INV-MUT936 Evangelisch-reformierte Kirche, 1962-1964 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-MUT936
Signatur Archivplan:MUT936
Titel:Evangelisch-reformierte Kirche
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Westen (2023)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Murgenthal
Ortsteil / Weiler / Flurname:Glashütten
Adresse:bei Kirchstrasse
Versicherungs-Nr.:900
Parzellen-Nr.:592
Koordinate E:2630806
Koordinate N:1234275

Chronologie

Entstehungszeitraum:1962 - 1964
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Sakrale Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Kirche (ev.-ref.)

Dokumentation

Autorschaft:Benedikt Huber (1928–2019)
Würdigung:1962–1964 nach Plänen des renommierten Architekten und ETH-Professors Benedikt Huber (1928–2019) errichtete reformierte Kirche im Ortsteil Glashütten. Der im Stil der Nachkriegsmoderne in kubischen Formen gestaltete Baukörper aus weiss gestrichenem Beton unter einem zum Glockenturm hinaufsteigenden Eternit-Dach folgt dem Typus einer diagonal ausgerichteten Quadratkirche mit einem grossen Einheitsraum im Innern. Mit den dominant in Erscheinung tretenden Dachflächen greift die Kirche die auf das Alte Testament zurückgehende Zeltsymbolik auf, die insbesondere in der Kirchenarchitektur der 1950/60er-Jahre präsent war. Die Kirche ist qualitätvoll ausgestattet, wobei die Glasmalereien des neoromanischen Vorgängerbaus von Caspar Joseph Jeuch (1811–1895) und ein Glasgemälde von Gian Casty (1914–1979) besonders erwähnenswert sind.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Im Gebiet der seit 1901 bestehenden politischen Gemeinde Murgenthal wurde 1817 die Kirchgemeinde Riken gegründet, zu der auch Glashütten zählte. Bis 1853 diente das alte Kinderlehrhaus auch als Kirche. Von 1852–1856 wurde nach Plänen des berühmten Badener Architekten Caspar Joseph Jeuch (1811–1895) in Glashütten eine neoromanische Kirche gebaut [1]. 1955 begannen innerhalb der Kirchenpflege Diskussionen über die notwendig gewordene Sanierung der Kirche. Aufgrund der errechneten Kosten für die Sanierung entschied sich die Kirchengemeindeversammlung im Juni 1958 für einen Neubau. Da sich die neoromanische Kirche in der geografischen Mitte der Gemeinde befand und von allen Murgenthaler Ortsteilen gut zu erreichen war, entschied man sich den Standort in Glashütten beizubehalten [2]. Den ausgeschriebenen Wettbewerb gewann 1961 der renommierte Architekt Benedikt Huber (1928–2019) [3]. Nach einem Architekturstudium an der ETH Zürich führte Huber zusammen mit seiner Frau Martha Huber-Villiger ab 1954 ein Architekturbüro in Zürich. Von 1973–1993 war er Professor für Architektur und Städtebau an der ETH Zürich. Sein architektonisches Werk umfasst vor allem Kirchenbauten und soziale Einrichtungen in der Schweiz und in Deutschland [4]. Die Grundsteinlegung seines Kirchenprojektes in Glashütten fand am 28. Oktober 1962 statt; die Einweihung am 12.Juli 1964 [5]. 50 Jahre nach ihrer Einweihung wurde die Kirche 2014 umfassend renoviert [6]. Heute bilden die Kirche in Glashütten, das Pfarrhaus von 1823 (Bauinventarobjekt MUT917) und das Kirchgemeindehaus in Riken von 1974 (Bauinventarobjekt MUT937) die kirchliche Infrastruktur der reformierten Kirchgemeinde Murgenthal.
Beschreibung:Die reformierte Kirche von Murgenthal liegt im Ortsteil Glashütten. Zusammen mit dem nebenstehenden Pfarrhaus von 1823 (Bauinventarobjekt MUT917) bildet sie ein kirchliches Bauensemble. Der Kirchenbau im Stil der Nachkriegsmoderne ist in kubischen Formen gehalten und besteht aus einem Kirchensaal über quadratischem Grundriss und einer sich im Süden anschliessenden Vorhalle über rechteckigem Grundriss. Sowohl in der Fassade als auch im Dach werden die beiden nur funktional unterschiedlichen Bereiche zusammengefasst. Der Glockenturm erhebt sich an der Südwestecke des Kirchensaals und akzentuiert den Chor, der sich im Innern an dieser Stelle befindet. Das Dach steigt von zwei Seiten zum Glockenturm hin an, der Dachgrat verläuft diagonal über dem Kirchenraum zum Turm. Die Fassade und der Glockenturm sind weiss verputzt, der gesamte Dachbereich mit Dachfläche, Giebelfläche und Stirnseiten ist mit braunen Eternitschindeln gedeckt. Zusätzlich ist der Turm im Bereich der Schallöffnungen mit vier schrägen Eternitstreifen belegt. Das aus Leimholzbindern bestehende Dachwerk liegt im Kirchensaal auf einem Sichtbetonringanker, in der Vorhalle auf der Geschossdecke aus Beton auf. Die Dachkonstruktion samt Ringanker ruht im Kirchensaal auf massiven, auskragenden Sichtbetonscheiben, die auf der gemauerten Wand aufliegen. In dieser breiten Fuge zwischen Wand und Dach verläuft ein horizontales Fensterband. Im Untergeschoss springt die Kirchenfassade um einige Zentimeter zurück und wird von schmalen, hochrechteckigen und von Mauerpfeilern getrennten Fenstern unterbrochen. Der Eingang befindet sich neben dem Turm. Die Fassade ist hier im Erdgeschoss zurückversetzt, sodass ein regengeschützter Bereich ausgebildet ist. Neben dem Sichtbetonpfeiler, der das Dach trägt, befindet sich ein Brunnen, der den Kirchenvorplatz ziert.
Durch den Haupteingang gelangt man zuerst in die Vorhalle, über die der Kirchenraum im Norden erschlossen wird. An der Südseite der Vorhalle liegen hinter der Garderobe die Treppen zur Orgelempore und ins Untergeschoss zu den Gruppen- und Nebenräumen. Gegenüber dem Haupteingang führt eine zweite Tür zum sich anschliessenden Friedhof. An dieser Wand sind Fenster mit Glasmalerei-Medaillons eingelassen, die Familienwappen zeigen und aus der neoromanischen Vorgängerkirche stammen.
Der Kirchenraum bildet mit seiner holzverschalten Decke die äussere Dachform nach. Seitlich über der Vorhalle spannt sich die Empore mit einer Orgel von 1964 von Orgelbau Th. Kuhn AG, Männedorf [7]. Der Raum ist durch die Stellung der Kirchenbänke diagonal zur Südwestecke ausgerichtet, wo im unteren Bereich des Turms der Chor liegt. Seitlich ist der Turm durch Glasfugen vom anschliessenden Dach getrennt, die Lichtführung zeichnet somit den liturgischen Bereich zusätzlich aus. Der mit einer Sichtbetonbrüstung abgeschlossene Bereich der Bankreihen ist um zwei Stufen in den Boden eingetieft, womit der Dachraum noch höher wirkt; der Chor hingegen ist um drei Stufen erhöht. Die vertikalen Fensterfugen neben dem Turm, das horizontale Fensterband zwischen Dach und Wand und der helle Steingutbelag am Boden sowie die weiss gestrichene Holzverkleidung des Dachbereichs lassen den Raum insgesamt sehr hell wirken.
Im Chor steht zusätzlich zum Abendmahlstisch und zum Lesepult ein Taufstein, der 1857 für den Vorgängerbau gestiftet wurde. Der reliefierte Eckstein auf der Höhe der Orgelempore ist ein Werk des Bildhauers Peter Meister (1934–1999) und stellt symbolisch Altes und Neues Testament durch Abbildung der Gesetzestafeln und des Kreuzes dar. Die Glasmalerei stammt vom Engadiner Künstler Gian Casty (1914–1979) und trägt den Titel "Sehet die Vögel – sehet die Lilien" nach Matthäus 6,26–28) [8].
Anmerkungen:[1] Zu Joseph Capar Jeuch siehe Edith Hunziker: "Jeuch, Caspar Joseph", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.01.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/019882/2008-01-30/, konsultiert am 21.01.2025. Im Kanton Aargau baute Jeuch zahlreiche Sakralbauten und öffentliche Bauten.
[2] Widmer-Dean 2008, S. 284–311.
[3] Reformierte Kirche in Glashütten, Murgenthal, in: Das Werk, Bd. 48 (1961), S. 9.
[4] Zu Benedikt Huber siehe Isabelle Rucki, Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel 1998, S. 282; Dorothee Huber, Bestandsbeschrieb Benedikt Huber, in: Website gta Archiv / Juli 2023, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/benedikt-huber. Im Aargau hat Huber auch die reformierte Pfarrkirche Mutschellen in Widen von 1968 entworfen (Spezialinventar Sakralbauten ab 1900, SAK-WID001).
[5] Widmer-Dean 2008, S. 311.
[6] Online: https://www.ref-kirchen-ag.ch/kirchen/murgenthal/kirchen-und-baugeschichte, konsultiert am 21.01.2025.
[7] Zur Orgel siehe Orgelbau Kuhn AG, https://www.orgelbau.ch/de/orgel-details/110830.html, konsultiert am 21.01.2025.
[8] Reformierte Kirchen im Aargau, Die Kirche Murgenthal, https://www.ref-kirchen-ag.ch/kirchen/murgenthal,konsultiert am 21.01.2025.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Reformierte Kirche in Glashütten, Murgenthal. In: Das Werk, Bd. 48 (1961), S. 9.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 37.
- Markus Widmer-Dean, Ortsgeschichte Murgenthal, Murgenthal 2008, S. 284–311.
- Reformierte Kirchen im Aargau, Die Kirche Murgenthal, https://www.ref-kirchen-ag.ch/kirchen/murgenthal (konsultiert am 21.01.2025).
Quellen:- Gemeinde Murgenthal Baugesuchsarchiv, Baugesuch Nr. 15 (1962)
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=141647
 

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