Hauptmenü

Freiwilligenprogramm

Die Schellenbrücke bei Küttigen

Dieser Beitrag wurde im Kontext des Fokusthemas 2023 "Stadt-Land-Fluss" erarbeitet. Die Brücke ist heute bedeutungslos. Hinter dem Namen verbirgt sich aber eine spannende Geschichte...

© Kanton Aargau, Foto: Bernhard Bill
© Kriminalmuseum Zürich
© Bundesamt für Landestopografie

Die Schellenbrücke (auch: Schällebrugg) bei Küttigen wurde zwischen etwa 1805 bis 1810 im Rahmen des Baus der neuen Staffeleggstrasse sehr wahrscheinlich nach den Plänen von Kantonsbaumeister Johannes Schneider erbaut. Je nach Quelle variiert der Baubeginn zwischen 1804 bis 1806. Die Baukosten der Staffeleggstrasse (inklusive der Brücke) betrugen 176'540 Franken, 3 Batzen und 7 Rappen. Das stellte damals eine hohe Summe dar – eine mutige Investition des noch sehr jungen Kantons, und eine hervorragende Arbeit des Kleinen Rats (später: Regierungsrat), um den Grossen Rat von der Notwendigkeit dieses Projekts zu überzeugen!

Die steinerne Bogenbrücke mit sehr sauberem Steinschnitt und gut gestalteter Form der Brüstungen überquert nördlich von Küttigen kurz vor der Asperchlus den Horenbach. Heute präsentiert sie sich wie auf Bild 1 gezeigt, wenn man beim nordwestlichen Brückenkopf ins Bachbett steigt.

Von 1823 bis 1923 fuhr eine regelmässige Pferdepost von Aarau über die Schellenbrücke nach Stein, danach das Postauto bis Frick. Von 1912–1919 wurde der Linienverlauf korrigiert (Anpassung an den Autoverkehr; Bau eines Dammes anstelle der Schellenbrücke sowie der neuen Stockstrasse im Rombach). Eine weitere Zurückstufung erfuhr die Brücke, als der Höhenmesspunkt 476 des Schweizerischen Landesnivellements am nordwestlichen Brückenkopf etwa 1954 aufgehoben wurde. Ende der 1990er Jahre wurde die Brücke asphaltiert, da sie als Zufahrt zu einer Baustelle diente. Im Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS) wird die Schellenbrücke als Vorzeigeobjekt erwähnt.

Die Brücke ist heute bedeutungslos. Die über sie führende alte Staffeleggstrasse ist mit einem Fahrverbot für Motorfahrzeuge belegt. Sie ist Teil des Geo-Wanderwegs Küttigen-Staffelegg. Etwas nördlich der Brücke befindet sich eine Informationstafel, welche die Geologie im unmittelbar benachbarten Steinbruch "Flüehli" beschreibt. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass eine geologische Schicht nach dieser Brücke benannt ist (Schellenbrücke-Schicht).

Schallenwerk

Der Name der Brücke ist auf die an ihrem Bau eingesetzten Männer zurückzuführen. Die Schellenbrücke gilt im Aargau als letztes bekanntes Zeugnis aus der Epoche der Kettenstrafe, bei welcher die Gefangenen an den Füssen angekettet waren und Arbeiten ausserhalb des Gefängnisses verrichten mussten. Diese Art der Bestrafung war schon im alten Aargau bekannt gewesen. 1615 führte Bern das Schallenwerk ein, ein Zuchthaus, in dem die Gefangenen an Ketten gefesselt schwere Arbeiten verrichten mussten. Damit sie öffentlich als Verbrecher stigmatisiert waren, erhielten sie um den Hals einen Eisenring mit einer Schelle gehängt, ähnlich den Aussätzigen des Mittelalters. Bild 2 zeigt ein solches Schandgerät.

Zeitzeugen verschwinden

Beim Bau der Schellenbrücke kamen Sträflinge aus dem Zuchthaus Baden zum Einsatz. Zu ihrer Unterbringung wurde das Schellenhaus gebaut, welches sich etwa 250 Meter südöstlich von der Baustelle befand. Das Schellenhaus wurde etwa 1913 abgerissen; allein die Ortsbezeichnung Schellenhaus blieb noch bis etwa 1930 bestehen. Bild 3 zeigt die Situation der Schellenbrücke und des Schellenhauses auf der Siegfriedkarte von etwa 1878. Auf der Dufourkarte von 1844 findet man wohl den Ausdruck "Schellenhaus", hingegen ist die Zuordnung zu einem Gebäude schwierig bis unmöglich, weil die Schrift viel zu gross war.

Literatur als Bewahrerin

Der Aargauer Schriftsteller Paul Haller war von 1906 bis 1910 als reformierter Pfarrer in Küttigen tätig. Wohl in dieser Zeit hat er das Gedicht "de Nussbaum a dr Schällebrugg" verfasst, welches 1922 posthum im Band "Gedichte" veröffentlicht wurde. Das aus sechs Strophen bestehende Gedicht stellt verschiedene Aspekte des Lebens und der menschlichen Erfahrung dar, indem es verschiedene Personen und Ereignisse in den Mittelpunkt stellt, die sich unter dem Nussbaum abspielen.

Paul Hallers Gedicht bewahrt den Begriff der Schellenbrücke. Andere Hinweise auf das Bauwerk sind im Schwinden begriffen, können aber durch Recherchearbeit aus den Archiven hervorgeholt werden.

Autor: Bernhard Bill, Freiwilliger von Bibliothek und Archiv Aargau