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Wild­tier­korridore

Luftaufnahme des Wildtierkorridors über der Autobahn A1 in Utzensdorf BE.
© Emanuel Ammon / Pro Natura

Hier finden Gemeinden und Planungs­büros die raum­planerischen Grund­lagen des Kantons, die es bei der bevor­stehenden Orts­planungs­revision im Bereich Wild­tier­korridore zu berück­sichtigen gilt.

1. Ausgangslage und strategischer Rahmen

Die heutigen Wandermöglichkeiten von Wildtieren sind gegenüber früher stark eingeschränkt. Vor allem durch den Bau von wichtigen Infrastrukturen wurde das Mittelland in immer kleinere Gebiete zerschnitten. Erschwert wird die Durchgängigkeit für Wildtiere zusätzlich durch Barrieren wie Siedlungen oder hohe Verkehrsaufkommen. Die Isolation von Wildtierpopulationen wird als eine der Hauptursachen für das Artensterben und des Biodiversitätsverlusts angesehen.

Ein funktionsfähiges Vernetzungssystem ist für die wildlebenden Tierarten in unserer Kultur­landschaft daher von existenzieller Bedeutung. Nebst den Kerngebieten mit hohem ökologischen Wert (beispielsweise Schutzgebiete) sind so auch die Vernetzungsgebiete ein wichtiger Teil der ökologischen Infrastruktur. Das Ziel der Wildtierkorridorsanierung ist deshalb der Erhalt und die Schaffung eines durchgängigen Vernetzungssystems sowie die Erschliessung möglichst vieler wertvoller Kernlebensräume im Kanton. Das Vernetzungssystem besteht aus überregionalen Ausbreitungsachsen und den Wildtierkorridoren als deren wichtigste Engstellen. Die kantonalen Ziele sind eingebunden in eine gesamtschweizerische Strategie, in der auf Bundesebene die zu sanierenden nationalen Wildtierkorridore landesweit bezeichnet wurden.

Der Fortbestand der wildlebenden einheimischen Pflanzen- und Tierwelt ist durch die Erhaltung genügend grosser und vernetzter Lebensräume und andere geeignete Massnahmen sicher­zustellen (Art. 18 Abs. 1 Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz [NHG]; Art. 13–15 und 20 Verordnung über den Natur- und Heimatschutz [NHV]; Art. 1 Abs. 1 lit. a Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel [JSG]). Dies soll durch eine angepasste land- und forstwirtschaftliche Nutzung unterstützt werden. Die Lebensräume der ziehenden wildlebenden Säugetiere und Vögel sind zu erhalten. Die Sicherung der Ökosystem­funktionen und der Arten durch Wildtierkorridore ist darüber hinaus auch im Landschaftskonzept Schweiz verankert und integrales Ziel der kantonalen Umweltstrategie umweltAARGAU. Der Kanton sorgt für den Schutz der Wildtiere sowie für die Aufwertung und die Vernetzung der Lebensräume (§ 18 Einführungs­gesetz zum Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel [AJSG]). Kanton und Gemeinden treffen gemäss § 40 Gesetz über Raumentwicklung und Bauwesen (BauG) Massnahmen, um die einheimischen Pflanzen- und Tierarten zu erhalten, ihre Lebensräume zu bewahren, zu fördern und wo nötig neu zu schaffen.

Der Richtplan des Kantons Aargau (Richtplan­kapitel H 5 > Strategien H 5.3 und H 5.4 sowie Richtplan­kapitel L 2.6) sieht vor, dass zum dicht besiedelten Agglomerationsraum regionale Ausgleichsräume geschaffen und der Schutz und die Vernetzung der Lebensräume für Tiere und Pflanzen gefördert werden. Neue Infrastrukturen sollen nach Möglichkeit mit bereits bestehenden gebündelt werden, um die weitere Zerschneidung noch wenig belasteter Landschaftsräume zu vermeiden. Die Wildtierkorridore von nationaler und kantonaler Bedeutung sind als Vernetzungs­korridore im Richtplan festgesetzt und in der Richtplan-Teilkarte L 2.6 dargestellt.

2. Handlungsspielräume für Gemeinden

In der kommunalen Nutzungsplanung sind die im Richtplan festgesetzten Wildtierkorridore, inklusive Warteräume mit besonderem Bedarf bezüglich Habitatqualität und Ruhe, umzusetzen. Dies kann mittels einer die Landwirtschaftszone überlagerten Wildtierkorridorzone, einer Landschaftsschutzzone mit entsprechenden Bestimmungen oder anderen, dem Schutzziel entsprechenden Zonen erfolgen. Die gewählte Zone umfasst den im Grundlagenbericht Wildtier­korridore (Sondernummer Umwelt Aargau Nr. 57, Februar 2023) dargestellten Perimeter. Dieser ist nicht parzellenscharf und es kann in begründeten Fällen, insbesondere aufgrund nachvollziehbarer wildtierbiologischer Argumente, davon abgewichen werden. Die Durchgängigkeit der Wildtierkorridore ist mit geeigneten Bestimmungen in der BNO sicherzustellen.

Sämtliche im kantonalen Richtplan aufgeführten Wildtierkorridore von nationaler und kantonaler Bedeutung sind im Kulturlandplan gemäss dem Grundlagenbericht Wildtierkorridore umzusetzen.

Wildtierkorridore stellen Biotope im Sinne von Art. 18 NHG dar. Die Gemeinden sind verpflichtet, bei raumwirksamen Aufgaben für deren Erhaltung beziehungsweise grösstmögliche Schonung zu sorgen. Lassen sich Beeinträchtigungen nicht vermeiden, findet die Eingriffsregelung nach Art. 18 Abs. 1ter NHG Anwendung. Namentlich müssen Eingriffe, welche die Vernetzungsfunktion der Wildtierkorridore beeinträchtigen, durch ein überwiegendes Interesse gerechtfertigt sein. Die Bedeutung des Wildtierkorridors ist in der Interessenabwägung gebührend zu berücksichtigen. Je höher das Schutzinteresse am Erhalt des Wildtierkorridors ist, desto höher muss das Interesse am Vorhaben sein, das zu einer Beeinträchtigung führt.

3. Planungsinstrumente

Der Grund­lagen­bericht Wildtier­korridore (Sondernummer Umwelt Aargau Nr. 57, Februar 2023) zeigt neben den umzusetzenden Perimetern der einzelnen Wildtierkorridore auch deren Lage im Vernetzungssystem, Massnahmen, vorhandene Barrieren und andere wertvolle Hinweise zum Thema auf. Die räumlich verort­baren Informationen aus dem Grund­lagen­bericht zeigt die Online-Karte Wildtier­korridore im AGIS-Geoportal.

3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO

Wildtierkorridorzone

§ ... Wildtierkorridorzone

¹ Die Wildtierkorridorzone ist der Grundnutzungszone überlagert. Sie dient der Vernetzung von Lebensräumen und bezweckt den Erhalt und die Verbesserung der Wander­möglich­keiten von Wildtieren.

² In der Wildtierkorridorzone ist die Durchgängigkeit für Wildtiere ungeschmälert zu erhalten und bei bestehenden Behinderungen soweit möglich zu verbessern. Lichtimmissionen sind zu vermeiden. Lärmimmissionen sind auf ein Minimum zu beschränken.

³ Bauten und Anlagen sind zulässig, wenn sie auf den Standort in der Wildtierkorridorzone angewiesen sind und die freie Wildwanderung nicht behindern. Insbesondere gilt in Abweichung von § 49 BauV eine Baubewilligungspflicht für permanente Einfriedungen mit Maschendraht, Tiergehege, Stützmauern und weitere Anlagen, die als Barriere für Tier­bewegungen wirken können.

⁴ Im Baugesuch ist die Standortgebundenheit des Vorhabens zu belegen und der Nachweis zu erbringen, dass die Durchgängigkeit der betroffenen Landschaftskammer für Wildtiere gewährleistet bleibt.