INV-VIM935 Weingasse 101, 1823 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-VIM935
Signatur Archivplan:VIM935
Titel:Weingasse 101
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südwesten (2012)
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Villmergen
Adresse:Weingasse 101
Versicherungs-Nr.:33
Parzellen-Nr.:2628
Koordinate E:2661259
Koordinate N:1243122
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2661259&y=1243122

Chronologie

Entstehungszeitraum:1823
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2012

Dokumentation

Würdigung:In der Art eines bürgerlichen Landsitzes erstelltes Wohnhaus von 1823, dessen Entstehung wohl in Zusammenhang mit der Entwicklung der lokalen Stroh- und Hutgeflechtindustrie zu sehen ist. Das auf freiem Feld an der alten Verbindungsstrasse von Villmergen nach Hilfikon stehende Gebäude hat sein äusseres Erscheinungsbild mitsamt der gepflegten Nahumgebung, die innere Raumstruktur und wesentliche Teile der historischen Ausstattung aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert bewahrt. Die protoindustrielle Nutzung in einem ländlich-bäuerlich geprägten Umfeld verleiht der Liegenschaft einen speziellen lokal- und gewerbegeschichtlichen Zeugenwert.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Entstehung und vielfältige Nutzungsgeschichte des Hauses ist nicht in allen Teilen geklärt. Angeblich wurde das Gebäude 1823 durch die Gebrüder Koch vom ehemaligen Gasthof „Löwen“ in Villmergen (ehem. Bauinventarobjekt VIM912; abgebrochen) als Landsitz und Produktionsstätte für Rosshaargeflechte erbaut. Um 1840 soll hier eine maschinelle Geflechtwerkfabrikation durch Max Landerer-Zwilchenbart aus Basel betrieben worden sein. Im Obergeschoss waren angeblich drei Fabrikationsräume eingerichtet [1].
Auf der Michaeliskarte von 1840 ist das traufständig zur Strasse gestellte Wohnhaus im „Betlisacker“ bereits verzeichnet, begleitet von einem nördlich benachbarten giebelständigen Baukörper, welcher als zugehöriges Ökonomiegebäude zu interpretieren ist. Dieses wurde in der Folge abgebrochen und durch die bestehende Scheune auf der gegenüber liegenden Strassenseite ersetzt.
Später wird das Haus als Landsitz der Witwe Meyer, Fürsprechs, bezeichnet [2]. Um 1950 geht die Liegenschaft an die Familie Keusch über, welche 1985 eine Aussenrenovation vorgenommen hat [3].
Beschreibung:Das leicht zurückversetzt traufständig zur Strasse gestellte Haus ist ein zweigeschossiger Putzbau unter elegantem Halbwalmdach, welches mit Giebelründen und doppelter Biberschwanzeindeckung ausgestattet ist. Beiden Dachflächen sind drei schmale Lukarnen aufgesetzt, was an eine frühere Nutzung des Dachraumes womöglich zu gewerblichen Zwecken denken lässt. Die strassenseitige Eingangsfront zeigt mit drei, die beiden Stirnseiten mit jeweils vier Fensterachsen eine regelmässige Gliederung, während die Hausrückseite mit dem Abortturm, der verschindelten und mit Fenstern besetzten Obergeschosslaube und dem aus der Mittelachse gerückten Hinterausgang eine eher funktionsbetonte Form aufweist. Auf der Vorderseite führt eine zweiläufige Freitreppe mit Eisengeländer zum leicht erhöhten Haupteingang, welcher von einem säulengestützten Walmdächlein beschirmt wird.
Das Innere zeigt ein bei stattlicheren Wohnhäusern verbreitetes Nutzungsmuster mit breitem, quer zum First verlaufendem Mittelgang, der rückwärtig in ein Treppenhaus mit Aufgang ins Obergeschoss und Abgang in die Kellerräume mündet. Beidseits des Gangs schliessen je zwei Räume an, wobei Küchen und Stube die nördliche sowie zwei Wohn- und Schlafräume die südliche Haushälfte einnehmen. Die innere Erschliessung des Obergeschosses erfolgt über einen aus der Mittelachse gerückten Längsgang, welcher die Wohnfläche in einen grösseren strassenseitigen und einen kleineren rückwärtigen Bereich unterteilt.
Die gehobenen Wohnverhältnisse manifestieren sich in der hohen Zahl von vier hellblauen Biedermeier-Kachelöfen aus dem späteren 19. Jh., welche eine nahezu durchgehende Beheizung des Hauses ermöglichten. Die nördliche Hauptstube im Parterre zeigt das in ländlich-bäuerlichen Verhältnissen gängige Prinzip mit Kastenofen und seitlich anschliessender Sitzkunst, welche von der Herdstelle in der rückwärtigen Küche beschickt werden. Demgegenüber weisen die sorgfältig gestalteten, formal auf die Innenwände abgestimmten Gangeinfeuerungen im Parterre und Obergeschoss eher auf eine bürgerliche Bewohnerschaft hin. Ein kleinerer Ofen im Obergeschoss ist als Besonderheit mit einer hübschen Rosettenschnitzerei am hölzernen Fuss geschmückt.
An bauzeitlichen Ausstattungselementen sind nebst den Öfen der Steinplattenboden im unteren Hausgang, die nachträglich mit Beige- und Grüntönen überstrichenen Deckenbalken und Wandtäfer sowie ein mit Intarsien verzierter biedermeierlicher Wandschrank anzuführen. Andere Teile des historischen Interieurs wie Türblätter und Einbauschrank in der Stube, die Hausganggestaltung mit floralen Tapeten und wohl auch die Innentreppe mit kräftigem geschweiftem Antrittspfosten dürften einer Umbauphase im späten 19. Jh. entstammen. In die 1920er Jahre weist eine originell gestaltete Wandnische mit Art Déco-Malereien.
Mit der Räucherkammer auf dem Dachboden und den grosszügig bemessenen Kellerräumen mit Tonnengewölbe sowie Balkendecke sind weitere authentische Ausstattungsteile aus der Bauzeit erhalten.
Als Reminiszenz an die einstige gewerbliche Nutzung ist eine Mitteilung an die Arbeiterschaft überliefert, welche an der Tür eines der drei Fabrikationsräume im Obergeschoss angebracht war: "Es können keine Arbeiter ohne meine Bewilligung eingestellt werden, eben so wenig hat irgend ein Arbeiter das Recht, nach seinem Belieben wegzubleiben und auszutreten, wenn er die Erlaubnis dazu von mir nicht erhalten hat. Da aber dessen ungeachtet schon Arbeiter auf ihre eigene Faust hin ausgeblieben sind, so ist dadurch jedesmal eine Unterbrechung der Arbeit entstanden, welche mir Schaden verursachte, und sehe ich mich veranlasst, jedem bi mir angestellten Arbeiter einen ganzen Wochenlohn zurückzuhalten, um solchen als Schadenersatz für mich zu behalten, wenn der Arbeiter sich erlaubt auszutreten, ohne von mir die Bewilligung dazu erhalten zu haben. Villmergen, den 20. März 1841. M. Landener" [4].
Anmerkungen:[1] Rodel 1957, S. 81-82.
[2] Rodel 1957, S. 82; Brandkatastereintrag von 1900: Meier, Friedensrichter Erben.
[3] Freundliche Mitteilung Armin Keusch, Hauseigentümer (2011).
[4] Rodel 1957, S. 82-83.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- G. Rodel, Aus der Geschichte und Entwicklung der Flechtmachinen, Wohlen 1957.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=118419
 

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