INV-LEN955 "Eichturm", 1931-1932 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-LEN955
Signatur Archivplan:LEN955
Titel:"Eichturm"
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Westen (2017)
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Ziegelacker
Adresse:Wylgasse 22
Versicherungs-Nr.:1219
Parzellen-Nr.:2235
Koordinate E:2655814
Koordinate N:1248503

Chronologie

Entstehungszeitraum:1931 - 1932
Grundlage Datierung:Baugesuch

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Konservative Moderne

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2017

Dokumentation

Autorschaft:Friedrich Hess (1887-1962), Architekt, Zürich
Würdigung:1931/32 durch den Architekten Friedrich Hess für Tierarzt Dr. Jean Eich errichtetes Wohnhaus mit Praxisräumen, das durch seine ausgesprochen originelle Gestaltung in traditionalistischen Architekturformen auffällt. Der auf quadratischem Grundriss errichtete und mit einem Pyramidendach abgeschlossene Baukörper erscheint von der Wylgasse als zweigeschossiges Kleinhaus, von der tiefer gelegenen Talsohle des Aabachs hingegen als viergeschossiger Turm, was sich im geläufigen Hausnamen „Eichturm“ spiegelt; die vier Fassaden sind jeweils unterschiedlich in einem geschickten Spiel mit Regelmässigkeiten und Unregelmässigkeiten gestaltet. Es handelt sich um einen der wenigen realisierten Bauten von Friedrich Hess, der durch seine langjährige Lehrtätigkeit an der ETH als einer der bedeutendsten Vertreter der traditionalistischen Richtung in der schweizerischen Architektur der Zwischenkriegszeit gelten kann. Dem äusserlich wie auch im Inneren intakt im bauzeitlichen Zustand erhaltenen Gebäude ist damit ein überaus hoher architekturhistorischer Zeugenwert zuzusprechen. Mit seiner geschickten Ausnutzung des stark ansteigenden Terrains entfaltet es insbesondere zur Talsohle des Aabachs hin zudem einen erheblichen Situationswert.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Gebäude, das mit Bezug auf seinen Bauherren und seine turmartige Gestalt als „Eichturm“ bekannt ist, wurde 1931/32 als Wohnhaus samt Praxisräumen für den Tierarzt Dr. Jean Eich erbaut. Architekt war Friedrich Hess (1887-1962), einer der bedeutendsten Vertreter der traditionalistischen Richtung innerhalb der schweizerischen Architektur der Zwischenkriegszeit. Dieser übte vor allem durch seine langjährige Lehrtätigkeit als ETH-Professor einen breiten Einfluss aus, realisierte selbst aber nur vergleichsweise wenige Bauten [1].
1939 entstand unmittelbar nördlich des Hauses ein hölzernes Gartenhaus [2]. Bis heute hat das Haus keine wesentlichen baulichen Veränderungen erfahren.
Beschreibung:Das im Vorstadtbereich südlich der Altstadt gelegene Gebäude, das als Wohnhaus mit Praxisräumen errichtet wurde, stellt ein ausgesprochen originell gestaltetes Beispiel für die traditionalistische Architektur der Zeit um 1930 dar. Der verputzte Mauerbau erhebt es sich über einem exakt quadratischen Grundriss von vergleichsweise kurzer Seitenlänge und wird von einem steilen Pyramidendach abgeschlossen. In geschickter Ausnützung des Terrains ist er so an den steilen Geländesprung zwischen der erhöht gelegenen Wylgasse und der Talsohle des Aabachs gestellt, dass er von beiden Seiten vollkommen unterschiedlich in Erscheinung tritt: Während die Strassenfront mit Hauseingang, zwei Obergeschossfensterchen und Dachschrägen von 45 Grad sicherlich absichtsvoll als karikaturhaft überzeichnetes Kleinhaus gestaltet ist, handelt es sich von der Talseite her um einen viergeschossigen Turm.
Die jeweils unterschiedlich gestalteten Fassaden sind in einem Spiel von Regelmässigkeit und Unregelmässigkeit mit jeweils zwei, nach Süden mit drei Fensterachsen gegliedert und gleichzeitig durch einzelne Abweichungen gezielt belebt. Sämtliche Lichtöffnungen sind von schmalen Zementgewänden gerahmt und besitzen noch die originalen Verschlüsse mit Einfachverglasung und Vorfenstern sowie die hölzernen Jalousieläden. Die Einzelfenster haben zum überwiegenden Teil quadratische Form, was durch quadratische Sprossung zusätzlich betont wird und in der Geometrie dem ebenfalls quadratischen Grundriss entspricht; hinzu kommen zwei liegende, dreiteilige Rechteckfenster, wie sie für die moderne Architektur um 1930 charakteristisch sind. Die Farbigkeit mit einem graubeigen, glatten Verputz und graugrünen Fensterläden dürfte dem Originalzustand entsprechen oder ihm nahekommen. Das Dach ist wohl schon seit jeher mit Pfannenziegeln gedeckt. Besonders markant tritt der geböschte Kaminaufsatz auf der Spitze des Dachhelms in Erscheinung.
An der nach Osten gerichteten Strassenfront öffnet sich ebenerdig der Hauseingang, der von einer betont schweren und rustikal gestalteten Tür aus liegenden Brettern mit prominent angeordneten Schraubenköpfen verschlossen wird. Daneben sind drei kleine, gewändelose Fensterchen mit sorgfältig gestalteter, horizontaler Vergitterung angeordnet. Neben dem Hauseingang ist auf einem jüngeren Schild der Hausname „Eichturm“ angebracht. Die vom Aabach und vom heutigen Alterszentrum her prominent in Erscheinung tretende viergeschossige Westfassade ist mit zwei auffällig nah an die Gebäudekanten gerückten Fensterachsen gegliedert, während die ansonsten leere Mittelachse im obersten Geschoss als Blickfang einen halbrunden Balkon mit kelchförmig geneigtem Staketengeländer besitzt. Im Kontrast zu den mehrheitlich verwendeten Quadratfenstern verfügt das von der Strasse her ebenerdig zu betretende Wohngeschoss als einziges über etwas grössere, liegende Rechteckfenster. Die talseitige Garage besitzt kleine Rechteckfensterchen mit wiederum horizontal betonter Vergitterung. Die Nordfassade spielt mit dem Niveausprung zwischen den ansonsten identisch gestalteten Fenstern der Wohnräume und jenen des Treppenhauses, neben denen wiederum kleinere Toilettenfensterchen sitzen. Ebenerdig liegt hier talseitig eine Garageneinfahrt. An der dreigeschossigen Südfassade sind die jeweils drei Fensteröffnungen zwischen den Geschossen subtil aus der Achse verschoben. Im ersten Untergeschoss ist hier ebenerdig der frühere Eingang zur Tierarztpraxis angeordnet.
Im Inneren sind die verschiedenen Geschosse mit ihren jeweiligen Nutzungen raumökonomisch geschickt angeordnet und auch gestalterisch eng ineinander verschränkt.
Über der Garage liegen die ebenfalls nur talseitig freiliegenden, von der Seitenfassade zu betretenden ehemaligen Praxisräume. Von der Strassenseite her ebenerdig zu betreten ist das Hauptwohngeschoss; im oberen Wohngeschoss sind schliesslich die Schlafräume angeordnet. Der ursprüngliche Innenausbau ist vollständig intakt erhalten. Vom Vorplatz des strassenseitigen Hauseingangs wird das an der Nordfassade gelegene Treppenhaus erreicht, von dem aus gleichzeitig der Zutritt zur Küche, einem Wohn- sowie einem Musikzimmer erfolgt [4]. Eine steile zweiläufige Treppe mit Richtungswechsel führt in identischer Gestaltung in das untere Praxis- wie auch in das obere Wohngeschoss und stellt damit auch gestalterisch einen deutlichen vertikalen Bezug zwischen den drei Geschossen her. Der Vorplatz ist mit Terrakottaplatten ausgelegt. Das schön gearbeitete Treppengeländer ist vollwandig ausgebildet und an den Richtungswechseln gerundet. Es ist ebenso wie die übrigen Schreinerarbeiten im Treppenhaus und den Gängen in kräftigem Seladongrün gestrichen, was im Wechsel mit dem schwarzen Handlauf, den holzsichtig in Buche und Tannenholz gehaltenen Treppenstufen und dem Plattenboden einen ebenso eigenwilligen wie stimmigen Farbklang ergibt. Das Wohnzimmer besitzt ein gepflegt gestaltetes, von Holzleisten gerahmtes, holzsichtiges Sperrholztäfer und ebenso wie das Musikzimmer einen Eichenriemenboden. Ein kubisch gestalteter, grüner Kachelofen mit Nietenköpfen ergänzt die von Anfang an vorhandene Zentralheizung. Als ein zur Bauzeit modernes Element verbindet eine Schiebetür den Raum mit dem Musikzimmer. Die Küche besitzt einen ockerfarben gesprenkelten Zementplattenboden. Das obere Wohngeschoss, das durch eine zusätzliche Tür nachträglich abgetrennt wurde, besitzt in den Zimmern Weichholzböden und gestrichene Wandschränke, in welche nischenartig die Fensteröffnungen integriert sind. Im Praxisgeschoss sind die Räume beidseits eines mittigen Korridors angeordnet, an dessen Stirn der separate Praxiseingang liegt. Der Gang ist wiederum mit Terrakottaplatten belegt und besitzt als besonderes Gestaltungselement ein in Sichtbackstein aufgemauertes Cheminée, das an der Öffnung mit den Initialen JE und GD für Jean Eich und seine Ehefrau sowie dem Baujahr 1932 versehen ist. In einem der Zimmer ist ein Wandschrank entsprechend zum Obergeschoss eingebaut.
Der wohl gleichzeitig mit dem Haus angelegte Garten ist im Wohngartenstil gestaltet. Südlich vom Haus definieren steinsichtige Bruchsteinmäuerchen auf geschwungenem Verlauf eine Geländeterrasse, über die der Zugang zu den Praxisräumen erfolgte. Auf der Nordseite ist die Zufahrt zur Garage durch Hecken aus Hagenbuche abgegrenzt. An der Zufahrt steht nördlich vom Haus ein 1939 errichteter Schopf, ebenfalls originell gestalteter Schopf. In die gemauerte Stirnseite ist eine kreisrunde Öffnung mit hölzerner Staketenvergitterung eingelassen; darüber schliesst ein Pultdach den Kleinbau ab.
Anmerkungen:[1] Pläne im Baugesuchsarchiv. – Der in Rorschach geborene Friedrich Hess hatte bei German Bestelmeyer in Dresden studiert und gearbeitet, bevor er 1925 an die ETH Zürich berufen wurde. Er realisierte zwar auch einige eigene Bauten; eine grosse Wirkung auf die schweizerische Architektur der Zwischenkriegszeit übte er aber vor allem indirekt durch seine Lehrtätigkeit aus. Er kann als Hauptvertreter der sogenannten „Stuttgarter Schule“ in der Schweiz gelten und pflegte auch noch während des Zweiten Weltkriegs einen nicht ganz unproblematischen – wahrscheinlich als „unpolitisch“ empfundenen – Austausch mit entsprechenden Kreisen in Deutschland. Ausserdem war er erster Bauberater für den Schweizerischen Heimatschutz. Vgl. zur Person Schweizerische Bauzeitung, 80. Jg. (1962), S. 261f.; Werk, 49. Jg. (1962), S. 81*f.; Heimatschutz, 57. Jg. (1962), H. 1, S. 36f. (Nekrologe).
[2] Pläne im Baugesuchsarchiv.
[3] Pläne im Baugesuchsarchiv.
[4] Funktionen gemäss Bauplänen.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Aargauer Heimatschutz AHS / Aargauer Landschaftsarchitekten BSLA, Inventar der Historischen Gärten und Anlagen des Kantons Aargau, Stadt Lenzburg, LEN-G-034
- Inventar Neues Bauen im Kanton Aargau, 502.
Quellen:- Stadt Lenzburg, Baugesuchsarchiv: Baupläne 1931, 1939 (Schopf).
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=132661
 

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