INV-BES903 Gasthof "Löwen", 1852 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BES903
Signatur Archivplan:BES903
Titel:Gasthof "Löwen"
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Beinwil am See
Adresse:Löwenplatz 1
Versicherungs-Nr.:131
Parzellen-Nr.:1668
Koordinate E:2657831
Koordinate N:1235312
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2657831&y=1235312

Chronologie

Entstehungszeitraum:1852
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Gasthaus, Gasthof
Epoche / Baustil (Stufe 3):Heimatstil

Dokumentation

Würdigung:1852 als biedermeierlicher Mauerbau errichteter, stattlicher Gasthof, der 1878 um einen Theatersaal erweitert wurde und sein heutiges Aussehen beim Wiederaufbau nach einem Brand 1903-05 erhielt. Der Gebäudekomplex, der eine äusserst prominente Stellung im Ortsbild von Beinwil am See einnimmt, tritt in seiner Gesamterscheinung als „heimatlich“ geprägter Neobarockbau mit elegantem Mansardwalmdach in Erscheinung, während sich die Zierformen des hohen Quergiebels wie auch der Fenstergewände an dem als „modern“ empfundenen Jugendstil orientieren. Die ausgesprochen qualitätvolle Gestaltung folgt damit den aktuellen Tendenzen der damaligen Architekturreformbewegung, womit dem Bau gerade in seinem ländlichen Kontext ein hoher architekturgeschichtlicher Zeugenwert zukommt. Als Denkmal lokaler Theaterkultur ist der Gasthof mit dem zugehörigen Saalbau in seiner Grösse und mit der vollständig ausgerüsteten Theaterbühne für eine aargauische Landgemeinde einzigartig. Mit Ausnahme von Aarau und Baden hatten damals selbst die Städte nichts Vergleichbares vorzuweisen.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Schon 1581 ist in Beinwil eine Wirtschaft mit Tavernenrecht bezeugt, für die zu unbestimmtem Zeitpunkt der Name „Rother Löwe“ in Gebrauch kam und die vielleicht bereits an der Stelle des späteren „Alten Löwen“ stand [1]. Dieser wurde 1812 gegenüber dem „Oberen Zollhaus“ (Bauinventarobjekt BES918) an der wichtigen Kreuzung zwischen der alten Landstrasse Birrwil-Beinwil-Mosen (Sandstrasse) und dem Beinwiler Kirchweg (Krienzstrasse-Feldstrasse) errichtet.
Mit dem Bau der neuen Hauptstrasse Birrwil-Beinwil-Mosen kurz nach 1840 verlor diese vormals wichtige Kreuzungsstelle zunehmend an Bedeutung. Folgerichtig liess Heinrich Eichenberger, der damalige Wirt des seit 1814 im Familienbesitz befindlichen „Alten Löwen“, an der neuen Kreuzung (dem heutigen Löwenplatz) ein neues Gasthaus errichten. Die Einweihung des stattlichen Gebäudes fand am Auffahrtstag 1852 statt. Bis in die 1870er Jahre wirteten die Eicherbergers auf dem „Löwen“. Auf Initiative von Hans Rudolf Merz, späterem Pächter und Gründungsmitglied der „Liebhabertheatergesellschaft Beinwyl“, wurde um 1878 auf der Südseite an den bereits bestehenden Tanzsaal ein Theatersaal samt Bühnengebäude angefügt [2]. Das anfänglich im dramatischen Bereich erfolgreiche Theaterschaffen verlagerte sich seit 1937 auf das Gebiet der Operette.
Im Mai 1903 vernichtete ein Grossbrand wesentliche Teile des „Löwen“ und den gesamten Theateranbau. Beide wurden 1904/05 nach einem aufwendigen Projekt in damals modernen Neobarockformen wiederaufgebaut, wobei man die Aussenmauern des Vorgängerbaus in den Neubau integrierte. Der Architekt des Wiederaufbaus ist nicht bekannt.
Anlässlich einer Gesamtrenovation von 1991/92 erhielt der Theatersaal auf der Ostseite einen modernen Erschliessungsbau mit grosszügigem Foyerbereich und einen rückseitigen Erweiterungsbau. Der Saal dient weiterhin für Theateraufführungen wie auch für andere Veranstaltungen. Für den Kopfbau wurde zwischen 2010 und 2015 ein Umbau zum Gemeindehaus diskutiert, schliesslich aber verworfen. Zur Zeit werden andere Nutzungsmöglichkeiten für das seit einigen Jahren leerstehende ehemalige Restaurant und Hotel gesucht [3].
Beschreibung:Mit seiner prominenten Stellung an dem nach ihm benannten Platz, der heute fast vollständig von einem Verkehrskreisel eingenommen wird, bildet der „Löwen“ ein beherrschendes Element im Ortsbild von Beinwil am See. Vor dem Brand von 1903, dem der gesamte Dachstuhl, nicht aber die Aussenmauern zum Opfer fielen, präsentierte sich das Gasthaus als mächtiger biedermeierlicher Mauerbau mit Ecklisenen unter einem geraden Satteldach mit Kniestock (vgl. Bilddokumentation). Seine nach Norden auf den Platz ausgerichtete und genau in der Achse der neuen Hauptstrasse gelegene Hauptfassade ist beim Wiederaufbau weitgehend übernommen worden: ein aufwendiger Treppenaufgang, welcher dem dreiachsigen und von einem Giebelaufbau bekrönten Mittelrisalit vorgelagert ist, und ein auf Volutenkonsolen aus Muschelkalkstein ruhender Balkon dominieren sie noch heute. Erhalten sind auch die biedermeierlichen Geländer des Balkons und des Treppenaufgangs.
Der 1905 abgeschlossene Wiederaufbau orientierte sich an einer Verbindung zwischen dem damals aufkommenden neobarocken Heimatstil und den als „modern“ empfundenen Dekorationsformen des Jugendstils. Der zweigeschossige verputzte Baukörper wird seither von einem eleganten Mansarddach mit Lukarnenreihen abgeschlossen, welches dem Bau in seiner Gesamterscheinung das Gepräge eines bernischen Bürgerhauses des 18. Jh. verleiht. Es wird an der Schaufassade von einem mächtigen Blendgiebel durchstossen, dessen mehrfach geschweifte Umrissform dem Jugendstil verpflichtet ist. Rustizierte Eckpilaster mit ionischen Kapitellen gliedern die Fassaden; dazwischen sitzen die vom Vorgängerbau übernommenen Einzel- und Doppelfenster, die von originellen Gewänden mit stilisierten Ohren und Konsolen gerahmt werden. Durch Ornamentbänder und Voluten besonders akzentuiert sind jene im Mansardgeschoss des Quergiebels, der zuoberst mit einem von Festons gerahmten „oeil de boeuf“ (ovale Fensteröffnung) in Neorokokoformen besetzt ist und von einem kurzen geschweiften Gebälkstück abgeschlossen wird. Das Dach ist im Mansardgeschoss mit Biberschwanzziegeln eingedeckt, während der obere Bereich heute Falzziegel zeigt. Die Lukarnen werden von bogenförmig geschweiften Verdachungen mit volutenförmigen Enden gerahmt, an die sich im Scheitel jeweils ein Kugelaufsatz klammert. Auf dem Hauptfirst und dem Quergiebel sitzen hohe Urnenaufsätze. Die Freitreppe vor der Hauptfassade ist in Sichtbeton erneuert.
Vom Ursprungsbau sind im „Löwen“ noch mehrere Gewölbekeller vorhanden, die durch einen an der Hauptfront von aussen her zugänglichen Mittelgang erschlossen werden. Das Innere ist modern ausgebaut (nach Kurzinventar 1992).
An die Rückfassade des Kopfbaus schliesst ein Saalanbau mit Zuschauerraum und Bühnenhaus am entgegengesetzten Ende an. Der bemerkenswert grossvolumige Annex wurde nach dem Brand von 1903 wohl deutlich grösser als zuvor wiederaufgebaut und mit Lisenengliederung und Mansardwalmdächern in Übereinstimmung mit dem Kopfbau völlig neu gestaltet. Durch die Anbauten von 1991/92 sind die beide Längsseiten des Zuschauerraums heute verdeckt, so dass beim Blick von der Luzernerstrasse heute vor allem der Stahl-Glas-Anbau von 1991/92 ins Auge fällt (nicht Bestandteil des Schutzumfangs). Ursprünglich war die zur Strasse gewandte Ostfassade als Schaufront mit sechs Achsen hoher Rundbogenfenster gegliedert, denen auf Traufhöhe jeweils ein halb in das Mansardgeschoss einschneidendes, von der Dachkante umflossenes Ochsenauge antwortete. Die letzte Fensterachse gegen das Bühnenhaus liegt bis heute frei; die Ochsenaugen wurden allerdings auf der ganzen Länge des Gebäudetrakts beseitigt. Eine analoge Gliederung mit Rundbogenfenstern im Erdgeschoss, Einzelfenstern im Obergeschoss und rahmenden Doppellisenen zeigt das Bühnenhaus. Das Scharnier zum Kopfbau bildete ein kleiner eingeschossiger Eingangspavillon, der ein Rundbogenportal und eine geschweifte Dachhaube besass. Die Mansarddächer sind wie beim Kopfbau ebenfalls im unteren Bereich mit Biberschwanz-, im oberen mit Falzziegeln eingedeckt. Die ursprünglich vorhandenen Urnenaufsätze sind beseitigt. Vor dem Saalbau lag ehemals eine Gartenwirtschaft mit schönem Baumbestand. Weitere Anbauten (nicht Bestandteil des Schutzumfangs) mit Nebenräumen und Zufahrt liegen an der westlichen Rückseite des Saalbaus.
Im Inneren des Zuschauerraums ist dem Dach ein Korbbogengewölbe so knapp einbeschrieben, dass die Streben des Dachstuhls mit mächtigen Gipskonsolen verkleidet werden mussten, die in ein dekoratives Gurtensystem überleiten. Dazwischen waren heute übermalte Medaillons angebracht, wie überhaupt anzunehmen ist, dass der Saal ursprünglich dekorativ ausgemalt war (Inneres gemäss Kurzinventar 1992).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung, Erhaltungsziel A.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Gautschi 1985, S. 160-162.
[2] Zum Theatersaal und zur Theatergesellschaft vgl. Gautschi 1985, S. 268-272.
[3] Vgl. Dorftheftli 2015, Nr. 1, S. 42f.; AZ, 23.5.2015.
Literatur:- Dorfheftli. Das offizielle Monatsmagazin für Beinwil am See, 2015, Nr. 1, S. 42f.
- Aargauer Zeitung (AZ), 23.5.2015.
- Peter Steiner et al., Pfarrei Reinach: Kirchenbuchdaten (1549-1820), Häuserfotos (1872-2012). Reinach, Leimbach, Menziken, Burg, Beinwil am See, CD-Rom, Hrsg.: Historische Vereinigung Wynental, 2012 (histor. Ansichten).
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 53.
- Karl Gautschi, Beinwil am See. Das Dorf im Wandel der Zeit, verf. im Auftrag des Gemeinderats Beinwil am See, Beinwil am See [1985], S. 160-162, 268-272, Tf. 12, 25, 32.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=29730
 

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