III-12,1 (1988).
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=43770
 

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