St. Johannes Evangelist in Döttingen
Die 1961 geweihte Kirche St. Johannes Evangelist ist zu ihrer Bauzeit wegen ihres markanten, frei stehenden Glockenturms kontrovers diskutiert worden. 2017 wurde sie als wichtiges Zeugnis des Kirchenbaus der Nachkriegszeit integral unter kantonalen Schutz gestellt.
Wer von Würenlingen oder Tegerfelden nach Koblenz fährt, kennt ihn, den markanten Glockenturm der röm.-kath. Pfarrkirche St. Johannes Evangelist in Döttingen mit dem in Eichenholz-Lamellen gekleideten Glockengeschoss. Als "avantgardistische Kirche" bezeichnete der Architekturkritiker Peter Meyer denn auch den Sakralbau 1969 in seinem Buch "Schweizerische Stilkunde". Er stellte St. Johannes Evangelist neben so bedeutende Bauten wie die Kollegiumskirche Sarnen und die Kirche Saatlen in Zürich-Schwammendingen, um zu zeigen, wie im "Bestreben, sich als modern auszuweisen […] alle Konfessionen im Bau sensationeller Kirchen und Kirchtürme" miteinander wetteifern.
Ein moderner Sakralbau
In der Nachkriegszeit entstanden zahlreiche baukünstlerisch anspruchsvolle Kirchenbauten. Bedeutete 1954 der Bau der Wallfahrtskapelle Notre-Dame in Ronchamp (Frankreich) nach Plänen des Schweizer Architekten Le Corbusier einen architektonischen Aufbruch, so brachte für die römisch-katholische Kirche das zweite vatikanische Konzil (1962-65) zudem eine kirchliche Reform, die sich z.B. mit dem Volksaltar auch baulich niederschlagen sollte.
Die 1961 geweihte Kirche St. Johannes Evangelist widerspiegelt seinerzeit aktuelle Diskussionen im Sakralbau. Der eigentliche Kirchenraum unter einem asymmetrischen Satteldach ist als Einheitsraum ausgebildet. Ihm ist ein freistehender Glockenturm beigestellt. Ist solch ein "Campanile" in Italien oft anzutreffen, sind freistehende Glockentürme im Aargau charakteristisch für Kirchenbauten der Nachkriegszeit. Aber auch zu zeitlosen Themen des Kirchenbaus leistet St. Johannes Evangelist einen wertvollen architektonischen Beitrag, so z.B. mit der subtilen Lichtführung, die durch den Wechsel von hermetisch geschlossenen Mauerzügen und wandhohen Fensterpartien erreicht wird.
Kunst und Kirche
Die liturgische Ausstattung ist jeweils ein wichtiges Element in Kirchen und hier von grosser Qualität. Sie schufen die Bildhauer Paul Speck, Zürich, und Pierino Selmoni, Bellinzona. Von Paul Speck stammen der Altar aus hellem Castione-Marmor und die Entwürfe für Tabernakel, Kerzenstöcke und Vortragskreuz. Der Taufstein aus Bodio-Granit von Pierino Selmoni mit ursprünglich ständig fliessendem Wasser ist als eigentlicher Brunnen aufgefasst. Sorgsam in den Raum eingefügt ist auch die Orgel auf der Sängerempore. Die Einheit von Kunst und Architektur war dem Architekten ein grosses Anliegen.
Der Architekt Hermann Baur
Der Architekt von St. Johannes Evangelist ist kein Unbekannter. Der Basler Hermann Baur (1894–1980) war nach einer Hochbauzeichnerlehre in Olten bei Rudolf Linder Gasthörer bei den Professoren Karl Moser und Hans Bernoulli an der ETH Zürich. Er eröffnete 1927 ein eigenes Büro in Basel, war aktiv im privaten Wohnungsbau, verwirklichte mit der Schulanlage Bruderholz (1934) und der Kunstgewerbeschule (1961) in Basel wegweisende Schulbauten und avancierte mit mehr als 25 ausgeführten Sakralbauten zu einem renommierten Kirchenbauer.
- DSI-DTT003 Chilbert 24, Röm.-kath. Pfarrkirche St. Johannes Evangelist, 1960-1961(öffnet in einem neuen Fenster)
- Anke Köth,"Kirche zwischen Feier und Alltag. Christlicher Sakralbau im 20. Jahrhunderts im Aargau, Teil 2: ab 1950", in: Argovia 2012, S. 8-44.(öffnet in einem neuen Fenster)
- Eintrag zu Hermann Baur im Historischen Lexikon der Schweiz(öffnet in einem neuen Fenster)