INV-BRG904 St. Josefsheim, 1760-1761 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BRG904
Signatur Archivplan:BRG904
Titel:St. Josefsheim
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Bremgarten (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Untere Vorstadt
Hist. Name Objekt:ehem. Koventbauten Kapuzinerkloster
Adresse:Luzernerstrasse 1
Versicherungs-Nr.:328
Parzellen-Nr.:4236
Koordinate E:2668112
Koordinate N:1244593

Chronologie

Entstehungszeitraum:1760 - 1761
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:BRG019
Nutzung (Stufe 1):Sakrale Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Kloster, Konventgebäude
Epoche / Baustil (Stufe 3):Historismus

Dokumentation

Würdigung:Konventgebäude des 1841 aufgehobenen Bremgarter Kapuzinerklosters, die 1889 zum Kinderheim «St. Josef» umgebaut wurden. Die Gebäude, die im Kern vielleicht noch Teile des Ursprungsbaus von 1622 umfassen, im wesentlichen aber 1760/61 vom Bremgarter Baumeister Franz Anton Schwarz und den Zimmermeistern Joseph Egger und Franz Mäder neu errichtet wurden, bilden eine Vierflügelanlage, die in leicht zurückgesetzter Lage an die Südflanke der ehemaligen Klosterkirche (Kantonales Denkmalschutzobjekt BRG019) anschliesst. Sie zeugen mit ihren Historismusformen vom Umbau zum Kinderheim im Jahr 1889, als man die Fassaden regularisierte, mit gepflegtem zeittypischem Bauschmuck versah und das Innere durchgreifend umgestaltete. Den Kern der Anlage bildet der Kreuzgang, der sich mit Rundbogenlichtern auf einen rechteckigen Innenhof öffnet. Das Innere wurde mit einer Auskernung 1986-89 vollkommen umgestaltet.
Bau- und Nutzungsgeschichte:1617 richtete die Stadt Bremgarten an das Generalkapitel der Kapuziner ein Bittschreiben um die Errichtung eines Klosters, dem umgehend entsprochen wurde, worauf nur wenige Wochen später bereits drei Kapuziner in der Stadt eintrafen [1]. 1618 schenkte Spitalherr Johannes Bucher dem Kloster einen Bauplatz, der in einer für den Orden charakteristischen Vorstadtlage in der damaligen «Kreuzmatte» auf dem Südufer der Reuss lag. Der Bau konnte erst 1620 begonnen werden, nachdem man mit Viktor Martin aus Beromünster einen geeigneten Baumeister gefunden hatte. Wenig später nahm man unter Leitung des baukundigen Kapuzinerordensbruders Pater Lorenz von Baden auch die Bauarbeiten am Konventhaus in Angriff, das am 14. Dezember 1622 von den Kapuzinern bezogen wurde. Dieses erste Konventgebäude ist in der Stadtansicht von Matthäus Merian aus dem Jahr 1654 dargestellt, wo das Kloster den rechten Bildvordergrund einnimmt (vgl. Bilddokumentation). Mit ihrer Tätigkeit spielten die Kapuziner in der Folge eine wichtige Rolle für die Gegenreformation im Freiamt. Seit 1673 war dem Kloster ein Wollenwerk angegliedert, welches die schweizerische Kapuzinerprovinz belieferte.
Nach einem Beschluss des Provinzkapitels im Jahr 1757 wurde das Konventgebäude 1760/61, „weilen sehr schlecht und bauwfällig, zu mehrere Soliditet, regularitet und anständigkeit […] nach dem Model“ neugebaut [2]. Dreiseitig entsprach die Lage der Gebäudeflügel im wesentlichen wohl dem früheren Bestand; der Südostflügel hingegen wurde zur Vergrösserung der Anlage um etliche Meter hinausgerückt [3]. Dieser Bau ist in Aufnahmeplänen und Fotografien vor der Umgestaltung im Jahr 1889 dokumentiert (vgl. Bilddokumentation) [4].
Nach der Klosteraufhebung im Jahr 1841 gingen die Gebäude in das Eigentum der Ortsbürgergemeinde über [5]. Die Konventbauten dienten zeitweise als Armenwohnungen und wurden abgesehen davon dem Zerfall überlassen. Nachdem die Armenvereine der katholischen Bezirke 1887 die Einrichtung eines Heims für geistig und körperlich behinderte Kinder beschlossen hatten, erwarben die beiden Brüder Andreas Keusch-Abbt und Josef Alois Keusch, Landwirt resp. Pfarrer in Hermetschwil, die Gebäude, um sie dem Heim zur Verfügung zu stellen. Eine Geldsammlung in den katholischen Pfarreien des Kantons und private Spenden stellten Mittel für den Umbau bereit. Am 10. Dezember 1889 wurde in den erneuerten Konventgebäuden die «Anstalt für schwachsinnige Kinder zu St. Joseph» eröffnet, die von den Ingenbohler Schwestern geführt wurde; kurz zuvor hatte man die renovierte Kirche eingeweiht. Als Ergänzung zu den umgebauten Konventgebäuden entstand 1896 auf der Nordseite der Klosterkirche als erster Kinderheim-Neubau das «Marienhaus». 1901 folgte östlich an diesen anstossend das «Schutzengelhaus» (1936 aufgestockt), das mit der Realisierung des Südbaus 1935 zum Mitteltrakt wurde.
Seit 1948 besteht als Trägerschaft des Heims die Stiftung St. Josef. Renovationen der Kirche wurden 1965/66, 1996 (innen) sowie 2004 (aussen) vorgenommen. Eine Gesamtrenovation der ehemaligen Konventgebäude, die innerhalb des Heims seit längerem als „Klösterli“ bezeichnet werden, erfolgte 1986-89. Dabei wurden die Gebäudeflügel im Inneren ausgekernt und anschliessend neu ausgebaut; die frühere Dachkonstruktion blieb nur über dem Westflügel erhalten. Am Äusseren vereinheitlichte man die nachträglich veränderten Dachaufbauten in Anlehnung an den ursprünglichen Zustand und beseitigte einen Quergiebel an der Ostfassade [6]. 2002 erfolgte der Abbruch des Gebäudeflügels aus der Zeit um 1900, der «Marienhaus» sowie Mittel- und Südtrakt umfasste. Die ehemaligen Konventgebäude beherbergten seit 1974 eine Heimerziehungsschule, die später als Aussenstelle in die kantonale Fachschule für sozialpädagogische Berufe integriert und 2014 an deren Hauptstandort Brugg verlegt wurde. Seit einem weiteren Umbau im Jahr 2017 dienen die Gebäude als Therapie- und Förderzentrum der Stiftung.
Beschreibung:Die ehemaligen Konventgebäude schliessen an die Südflanke der leicht nach Südosten abgedrehten Klosterkirche (Kantonales Denkmalschutzobjekt BRG019) an. Sie bilden eine zweigeschossige Vierflügelanlage mit rechteckigem Innenhof, die mit dem Westflügel hinter die Kirchenfassade zurücktritt und östlich leicht über den Chor ausgreift. In ihrer Grundanlage entsprechen die Konventbauten damit dem Zustand von 1761/61; teilweise hat sich möglicherweise auch noch Mauerwerk des Ursprungsbaus von 1622 erhalten. Beim Umbau von 1889 wurden die Fassaden regularisiert und stark überformt sowie gleichzeitig die geknickten Satteldächer Dach erneuert, so dass die Anlage heute stark durch ihre historistischen Formen bestimmt wird. Das Erdgeschoss ist mit einer Rustikaquaderung versehen und durch ein umlaufendes Gurtgesims vom glatt verputzten Oberbau abgesetzt. Von 1889 stammt auch die vollständig neue, streng axiale Befensterung mit rechteckigen Sandsteingewänden. Diese sind im deutlich höheren Obergeschoss merklich schlanker proportioniert, während sie im Erdgeschoss gedrungene Form haben, und tragen durchwegs hölzerne Jalousieläden. Den Eckgiebel, der in seiner Ausrichtung nach Nordwesten der Kirchenfassade antwortet und der zuvor eine grosse Aufzugsluke enthalten hatte, bildete man zu einem Risalit mit gezahnter Eckquaderung aus. Im Obergeschoss öffnet sich ein aufwendig instrumentiertes Rundbogenfenster samt Josefsmonogramm in der Lünette. Das Giebelfeld nimmt eine von zwei Okuli (Rundfenstern) flankierte und mit einem Gewände gerahmte Figurennische ein. Auf einer in Neorenaissanceformen verzierten polygonalen Konsole erhebt sich eine Statue des Nährvaters Josef, der das Christuskind auf dem Arm trägt und im First von einem baldachinartig ausgebildeten kleinen Dachreiter überhöht wird. Der Eingang liegt an der Stelle der früheren Klosterpforte seitlich zur Kirchenflanke hin und wird über eine kurze Freitreppe erreicht. Das gequaderte Rundbogenportal fasst ein gefeldertes Türblatt mit schmiedeeisernen Vergitterungen. Das Vordach ist eine jüngere Zutat.
Einfacher gestaltet sind die beiden anderen Fassaden. Die Südfassade zeigte nach dem Umbau von 1889 zwei mittige, die Ostfassade einen breiteren seitlichen Quergiebel, die 1986-89 beseitigt wurden. Im Dach öffnen sich nach allen drei Seiten kleine spitzbehelmte Lukarnen mit Firstknäufen. Jene an der westlichen Eingangsfront entsprechen in Zahl und Dimensionierung dem Zustand von 1889; die etwas grösseren nach Süden und Osten stammen von 1989.
Das Innere ist seit der Auskernung von 1986-89 vollständig neu ausgebaut. Erhalten blieben lediglich die Hoffassaden des Kreuzgangs. Beschreibung gemäss Kunstdenkmälerband von 1967: „Der flach gedeckte Kreuzgang, ursprünglich mit sichtbaren Balkendecken, öffnet sich nach dem Innenhof mit zwei Portalen und 34, früher wohl mit Wappenscheiben geschmückten Lichtern, deren rundbogige Archivolten von abgesetzten Rechteckpfeilern gestützt werden. In den Obergeschossen der Hoffassaden rein konstruktive Fachwerkgliederung mit Spuren von Schablonenmalereien.[…] Im Nordflügel des Kreuzgangs in Rundbogennische barocker Wandbrunnen mit Ovalschale; 18. Jahrhundert.“ [7] (Hausinneres nicht gesehen.)
Zur Luzernerstrasse hin besitzt das Areal des Josefsheims eine Umfriedung mit eisernem Staketenzaun zwischen Mauerpfosten, die in ihrer Grundanlage dem Zustand von 1889 entsprechen, aber nachträglich vereinfacht wurden. Auf dem Kirchenvorplatz ist zur Strasse hin ein Wegkreuz aufgestellt (Bauinventarobjekt BRG924B).
Nördlich der Kirche schloss bis zum Abbruch 2002 ein Neubauflügel aus der Zeit um 1900 an. Dessen Kopfbau nach Westen bildete das 1896 in Historismusformen ähnlich dem Konventsgebäude und wahrscheinlich durch denselben Architekten errichtete „Marienhaus“. Es fügte sich mit seinem kirchenparallelen, gegenüber der Kirchenfront ebenfalls zurückgesetzten Baukörper in den Orthogonalraster der Konventsbauten und war mit diesen über einen niedrigen, den First der Klosterkirche nicht überragenden Zwischentrakt verbunden. Sehr prominent trat der Hohe, nach Westen gerichtete Treppengiebel in Erscheinung, der als Pendant zur Josefsstatue im Giebel eine Marienfigur zeigte.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Baugeschichte des Klosters nach Felder Kdm AG IV 1967, S. 104-106; Ming 1986; Bürgisser / Grunder 1990, S. 82-84.
[2] Zit. nach Felder Kdm AG IV 1967, S. 106
[3] Ming 1986, S. 42f.
[4] Felder Kdm AG IV 1967, S. 106, Anm. 5.
[5] Bau- und Nutzungsgeschichte nach der Klosteraufhebung nach Ming 1989; Jungo 1989.
[6] Umbau am Äusseren beratend begleitet durch die Kantonale Denkmalpflege; Akten im Archiv. Umbaupläne im Baugesuchsarchiv Bremgarten.
[7] Felder Kdm AG IV 1967, S. 112f.
Literatur:- St. Josef-Stiftung Bremgarten. Zeittafel, auf: http://www.josef-stiftung.ch (Zugriff 7.9.2018).
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 110.
- Max Stierlin, Die Kapuzinerklosterkirche Bremgarten, in: Stiftung St. Josefsheim Bremgarten, 95. Jahresbericht 1996/97, S. 23-33.
- P. Engelbert Ming, Vom Kapuzinerkloster zum St. Josefsheim, in: 100 Jahre St. Josefsheim Bremgarten 1989, S. 22-28.
- Sr. Christiane Jungo: Das St. Josefsheim 1889-1989, in: 100 Jahre St. Josefsheim Bremgarten 1989, S.30-60.
- Hort helfender Hände und Herzen! Gedenkschrift zum hundertjährigen Bestehen des St. Josefsheimes Bremgarten im Aargau (=100 Jahre St. Josefsheim Bremgarten 1889-1989), Bremgarten 1989.
- P. Engelbert Ming, Das ehemalige Kapuzinerkloster in Bremgarten 1618-1841, in: Unsere Heimat, 56. Jg. (1986), S. 7-87.
- Bruno Lehner, Bremgarten an der Reuss in alten Ansichten, Zaltbommel (NL) 1994, Abb. 60, 61.
- [Eugen Bürgisser / Karl Grunder], Bremgarten. Heimatführer, Bremgarten 1990, S. 82-84.
- Peter Felder, Der Bezirk Bremgarten (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. IV), Basel 1967, S. 104-114.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Stadt Bremgarten, Baugesuchsarchiv: Umbauten 1924, 1986-89.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten: Umbau 1988/89.
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
DOK-BRG839.004 Ehem. Kapuzinerkloster, heute Kinderheim St. Josef, Keine Angabe (Dossier (Dokumentationsobjekte))

siehe auch:
DSI-BRG019 Luzernerstrasse, Kapuzinerkirche, 1620-1621 (Dossier (Denkmalschutzinventar))
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=31380
 

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