Das Sigristenhaus von Boswil – ein Bauernhaus wird zum Haus der Musik
Das ehemalige Sigristenhaus an der Bachstrasse in Boswil wurde ca. um das Jahr 1700 als Vielzweckbauernhaus erstellt und bis heute mehrmals und teilweise stark umgebaut sowie erweitert. Bei der aktuellen Restaurierung erfährt es eine Umnutzung zum "Haus der Musik".
Das Gebäude in direkter Nachbarschaft zur Alten Kirche von Boswil diente von Anfang an der Wohnnutzung sowie der Landwirtschaft und Viehhaltung. Die 2018/2019 erfolgte bauarchäologische Untersuchung ergab für die ursprüngliche hölzerne Kernkonstruktion 1697/98 und 1698/99 als Fälldaten für die in den Winterhalbjahren geschlagenen Bauhölzer.
Ursprünglich als sog. Firstständerbau konzipiert, hatte dieser "Hochstud" ein allseitig strohgedecktes Walmdach, welches nach diversen Um- und Anbauten 1876 zu einem ziegelgedeckten Giebeldach umgewandelt wurde.
Das Sigristenhaus besteht aus einem südlichen zweistöckigen Wohntrakt in Bohlen-Ständerbauweise und einem anschliessenden Tenn mit Stall als Hochstudkonstruktion sowie einem später angefügten Stall. Es steht an einer leichten Hangkante und wurde erst im Verlauf seiner Baugeschichte teilweise unterkellert.
Spätestens im 19. Jh. wurde das Gebäude stark verändert und vergrössert. Sowohl der bereits erwähnte spätere nördliche Stall mit neuer Dachstuhlkonstruktion, der Wohntrakt mit mehreren Schlafräumen in den Obergeschossen und angebauten Kammern, wie auch die nachträglichen Unterkellerungen unter dem Ökonomieteil verweisen in diese Zeit.
Die heutige Bauherrin, die Stiftung Künstlerhaus Boswil, wurde 1953 von Willy Hans Rösch und Albert Rajsek gegründet um für betagte und mittellose Künstler im ehemaligen Pfarrhaus ein Heim zu schaffen. Bis 2011 wohnte und arbeitete der Glasmaler Albert Rajsek selbst im Sigristenhaus. Auch er nahm diverse Um-, Ein- und Anbauten am Sigristenhaus vor.
Seit 1979 steht das ehemalige Sigristenhaus von Boswil integral unter kantonalem Denkmalschutz.
Das Umbauprojekt zum "Haus der Musik" entstand 2014 aus einem Studienauftrag unter 5 eingeladenen Architekturbüros. Das Büro Gian Salis Architektur GmbH aus Zürich konnte dieses Konkurrenzverfahren mit einem überzeugenden Umbau- und Umnutzungskonzept für sich entscheiden. Das ortskundige Architekturbüro von Gian Salis konnte bereits das neue Foyer der Alten Kirche in direkter Nachbarschaft zur Ausführung bringen.
Das von der Kantonalen Denkmalpflege Aargau begleitete Wettbewerbsprojekt konnte gemeinsam mit Architekt und Fachplanern zum jetzigen Bauprojekt weiterentwickelt werden, wobei die technischen Anforderungen an ein "Haus der Musik" durchaus als anspruchsvoll zu bezeichnen sind.
Im ehemaligen Bauernhaus werden nach Vollendung der Bauarbeiten im Dachgeschoss zwei verschieden grosse Proberäume zur Verfügung stehen. Im Obergeschoss befinden sich 6 Gästezimmer mit Nasszellen. Im Erdgeschoss werden Rezeption, Büros, Sitzungszimmer, Archiv sowie Werkstatt und Lager untergebracht werden. Im Untergeschoss befinden sich die Technikräume, Waschküche und Lager. Durch das neue Erschliessungskonzept und den Rückbau neuerer Ein- und Umbauten der letzten Jahrzehnte, wird über das ehemalige Tenn mit neuer Treppe und Warenlift die alte rauchschwarze Hochstudkonstruktion wieder bis unters Dach sichtbar gemacht. Wo möglich soll die alte Substanz erhalten und erlebbar gemacht werden und zusammen mit den neuen Bauteilen zu einem harmonischen Ganzen verwachsen.
Der sehr zurückhaltende Umgang mit dem historischen Bestand der Konstruktion, der Fassaden, Oberflächen, Fenstern und der inneren Raumstruktur sowie die gezielten neuen architektonischen Eingriffe mit den notwendigen technischen Anforderungen, ergeben ein überzeugendes Gesamtbild, das den Charakter des ehemaligen einfachen Holzhauses bewahrt.
Die Arbeiten werden im Frühjahr 2021 abgeschlossen sein.