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Bauberatung

Das neue "Zentrum Hinterer Wasen" in Laufenburg

Der 2009 vom Basler Architekturbüro Stump & Schibli Architekten gewonnene Studienauftrag "Zentrum Hinterer Wasen" hatte zum Ziel, das bestehende "Alte Grundbuchamt" zu erhalten und die direkt anschliessenden maroden Nebengebäude durch zeitgenössische Architektur zu ersetzen. Im historischen Umfeld sollte ein möglichst funktionsoffenes Gesamtbauwerk entstehen, das dem Anspruch der baulichen Verdichtung wie auch einer höheren Nutzbarkeit Rechnung trägt.

Ansicht von Westen nach Fertigstellung. © Kantonale Denkmalpflege Aargau (Tom Bisig).

Der Ende 2017 vom Gemeindeverband Oberes Fricktal bezogene Gebäudekomplex des "Alten Grundbuchamts" in Laufenburg hatte seit dem durchgeführten Studienauftrag von 2009 bis zu seiner Fertigstellung einige Hürden zu bewältigen.

Die Frage einer zukünftigen Nutzung war mit ausschlaggebend, dass das Laufenburger Stimmvolk Ende 2013 mit grossem Mehr für einen Projektierungskredit stimmte, mit dem das Projekt konkretisiert und den neuen Gegebenheiten angepasst werden konnte.

Ende 2014 konnte der Laufenburger Stadtrat dem Souverän einen Baukredit über 5 Millionen Franken zur Abstimmung vorlegen, der ebenfalls deutlich angenommen wurde. Neben der Zustimmung zum oberirdischen Bauprojekt "Zentrum Hinterer Wasen" wurde zudem der Antrag für eine unterirdische Heizzentrale des Wärmeverbunds Altstadt unter dem geplanten Neubau gutgeheissen. Die unterzeichnete Absichtserklärung des Gemeindeverbandes, die neue Liegenschaft nach Fertigstellung mindestens zehn Jahre zu mieten, war mitverantwortlich für eine positive Entwicklung des in die Jahre gekommenen historischen Ensembles.

Vorzustand Hinterer Wasen von Westen, 2014. © Kantonale Denkmalpflege Aargau.

Wesentliche Änderungen zum ursprünglichen Studienprojekt waren die gefaltete Dachlandschaft des Neubaus, der unterirdische Raumbedarf für die Heizzentrale sowie die Nutzbarmachung des ursprünglich nicht ausgebauten Dachraums des Alten Grundbuchamts. Neben dem qualitätsvollen Neubauvorschlag mit gestockter Sichtbetonfassade war die geplante Büronutzung prädestiniert, um die Eingriffe im historischen Baubestand denkmalverträglich zu gestalten. Das "Alte Grundbuchamt" wurde auf Antrag der Stadt Laufenburg durch den Aargauer Regierungsrat 2016 unter kantonalen Denkmalschutz gestellt.

Zur Bau- und Nutzungsgeschichte

Vorzustand Wandmalerei, 2011. © Kantonale Denkmalpflege Aargau.

Das Gebiet des Hinteren Wasen mit der sogenannten Wasenvorstadt entstand als südwestliche Stadterweiterung bereits im 13. Jahrhundert. Der Flurnamen "Wasen" bezeichnete freies Grasland, das aber dann, von einer vom Wasentor zum Rhein hin geschlossenen Stadtmauer befestigt, bebaut wurde.

Das "Alte Grundbuchamt" wurde 1834 von der städtischen Armenpflege ursprünglich als zweigeschossiges Armenhaus erstellt. Es wurde an das bis 1924 bestehende nördliche Wohnhaus giebelseitig angebaut (Reste dieses ursprünglichen (An-)Baus aus dem 18. Jahrhundert sind an der nördlichen Giebelfassade des Alten Grundbuchamts noch ablesbar). Das im Zuge des Bauprojektes 2016 abgebrochene Spritzenhaus mit Tröckneturm entsprach dem ursprünglichen Erdgeschoss dieses nördlichen Wohnhauses.

Das Alte Grundbuchamt vor der Restaurierung, 2011. © Kantonale Denkmalpflege Aargau.

Bis 1866 blieb das Gebäude vornehmlich Städtisches Armenhaus, auch wenn die Gemeinde bereits 1836 zur Gründung einer Bezirksschule darin zwei Schulzimmer einrichten liess. Aufgrund gewachsener Platzansprüche diente das ursprüngliche Armenhaus nun vollständig bis 1910 als Primar- und Bezirksschule. Ab 1912 wurde es zum Grundbuchamt umfunktioniert (bis 1979) und ab 1921 der städtische Kindergarten zusätzlich einquartiert (bis 1946). 1924 erfolgte eine umfassende Renovation bei der das Gebäude die bis 2016 bestehende Aussengestaltung mit grobem Putz, plastischen Gliederungselementen und zusätzlichen Fensteröffnungen erhielt. Im Innern wurden die Grundrissaufteilungen den jeweiligen Bedürfnissen der Nutzer laufend angepasst. Ab 1932 stellte man der Mundharmonika-Fabrik Fahrni im Grundbuchamt vorübergehend einige Räume als Werkstatt zur Verfügung.

Bis zum Bauprojekt "Zentrum Hinterer Wasen" 2016 waren zudem das Rathausprovisorium (1992/93), ein Brockenhaus, die Ludothek, der Mittagstisch, die Jungwacht und der Blauring im "Alten Grundbuchamt" einquartiert.

Das Bauprojekt "Altbau"

Nach der Restaurierung im Bereich des ehemaligen Eingangs. © Kantonale Denkmalpflege Aargau (Tom Bisig).

Auch wenn das Alte Grundbuchamt in den letzten Jahren äusserlich einen eher trostlosen Anblick bot, so war doch die Grundstruktur des tragenden Bruchsteinmauerwerks des 180-jährigen Gebäudes so gut erhalten, dass auf massive bauliche Eingriffe verzichtet werden konnte. Der Einbau eines Personenlifts im nördlichen Bereich des Erschliessungsgangs, direkt an der Nordfassade und mit neuem Zugang zum Neubau, bildet den wesentlichen Eingriff in die Grundstruktur des Bestandes. Aufgrund der getätigten Eingriffe und Umbauten der letzten 150 Jahre war der Zustand der tragenden Holzbalkendecken teilweise derart stark verändert worden, dass statische Nachbesserungsmassnahmen nötig wurden. Die direkt im Erdreich liegenden Balkenlagen des Erdgeschossbodens – das Gebäude ist nicht unterkellert – wurden durch Betonböden ersetzt. Ebenso musste im Zuge des Dachausbaus, der zur besseren Belichtung vier neue östliche Schlepp-Lukarnen und zwei neue westliche Lamellenfenster erhielt, der bestehende Dachstuhl repariert und statisch verbessert werden. Die teilweise originale Sparrenlage musste bis auf wenige Ausnahmen ersetzt werden. Der Einbau einer neuen Treppe ins Dachgeschoss erfolgte aufgrund der Erschliessung des bisher unausgebauten Dachraums.

Aussenansicht Neubau, links Altbau mit drei der vier neuen östlichen Schlepp-Lukarnen. © Kantonale Denkmalpflege Aargau (Tom Bisig).

Der teilweise hohl liegende grobe Aussenverputz der Fassaden von 1924 musste gesamthaft rückgebaut werden. Zum Erstaunen aller hatte sich darunter der ursprüngliche glatte Kalkverputz teilweise inklusive Kalkfarbanstrich bestens erhalten. Der neue Aussenverputz wurde wieder in traditioneller Kalktechnik aufgetragen und mit Kalkfarbe gestrichen. Die Natursteinbauteile der gegliederten Fassaden und Fensteröffnungen wurden restauriert und die nicht bauzeitliche Befensterung in Holz gesamthaft ersetzt.

Innenansicht Neubau. © Kantonale Denkmalpflege Aargau (Tom Bisig).

Die ursprüngliche Grundrisskonzeption mit zentralem firstparallelem Erschliessungsgang und beidseits anschliessenden stützenfreien Räumen war prädestiniert für eine zukünftige Büronutzung. Unabhängig von der statischen Konstruktion können die einzelnen Trennwände beliebig platziert oder verschoben werden. Von der einstigen Nutzung als Armenhaus zeugen in den beiden südlichen Erdgeschoss-Räumlichkeiten – es handelte sich damals vermutlich um Kleinwohnungen für die Bedürftigen – die beiden noch bestehenden Kaminrelikte. Ebenso konnten bei diesen Räumen im Bereich des ehemaligen Eingangs die letzten bauzeitlichen Holztüren erhalten und restauriert werden. Der Natursteinboden des Erschliessungsgangs im Erdgeschoss wurde ebenfalls restauriert und im nördlichen Bereich mit neuen Natursteinplatten ergänzt. Im Obergeschoss musste der bestehende Steinholzboden im Bereich des Mittelgangs ersetzt werden. Die mehrheitlich noch bestehenden Holzparkettböden der einzelnen Zimmer wurden repariert und schadhafte Stellen ausgetauscht, ebenso die noch vorhanden bauzeitlichen hölzernen Knietäfer.

Restaurierter Aufenthaltsraum mit Scherenschnitt-Malerei. © Kantonale Denkmalpflege Aargau (Tom Bisig).

Der neue Innenausbau des Altbaus – im Besonderen die Architekturoberflächen der Wände der beiden Erschliessungsgänge und des Aufenthaltsraums – wurde mit historischen Handwerkstechniken neu gestaltet. Aufgrund von ortsansässigen Handwerkern, die diese historischen Techniken noch akkurat beherrschen, konnten die Oberflächen mit sogenannten Rupfen bespannt und mit reiner Ölfarbe gestrichen werden.

Als besonderes Unikum im Kanton Aargau konnte der aus den 1920er-Jahren stammende Scherenschnittfries des ehemaligen Kindergartens im Erdgeschoss erhalten werden. Dieser wurde konserviert, restauriert und bildet im neuen Aufenthaltsraum ein authentisches Zeugnis einer vormaligen Nutzung.