INV-BRG905 Bruggmühle, 1938-1939 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BRG905
Signatur Archivplan:BRG905
Titel:Bruggmühle
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Bremgarten (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Reussinsel
Adresse:Wohlerstrasse 2
Versicherungs-Nr.:291
Parzellen-Nr.:4753
Koordinate E:2668103
Koordinate N:1244737

Chronologie

Entstehungszeitraum:1938 - 1939
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:BRG052
Nutzung (Stufe 1):Verkehrs- und Infrastrukturbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Elektrizitätswerk
Epoche / Baustil (Stufe 3):Konservative Moderne

Dokumentation

Würdigung:1938/39 in Heimatstilformen errichteter Ersatzbau für die alte, 1281 erstmals erwähnte «Bruggmühle», die im 19. Jahrhundert zur Spinnerei und schliesslich zum Elektrizitätswerk umgebaut worden war. Der Gebäudekomplex, der aus dem Hauptbau und zwei im ausgehenden 19. Jahrhundert entstandenen seitlichen Turbinenhäusern besteht, birgt im Inneren eine museal instandgehaltene Kraftwerksanlage, welche den Stand der Generator- und Kraftübertragungstechnik der 1890er bis 1920er Jahre veranschaulicht und neben jener des Kraftwerks Stroppel in Untersiggenthal (Bauinventarobjekt UNS929B) die älteste noch funktionstüchtige Stromerzeugungsanlage des Kantons darstellt (technische Einrichtungen des Kraftwerks unter Kantonalem Denkmalschutz: BRG052). Baulich wie auch funktional bildet sie mit der hölzernen Reussbrücke (Kantonales Denkmalschutzobjekt BRG007), dem «Bollhaus» (Kantonales Denkmalschutzobjekt BRG008) und dem dreiseitigen Wehr mit dem Fällbaum ein markantes Ensemble am südlichen Eingang in die Altstadt, das in eindrücklicher Weise die jahrhundertelange Kontinuität der Wasserkraftnutzung dokumentiert.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die 1281 erstmals erwähnte Bruggmühle dürfte in Verbindung mit der Reussbrücke entstanden sein und somit in die Frühzeit der Stadt zurückreichen. «Anfänglich Eigentum der habsburgisch-österreichischen Herrschaft, gelangte die Mühle vor 1361 an die Stadt und verblieb während Jahrhunderten in deren Besitz, bis sie ‘1835, längst mit Lohstampfe, Reibe und Walke ausgerüstet, in Privathand überging’.» [1] Der neue Eigentümer, J. R. Guggenbühl von Meilen, richtete darin eine Baumwollspinnerei ein. Diese ging 1839 an Martin Schwarzenbach von Thalwil, 1874 an Albert Mantel von Wädenswil und 1877 an dessen Sohn Conrad über, welcher den Betrieb in eine Zwirnerei umwandelte [2].
1879 ersetzte Mantel die rechtsseitigen Wasserräder durch eine Jonvalturbine, die nun zusammen mit den weiterhin bestehenden linksseitigen Wasserrädern über eine Transmissionsanlage dem Antrieb der Spinnerei und Zwirnerei diente. 1892 wurden zwei Gleichstromgeneratoren installiert, welche durch dasselbe Transmissionssystem angetrieben wurden und bei einer Spannung von 120 Volt eine Leistung von je 2 PS aufwiesen [3]. Damit bildet die Bruggmühle nicht nur das erste Wasserkraftwerk an der Reuss, sondern gehört auch im schweizweiten Vergleich zu den frühen, wenngleich eher kleinen Anlagen [4]. Die Generatoren versorgten zuerst die Strassenbeleuchtung der Stadt, später das Pumpwerk für Trinkwasser und ab 1902 die elektrische Bremgarten-Dietikon-Bahn. 1895 ging die Bruggmühle an Kaspar Hausherr über, der eine „AG Elektrizitätswerk zur Bruggmühle“ gründete, während die Zwirnerei in seinem alleinigen Eigentum verblieb. Gleichzeitig verkauften die Ortsbürger die linksufrig gelegene Säge an das Kraftwerk. In der Folge wurden die verbliebenen linksseitigen Wasserräder durch eine Jonvalturbine ersetzt und zur Sicherstellung der kontinuierlichen Stromversorgung eine Dampfmaschine samt Hochkamin erstellt. 1902 installierte man zur Bewältigung der Verbrauchsspitzen der Bahn neue Generatoren sowie eine Puffer- und Speicherbatterie. 1917 wurde die Dampfmaschine wieder abgebrochen.
Ein Ausbau erfolgte in mehreren Schritten ab 1921, wobei zunächst links eine neue Francis-Turbine und 1924 die heute noch bestehende rechte Turbine von Theodor Bell & Co. in Kriens eingebaut wurden. 1927 wurde das Kraftwerk vom Aargauischen Elektrizitätswerk (AEW) übernommen. 1929/30 ersetzte man die damals bestehenden sieben Generatoren durch einen einzigen dreiphasigen Drehstromgenerator, der in technisch wohl einmaliger Disposition von den beidseitigen Turbinen mittels einer langen Antriebswelle quer über die Insel angetrieben wurde. Nachdem die Strickgarn-Zwirnerei Hausherr & Cie. 1936 in einen Neubau an anderer Stelle gezogen war, wurde die alte Bruggmühle abgebrochen und 1938/39 durch den bestehenden Neubau in Heimatstilformen ersetzt. Bauausführung und vielleicht auch Planung besorgte das einheimische Baugeschäft Hermann Comolli‘s Erben [5].
Im Hinblick auf die anstehende Konzessionserneuerung und Modernisierung wurden seit 1988 Bemühungen um eine Erhaltung des Kraftwerks unternommen [6]. 1995 erfolgte durch Regierungsratsbeschluss zusammen mit der Erneuerung der Konzession die Unterschutzstellung der Kraftwerksanlage (Kantonales Denkmalschutzobjekt BRG052). Demgemäss wird der rechtsseitige Anbau mit Turbine, Generator und Transmissionswerk sowie Ober- und Unterwasserkanal in betriebsfähigem Zustand unterhalten, während der linksseitige Anbau mit dem Transmissionswerk, soweit über dem Wasserspiegel liegend als ruhende Anlage erhalten bleibt. Nach der Stillegung des alten Kraftwerks erfolgte 1997-99 durch das AEW der Bau eines neuen, weitgehend unter dem Wasserspiegel angelegten Kleinkraftwerks am linksufrigen Ast. 2002-04 wurde der Hauptbau im Inneren zu Geschosswohnungen umgebaut [7]. Ein unter Beteiligung des AEW gegründeter Verein eröffnete nach Vorarbeiten 2005 das «Museumskraftwerk Bruggmühle». 2010 erfolgte eine Sanierung des Einlaufkanals. 2012 wurde unterhalb des neuen Kraftwerks eine Jonval-Turbine aus der Spinnerei in der Au von 1875 aufgestellt [8].
Beschreibung:Die «Bruggmühle» erhebt sich auf einer nahe dem linken Ufer gelegenen Reussinsel, über die auch die hölzerne Brücke (Kantonales Denkmalschutzobjekt BRG007) als alter Zugang von Süden her in die Stadt führt. Zusammen mit der imposanten Wehranlage bildet sie den erhaltenen Teil eines ehemals noch weitere Betriebe umfassenden gewerblichen Ensembles, das von Alters her an dieser Stelle der Wasserkraftnutzung diente (vgl. Merian-Ansicht in der Bilddokumentation). Das in der Grundanlage auf das 17. Jh. zurückgehende, dreiseitige Streichwehr mit dem Fällbaum teilt den Strom der Reuss oberhalb der Brücke in drei Partien, von denen sich die linke wiederum in zwei Kanäle beidseits der Reussinsel teilt. An deren Spitze erhebt sich als Pendant zur flussabwärts gelegenen «Bruggmühle» das zur alten Stadtbefestigung gehörende «Bollhaus» aus der Zeit um 1500 (Kantonales Denkmalschutzobjekt BRG008).
Die «Bruggmühle» besteht in ihrer heutigen Erscheinung aus dem 1938/39 in Heimatstilformen errichteten Hauptgebäude und den beidseitig anschliessenden Radhäusern des seit 1892 angelegten, heute museal erhaltenen Kraftwerks. Das mit dem First parallel zum Flusslauf gerichtete Hauptgebäude, das zwischen den beiden Kanälen die gesamte Breite der Insel einnimmt, entspricht in Lage und Ausrichtung ungefähr dem 1938 abgebrochenen Vorgängerbau. Die markanten Treppengiebel hingegen orientieren sich im Sinn des Heimatstils an monumentalen Vorbildern der heimischen Spätgotik wie dem nahen Muri-Amthof oder dem Alten Schützenhaus (Kantonale Denkmalschutzobjekte BRG034/058). Der zweigeschossige verputzte Mauerbau ist mit Einzel- und einigen Doppelfenstern besetzt, die von breiten Rechteckgewänden gerahmt werden und die gedrungenen Proportionen der 1930er Jahre zeigen. Ein polygonaler Erker über dem stichbogigen Hauseingang betont die Mittelachse der axialsymmetrischen Vorderfront. Die grossen, mit alten Biberschwanzziegeln eingedeckten Dachflächen waren wohl von Anfang an mit Schleppgauben bestückt, die beim Umbau erneuert wurden. Zum linken Kanal hin ist dem Erdgeschoss ein Anbau vorgelagert, der im Obergeschoss als Terrasse ausgebildet ist.
Die beiden niedrigeren Turbinenhäuser, die mit ihrem First beidseits quer an das Hauptdach stossen, sind im Kern älter als das Hauptgebäude. Das rechtsseitige entspricht in der Anlage dem 1879 erstellten ersten Turbinenhaus, das linksseitige einem Neubau von 1895; beide wurden nachträglich aber mehrfach umgebaut. An der zum rechten Kanal gerichteten Nordseite erfolgt der Zugang zum Museumskraftwerk mit der funktionstüchtig erhaltenen, von 1892 bis in die 1920er Jahre angelegten Kraftwerksanlage, welche auch noch die alten Wehranlagen besetzt (technische Anlagen des Kraftwerks: Kantonales Denkmalschutzobjekt BRG052). Flussabwärts schliesst ein eigeschossiger Flachdachanbau an, der heute die Museumräumlichkeiten enthält und die Stelle der ehemaligen Akkumulatorenhalle der Bremgarten-Dietikon-Bahn einnimmt.
Auf dem reussabwärts gelegenen Vorplatz des Museums ist die Jonval-Turbine aus der Spinnerei in der Au (Bauinventarobjekt BRG911) von 1875 aufgestellt. Zum linken Ufer hin, auf dem ehemals die Säge lag, schliesst das weitgehend unter dem Wasserspiegel, resp. dem Boden gelegene Kleinkraftwerk von 1999 an.
Das Innere des Hauptgebäudes ist heute unter einigen grundrisslichen Veränderungen zu Geschosswohnungen umgebaut (nicht gesehen).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Felder Kdm AG IV 1967, S. 36.
[2] Geschichte der Spinnerei und Zwirnerei im 19. Jh. nach Strebel 1946, Inserateteil, S. 27; Lehner 1999, insbes. S. 84-86; http://www.museumreusskraftwerk.ch (mit Chronologie).
[3] Geschichte des Kraftwerks nach Lehner 1999, insbes. S. 84-86; Koch 2006, insbes. S. 56-59; http://www.museumreusskraftwerk.ch (mit Chronologie); SBZ 1902, S. 201f.; StAAG, DB.W01/0037/04, DB.W01/0037/05, DB.W01/0065/01, DB.W01/0066/02, DB.W01/0066/03.
[4] Vgl. auch die Zeittafel bei Wyssling 1946, S. 177.
[5] Strebel 1946, Inserateteil, S. 27, 89. Bei baugeschichtlichen Untersuchungen kamen Mühlsteine und wappengeschmückte Pfeiler (Auflager des einstigen Mahlstuhls) zum Vorschein; vgl. Fotoarchiv Kantonale Denkmalpflege sowie ZAK 1939, S. 58.
[6] Akten im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
[7] Pläne im Baugesuchsarchiv.
[8] Akten im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
Literatur:- http://www.museumreusskraftwerk.ch (Zugriff 25.10.2018).
- Viatimages, Université de Lausanne: https://purl.org/viatimages/fr/image/902 (histor. Ansicht von Nicolas Pérignon, um 1780).
- Alfred Koch, Die Bruggmühle wird zum Museum Reusskraftwerk, in: Bremgarter Neujahrsblätter, 2006, S. 51-63.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 110.
- Michael Hiltmann, Die Schifferzunft zur Oele und die Geschichte der Flösserei auf der Reuss und der Bremgarter Wasserwerke, in: Bremgarter Neujahrsblätter, 1999, S. 9-24, hier S. 22f.
- Bruno Lehner, Bremgarten an der Reuss in alten Ansichten, 1994, Abb. 14-16.
- Bruno Lehner, Über den Neubau des Kraftwerks „zur Bruggmühle“, in: Bremgarter Neujahrsblätter 1999, S. 77-86.
- Unbekannter Aargau. Ansichten des 18. und 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Laube, Ausst.Kat. Aarau/Baden, Aarau 1994, S. 115 (histor. Ansicht, nach Nicolas Pérignon).
- Walter Wyssling, Die Entwicklung der Schweizerischen Elektrizitätswerke und ihrer Bestandteile in den ersten 50 Jahren, Zürich 1946, S. 177.
- Karl Strebel, Das Freiamt. Heimatgeschichte und Wirtschaft (Bezirkschroniken des Kantons Aargau, Bd. II), Zürich 1946, Inserateteil, S. 27, 89.
- Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte (ZAK), 1. Jg. (1939), S. 58.
- Die elektrische Strassenbahn Bremgarten-Dietikon, in: Schweizerische Bauzeitung, Bd. 40 (1902), S. 199-205, hier S. 201f.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): DB.W01/0037/04, DB.W01/0037/05, DB.W01/0065/01, DB.W01/0066/02, DB.W01/0066/03, Wasserwerkskonzessionen Gemeinde Bremgarten.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten.
- Stadt Bremgarten, Baugesuchsarchiv: Umbau 2002-04.
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
DSI-BRG052 Reussinsel, Turbinen und Generator Kraftwerk Bruggmühle, 1906 (Dossier (Denkmalschutzinventar))
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=31386
 

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