Lesetipps aus dem Freiwilligenprogramm
Jeden Monat stellen engagierte Leserinnen und Leser aus dem Freiwilligenprogramm von Bibliothek und Archiv Aargau ihre Lieblingsbücher vor.
Im Foyer finden Sie neu einen Tisch mit persönlichen Lesetipps zu Büchern aus der Kantonsbibliothek – ausgewählt und empfohlen von engagierten Leserinnen und Lesern aus dem Freiwilligenprogramm von Bibliothek und Archiv Aargau. Lassen Sie sich inspirieren und entdecken Sie neue Lektüre mit einer ganz persönlichen Note. Alle Titel aus dem Freiwilligenprogramm haben wir auch online in swisscovery für Sie zusammengestellt.
Lesetipps im Oktober
Maxim Biller: Mama Odessa
Wie kann man sich nach Odessa zurücksehnen, wo viel Leid geschehen ist, und in Deutschland, dem Land der Täter, leben? Eine jüdische Familie versucht, diese Frage auf tragikomische Art zu beantworten.
Martina Clavadetscher: Die Schrecken der Anderen
Subtil beginnen die einzelnen Geschichten der Protagonisten und Protagonistinnen, bis sie immer mehr ineinander verwoben werden und die vergessenen Fäden sichtbar werden. Der Roman wird zu einer Geschichte, die jedem Menschen seine eigene sein könnte. Solange niemand aus dem Schrecken der Anderen lernt. Ein aufrüttelnder Appell an jeden Einzelnen, ein "Must" für alle, die gerne lesen. Dieser Roman ist eine Wucht!
Meinrad Inglin: Der Schweizerspiegel
Eindrücklich beschreibt Meinrad Inglin anhand der Zürcher Familie Ammann wie beim nahenden Ersten Weltkrieg die bürgerliche Welt ins Wanken gerät. Gesellschaftliche Normen und Tradition werden hinterfragt, Brüche entstehen. Ein vielseitiges Kaleidoskop der Schweiz zu dieser Zeit, mit eindrücklichen Schilderungen des Aktivdienstes an der Grenze, vorab im Jura, und dem Generalstreik 1918. Ein fasst hundertjähriger Roman, dessen Schilderungen der damaligen Polarisierung und gesellschaftlichen Verschiebungen Parallelen aufweisen zur heutigen Situation.
Usama Al Shamani: In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied
Gadi, Dozent für hebräische Geschichte in Zürich, erzählt die Lebensgeschichte seines Vaters und erfüllt dessen Wunsch, nach dem Tod seine Asche je zur Hälfte in Israel und im Irak, im Tigris zu verstreuen. Während der Reise nach Bagdad liest Gadi die Aufzeichnungen seines Vaters, und erfährt ein Stück irakischer Geschichte untrennbar verbunden mit dem Nahostkonflikt, der kolonialen Vergangenheit Europas bin hin zum Nationalsozialismus - im Irak! Wer dieses Buch liest, gibt es bis zum Schluss nicht aus den Händen.
Andre Gide: Die Schule der Frauen
In drei fiktiven Tagebüchern einer französischen Familie werden die Verwerfungen untereinander sichtbar. Erzählt wird jeweils aus der Perspektive der Personen zur Jahrhundertwende. Die Ehefrau und die Tochter emanzipieren sich immer mehr vom subtil aufgebauten Machtgefüge des Ehemanns und Vaters, das von der bürgerlichen Gesellschaft gestützt wird. Es kommt zu einem unausweichlichen Eklat. Gide versteht es meisterlich, die seelischen Vorgänge der jeweiligen Personen aufzuzeigen. Der Gatte/Vater kommt dabei eher schlecht weg. Eine Geschichte, die in ihrer Aktualität kaum eingebüsst hat. Der Autor ist auf der Höhe seiner Erzählkunst.
Fang Fang: Blume Vollmond
Blume Vollmond, die Protagonistin, sitzt im Spielsalon, dem Spiel "Mah-Jongg" verfallen. Sie verpasst dabei den Beginn des Bürgerkriegs und die Flucht ihrer wohlhabenden Familie aus der Stadt nach Taiwan. Mittellos von der Familie des Dieners aufgenommen, erlebt sie das Gefühl von Arm sein während der chinesischen Revolution. Ein wenig erinnert mich das Buch an "24 Stunden im Leben einer Frau" von Stefan Zweig.
Melara Mvogdobo: Grossmütter
Zwei Grossmütter, eine aus einer armen Bauernfamilie in der Schweiz, die andere aus einer wohlhabenden Familie in Kamerun. Beide heiraten, werden ein Leben lang enttäuscht und gedemütigt, bis bei beiden eine grosse Wut über die unhaltbaren Zustände entsteht. Doch erst dank ihren Enkelinnen beginnen sie sich zu wehren, was einerseits für die beiden Männer tragisch endet, andererseits aber die beiden Frauen befreit. Eine bewegende Entwicklungs-Geschichte in einer ganz knappen Sprache. Geschichte und Sprache machte mich betroffen.
Nelio Biedermann: Làzàr
Ein packender Roman einer ungarischen Adelsfamilie über mehrere Generationen im 20. Jahrhundert! Der Autor beschreibt, in einer «barock anmutender» Sprache, das Schicksal dieser Familie. Die Geschichte ist genial aufgebaut, witzig, manchmal realistisch, dann wieder skurril, zerstörend und aufbauend zugleich. Ein Lesevergnügen, wie ich es schon lange nicht mehr erlebte.
Lesetipps der vergangenen Monate
August
Fabio Andina: Sechzehn Monate
Andina, der Enkel von Giuseppe Vaglio, entdeckt dessen Tagebuch aus dem KZ Mauthausen. Da bis jetzt alle, Familie und Freunde, geschwiegen haben, geht Andina auf Spurensuche und findet Antworten auf die Geschehnisse in Cremenaga, dem kleinen italienischen Dorf nahe der Schweizergrenze. Geschrieben in einer Sprache, in die man eintaucht und erst wieder auftaucht, wenn das Buch zu Ende ist.
Fabio Andina: Sechzehn Monate
Andina, der Enkel von Giuseppe Vaglio, entdeckt dessen Tagebuch aus dem KZ Mauthausen. Da bis jetzt alle, Familie und Freunde, geschwiegen haben, geht Andina auf Spurensuche und findet Antworten auf die Geschehnisse in Cremenaga, dem kleinen italienischen Dorf nahe der Schweizergrenze. Geschrieben in einer Sprache, in die man eintaucht und erst wieder auftaucht, wenn das Buch zu Ende ist.
Han Kang: Unmöglicher Abschied
Han Kang ist Nobelpreisträgerin für Literatur 2024. Der "Unmögliche Abschied" erzählt von zwei Freundinnen in Korea. Inseon ruft ihre Freundin Gyeohngha zu sich ins Spital in Seoul. Sie hatte einen Unfall und kann ihren Vogel bei sich auf der Insel Jeju nicht füttern. Als Gyeongha auf der Insel ankommt, bricht ein Schneesturm los, sodass sie das einsame Haus ihrer Freundin fast nicht erreicht. Nach und nach erfährt Gyeongha von Koreas Geschichte und der Familie ihrer Freundin. Ein eindrücklicher Roman über die Zeit des Koreakriegs.
Joseph Conrad: Herz der Finsternis
Weltliteratur, die man gelesen haben muss! Ansonsten nochmals nachlesen. Ein Eindringen der Wirklichkeit in die Unwirklichkeit. Moral versus Amoral. Die Zivilisation auf dünnem Eis gebaut. Erzählung im kolonialen Umfeld. Ein eindrückliches Schauspiel menschlichen Verhaltens!
Christoph Hein: Das Narrenschiff
Drei intellektuell unterschiedliche Protagonisten sind die Hauptakteure in diesem Roman, der die Geschichte der DDR von der Staatsgründung bis zum Mauerfall erzählt. Packend, interessant und informativ geschrieben! Ein Pageturner schlechthin.
Jan Haft: Unsere Wälder
Jan Haft beschreibt eindrücklich von unseren Wäldern, wie sie "ursprünglich" waren, als es bei uns beispielsweise noch Elefanten und Wildpferde gab, und wie die Artenvielfalt durch Weidewälder wieder verbessert werden kann. Das Buch ist eine Vertiefung seines gleichnamigen Films (der auf YouTube zu sehen ist).
Behzad Karim Khani: Als wir Schwäne waren
Ein Junge, der mit seinen Eltern aus dem Iran ins Ruhrgebiet floh. Die Mutter Soziologin, der Vater Schriftsteller. Ein aufrüttelnder Roman über die Diaspora als Heimat, über die Freiheit des Fremdseins – und über die Wahrheit der Schwäne. Lesenswert bis zur letzten Seite.
Kerstin Schweighöfer: 100 Jahre Leben
Kerstin Schweighöfer hat für dieses Buch zehn Hundertjährige getroffen. Eine Künstlerin, eine Bäuerin, ein Priester – aus Cannes, München, Jena oder London. Sie erzählen von ihrem langen Leben, was eine gute Freundschaft, Beziehung oder Ehe ausmacht, oder wie umgehen mit Verlust und Schmerz?
Juli
Martin Mosebach: Die Richtige
Wer den Schriftsteller Thomas Mann schätzt, wird sich im Roman aufgehoben fühlen. Eine wunderbare, schaurige Geschichte!
Garrett Carr: Der Junge aus dem Meer
In einem kleinen nordirischen Dorf wird ein Baby am Strand gefunden. Es wird von einem Fischer und seiner Frau adoptiert und "Brendan" getauft. Ein ganz berührender Roman zu Themen wie Familie, dem Zusammenhalt des Dorfs und dem harten Leben der Fischer. Alles wird auf die Probe gestellt.
Judith Keller: Wilde Manöver
Sind Sie bereit für einen Roadtrip von zwei weiblichen Bonnie und Clyde, die sich surreal und fast gewaltlos durch Zürich bewegen? Poetische Träume und skurrile Begegnungen begleiten die beiden.
Elisa Hoven: Dunkle Momente
Als Professorin für Strafrecht schreibt Elisa Hoven packend beklemmende Rechtsfälle aus der Praxis. Das ist weit entfernt von trockener Juristerei. Recht ist nicht gleich Gerechtigkeit!
Neige Sinno: Triste tigre
Comment raconter l'indicible, le tabou ultime ? Neige Sinno rapporte les viols incestueux qu'elle a subis de la part de son beau-père, entre ses 7 et 14 ans. Mêler récit autobiographique à de nombreuses références littéraires, à la fois des témoignages d'autres victimes, issues de fictions ou encore sous le spectre des sciences humaines, ouvre la voie à des réflexions insoutenables mais pourtant nécessaires sur le traitement collectif des violences sexuelles, en particulier envers les mineurs et dans le cadre familial.
Petra Holler: Irre viel zu tun... Aufschieberitis, Prüfungsangst & Co.
Wer kennt das nicht?
Raymond Chandler: Der grosse Schlaf
Ein Klassiker der Hardboiled novels. Ein rasanter Krimi im Dschungel der Grossstadt!
Flurin Jecker: Santa Tereza
Luchs hat eine kognitive Beeinträchtigung und arbeitet auf dem Friedhof, wo er Teresa, ein dreizehnjähriges Mädchen kennenlernt. Sie bringt ihm das Gitarrenspielen bei und es entsteht eine "feine" Freundschaft. Dank dieser Freundschaft merkt Luchs, dass er einmal "richtig gelebt" hat und er kehrt zurück nach Santa Tereza, dem Ort seiner Träume. Ein ruhiges und dennoch aufregendes Buch.
Juni
Jessica Anthony: Es geht mir gut
Die 30-jährige Kathleen steigt an einem warmen Sonntagmorgen im November in den Pool. Sie will erst wieder aus dem Wasser kommen, wenn sie ihr Verhältnis zu ihrem Ehemann Virgil geklärt hat. Im Laufe des Tags bröckelt nun auch die Fassade von Virgils schöner Welt immer mehr. Ein tiefgründiges, witziges Buch über ein Ehepaar in den 1950er Jahren in den USA, das sich schon längst nicht mehr ganz treu ist. Ein grosser amerikanischer Roman auf 156 Seiten.
Percival Everett: James
Der Klassiker der amerikanischen Literatur Huckleberry Finn von Mark Twain neu erzählt aus der Sicht des Sklaven James. Eindrücklich schildert Everett, was es konkret heisst, ein Sklave zu sein.
Dagmar Schifferli: Auch Fische können ertrinken
Die 59-jährige Katharina, obwohl Ärztin, kann sich selber nicht helfen. Ihr Atem bringt sie ins Stocken und ihr Leben gerät aus den Fugen. Sie reist in die Berge, wo sie – im doppelten Sinn – wieder Tritt fasst. Mich hat der Roman sehr berührt. Einerseits ist er subtil geschrieben und andererseits weiss ich nun, warum Fische auch ertrinken können.
Ricarda Messner: Wo der Name wohnt
Berlin, eine Strasse, zwei Hausnummern – 36 und 37, Enkelin und Grossmutter wohnten jahrelang nebeneinander. Die Geschichte beginnt mit der Enkelin, welche die Wohnung ihrer Grossmutter räumt. Nebst Erinnerungsstücken, wie Besteck oder Töpfe, möchte die junge Frau auch ihren Familiennamen "Levitanus" bewahren – und diesen auch wieder annehmen. Die Autorin zeichnet das Leben von vier Generationen nach, vom sowjetischen Lettland bis nach Deutschland. Ein sehr einfühlsamer, grossartiger Debütroman von Ricarda Messner.
Melara Mvogdobo: Grossmütter
Zwei Grossmütter, eine aus einer armen Bauernfamilie in der Schweiz, die andere aus einer wohlhabenden Familie in Kamerun. Beide heiraten, werden ein Leben lang enttäuscht und gedemütigt, bis bei beiden eine grosse Wut über die unhaltbaren Zustände entsteht. Doch erst dank ihren Enkelinnen beginnen sie sich zu wehren, was einerseits für die beiden Männer tragisch endet, andererseits aber die beiden Frauen befreit. Eine bewegende Entwicklungs-Geschichte in einer ganz knappen Sprache. Geschichte und Sprache machten mich betroffen.