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Kantonale Schutzobjekte

Haus Steinmann in Aarburg

Als wichtiger Zeuge der Nachkriegsarchitektur und Frühwerk der bekannten Berner Architektengemeinschaft Atelier 5 wurde das Haus Steinmann in Aarburg jüngst unter Denkmalschutz gestellt. Damit wird erstmals im Aargau ein privates Wohnhaus als Zeuge der Nachkriegsmoderne kantonal geschützt.

Historische Aufnahme Haus Steinmann in Aarburg. © Privatarchiv Eigentümer

Das Haus Steinmann liegt im Süden von Aarburg, inmitten eines beschaulichen Wohnquartiers, das erst nach dem Zweiten Weltkrieg erschlossen wurde. Dort liess sich die Familie Steinmann 1957–1959 auf einem noch unbebauten, grosszügigen Grundstück ein Einfamilienhaus mit freistehendem Garagenbau samt Gartenhalle und Swimmingpool nach Plänen der damals noch jungen Berner Architektengemeinschaft Atelier 5 erbauen. Zur Zeit der Errichtung war es das letzte Haus an der Strasse. Im Laufe der Zeit sind in unmittelbarer Nähe weitere Wohnhäuser dazugekommen.

Heute, sechzig Jahre nach seiner Errichtung, befindet sich das Haus Steinmann bereits im Besitz der dritten Generation der ursprünglichen Bauherrschaft. Das Haus hat sich aufgrund der nur spärlich erfolgten Eingriffe und seiner sorgfältigen Pflege durch die Eigentümer weitestgehend original erhalten, auch wenn es von aussen betrachtet in einen sanften Dornröschenschlaf versunken zu sein scheint. Über und über mit wildem Wein bewachsen, wird man seiner radikal modernen Architektursprache erst auf den zweiten Blick gewahr.

Haus Steinmann, West- und Südfassade, 2018. © Kantonale Denkmalpflege Aargau

Atelier 5

Historische Aufnahme Haus Steinmann, Westfassade mit skulpturaler Aussentreppe. © Privatarchiv Eigentümer

1957 engagierte die Familie Steinmann zur Errichtung ihres neuen Eigenheims die damals aufstrebende Architektengemeinschaft Atelier 5. Unter diesem Label hatten sich erst zwei Jahre zuvor die jungen Architekten Erwin Fritz, Samuel Gerber, Rolf Hesterberg, Hans Hostettler und Alfredo Pini zusammengetan und ihr eigenes Büro für Architektur und Städtebau in Bern gegründet. Vier der fünf waren davor im Büro des Berner Architekten Hans Brechbühler tätig gewesen, der in den 1930er-Jahren ein Mitarbeiter im Atelier von Le Corbusier war. Den fünf Gründern schlossen sich 1956 Niklaus Morgenthaler und 1959 Fritz Thormann an, womit die Gruppe vorerst komplett war.

Die gleichberechtigten Mitglieder des Atelier 5 arbeiteten zu dieser Zeit stets gemeinschaftlich an ihren Projekten, indem sie die Entwürfe zunächst in Kleingruppen entwickelten und dann im Plenum diskutierten. Bewusst verzichteten sie darauf, die jeweils massbeglichen Projektleiter namentlich zu nennen und gaben die Autorschaft sämtlicher Projekte konsequent mit Atelier 5 an.

In ihrer frühen, noch von Le Corbusier beeinflussten Phase entwarf das Atelier 5 neben dem Haus Steinmann mehrere bedeutende Wohnbauten wie etwa das Haus Alder in Rothrist (1957/58), die Reiheneinfamilienhäuser Flamatt I im Kanton Freiburg (1957/58) und das Haus Dorta in Vordemwald (1959/60). Parallel dazu projektierte und erbaute die Architektengemeinschaft zwischen 1955 und 1961 die Siedlung Halen in Herrenschwanden im Kanton Bern, die ihnen den Durchbruch brachte und den Grundstein ihres internationalen Ruhms legte. In die Verwirklichung dieser Siedlung flossen auch die Erfahrungen mit ein, die bei der Realisierung der ersten Wohnhäuser gewonnen worden waren.

Historische Aufnahme Haus Alder in Rothrist. © Archiv Atelier 5

Zeuge der Nachkriegsmoderne

Historische Aufnahme Haus Steinmann, Nord- und Westfassade. Rechts der mit dem Haus durch eine Sichtbetonmauer verbundene Garagenbau. © Privatarchiv Eigentümer

Das Haus Steinmann besteht aus vier Hauptelementen: dem Wohnhaus, dem Garagenbau mit Gartenhalle, dem Swimmingpool und dem grosszügigen Garten. Durch die aufeinander bezogene Setzung der Bauten im Garten, die charakterisierende Materialisierung in Sichtbeton und die konsequente Schnörkellosigkeit entsteht ein harmonisches Gesamtensemble. Die freistehende Garage und das Wohnhaus sind zudem durch eine Sichtbetonmauer baulich verbunden, die den halböffentlichen Vorbereich und den privaten Garten voneinander trennt.

Historische Aufnahme Haus Steinmann, Südfassade. Links die an die Garage angebaute Gartenhalle. © Privatarchiv Eigentümer

Das zweigeschossige Einfamilienhaus selbst zeigt sich als kubischer Baukörper mit Flachdach. Es umfasst ein Kellergeschoss, ein Erdgeschoss mit Küche und Wohnzimmer, ein erstes Obergeschoss mit Schlaf- und Kinderzimmern sowie eine lediglich über die ans Gebäude angefügte markante Aussentreppe zugängliche, teils überdachte Dachterrasse. Die vier Sichtbetonfassaden sind jeweils mit verschieden dimensionierten Fenster- und Türöffnungen unterschiedlich gestaltet und widerspiegeln die innere Organisation des Hauses. Dieses orientiert sich mit seiner nördlichen Schmalseite zur Strasse und wird von Westen her erschlossen. Die Strassenfront verleiht dem Haus einen wuchtigen, von Sichtbeton bestimmten Auftritt. Erzeugt wird dieser imposante Eindruck einerseits durch die spärliche Befensterung, andererseits durch die Dachterrasse, die in diesem Bereich raumhoch gefasst ist, wodurch das Haus dreigeschossig wirkt. Auf der dem Garten zugewandten Westfassade konzentrieren sich die Erschliessungselemente. Nördlich der Gartenmauer liegt der Hauseingang mit auskragendem Sichtbetonvordach, südlich der Mauer befinden sich zwei Gartenausgänge. Das kennzeichnende Element der Gartenfassade bildet die skulptural gestaltete Aussentreppe, die auch vom ersten Stockwerk aus über ein Podest mit auskragendem Sichtbetonvordach zugänglich ist und dort einen Richtungswechsel vornimmt. Die südliche Schmalseite ist niedriger als ihr nördlicher Gegenpart. Sie ist durch Fenster unterschiedlicher Formate und Grössen gegliedert und selbst die Brüstungsmauer der Dachterrasse ist hier punktuell mit einer Metallbrüstung transparent gestaltet. Auf der Ostfassade ist das aus der Fassade hervorspringende Blumenfenster augenfällig, welches man als Pendant zu der vor der Fassadenflucht stehenden Aussentreppe auf der Westseite als skulpturales Element lesen kann.

Haus Steinmann, Ost- und Nordfassade, 2018. © Kantonale Denkmalpflege Aargau

Kantonale Unterschutzstellung

Das Haus Steinmann mit seinen Nebenbauten ist ein architektonisch sehr qualitätvolles und aufgrund seines hervorragenden Erhaltungszustandes besonders zeugenhaftes Beispiel der Nachkriegsarchitektur. Mit dem konsequenten Einsatz von Sichtbeton (béton brut) am gesamten Bauensemble sowie mit der Gestaltung des Wohnhauses, dessen Dach als fünfte Fassade ausgebildet ist, reflektiert es aktuelle Tendenzen und zitiert Vorbilder wie Le Corbusier. Es ist darüber hinaus ein bedeutender verwirklichter Entwurf im Frühwerk der heute international bekannten Berner Architektengemeinschaft Atelier 5 und steht im Kontext zum Haus Alder in Rothrist und zur Siedlung Halen in Herrenschwanden.

Auf Antrag des Eigentümers wurde im vergangenen Jahr die kantonale Schutzwürdigkeit des Hauses Steinmann geprüft und bestätigt. Nun ist mit ihm ein wichtiges Wohnhaus in privatem Besitz als charakteristischer Zeuge der Nachkriegsmoderne kantonal geschützt.