INV-BES917 Gässli 2, 1824 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BES917
Signatur Archivplan:BES917
Titel:Gässli 2
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Beinwil am See
Ortsteil / Weiler / Flurname:Vorstatt
Hist. Name Objekt:Unteres Zollhaus
Adresse:Gässli 2
Versicherungs-Nr.:98
Parzellen-Nr.:951
Koordinate E:2658079
Koordinate N:1235152
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2658079&y=1235152

Chronologie

Entstehungszeitraum:1824
Grundlage Datierung:Inschrift (Kachelofen)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus

Dokumentation

Inschriften:"1824" (Ofenfuss Stube EG)
Würdigung:Wohl 1824 errichtetes Wohnhaus, das nach seiner früheren Funktion als „unteres Zollhaus“ bekannt ist. Der giebelbetonte verputzte Mauerbau, der unter einem ungeknickten Gehrschilddach mit rekonstruierter Giebelverschalung liegt, verfügt an beiden Traufseiten über hölzerne Ökonomieanbauten unter Schleppdach, was dem Gebäude eine ungewöhnliche Erscheinung verleiht. Diese verweist auf die spezielle Nutzungskonstellation mit seeseitig angebauter Weintrotte und umgekehrt nur kleinformatig dimensioniertem Tenn und bildet damit ein Zeugnis für den einstigen Weinbau im Seetal. Das äusserlich weitgehend intakte Gebäude bewahrt auch im Inneren wertvolle Teile der historischen Ausstattung, darunter einen grünen Kachelofen mit Sitzkunst aus dem vermutlichen Entstehungsjahr 1824. An der Kreuzung der Luzernerstrasse mit dem älteren Strassenzug Gässli-Feldstrasse gelegen, kommt dem Gebäude zudem erheblicher Situationswert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:In Beinwil am See sind zwei Häuser erhalten, die bis zur Abschaffung der Binnenzölle mit der Bundesstaatsgründung von 1848 als Zollstationen dienten [1]. Von 1735 datiert das ältere, „obere“ Zollhaus (Bauinventarobjekt BES918) am Kreuzungspunkt zwischen der alten Landstrasse Birrwil-Beinwil-Mosen (Sandstrasse) und dem Beinwiler Kirchweg (Krienzstrasse-Feldstrasse). Später erforderte der Ausbau und die regere Nutzung der Strecke Plattenstrasse-Schöntalstrasse-Büel die Einrichtung einer zweiten, „unteren“ Zollstation (vgl. Michaeliskarte in der Bilddokumentation). Diese brachte man in dem hier beschriebenen Gebäude unter. Dieses wurde gemäss einer Jahrzahl am Kachelofen wohl im Jahr 1824 erbaut, was als Entstehungszeit auch durch die Bauformen des Hauses und die Höhe der ursprünglichen Versicherungsnummer gestützt wird. Im ersten verfügbaren Brandkatastereintrag von 1829 wird es als „Wohnhaus mit wenig Bescheuerung und angehängtem Schopf von Stein und Holz, zwei Stock hoch, mit gewölbtem Keller und Ziegeldach, nebst einer Weinpresse“ beschrieben und befand sich im Besitz des Hans Rudolf Eichenberger [2]. Der später separat vermerkte Trottenanbau beherbergte einen eichenen Trottbaum; er war ursprünglich mit einem Strohdach versehen und wurde erst 1893 auf Ziegel umgedeckt.
Eine Renovation des Hauses fand nach wohl in der Zeit um 1920/30 statt, aus der Fenster und andere Bauteile stammen. 1989/90 erfolgte ein schonender Umbau des alten Wohnhauses, wobei der alte Treppenaufgang aus der Küche aufgegeben und stattdessen ein neuer Zugang ins Obergeschoss im ehemaligen Tenn an der westlichen Traufseite geschaffen wurde. 1991/92 wurde der seeseitige Schopfanbau nach Befund originalgetreu rekonstruiert und gleichzeitig in Anlehnung an eine vermutete frühere Situation eine verbretterte Flugpfettenkonstruktion geschaffen [3]. 2016 versah man den ehemaligen Schopf mit einem Lukarnenaufbau.
Beschreibung:Das „untere Zollhaus“ markierte zu seiner Entstehungszeit den südlichen Rand des Dorfkerns von Beinwil. Mit der Giebelfront wendet es sich zum steil ansteigenden „Gässli“, das zu seiner Entstehungszeit die untere Landstrasse Richtung Mosen und Luzern bildete und sich an dieser Stelle wiederum in zwei Routen verzweigte; erst nachträglich kam das Gebäude in etwas abgesenkter Lage an die neu angelegte Luzernerstrasse zu liegen (vgl. Michaeliskarte in der Bilddokumentation). Es handelt sich um einen giebelbetonten zweigeschossigen Mauerbau unter einem geraden Gerschilddach. Die ründenartig verschalte und auf Bügen aufruhende Flugsparrenkonstruktion, die ebenso wie die zierförmig ausgesägten Ortbretter beim Umbau 1991/92 in Anlehnung an einen hypothetischen Ursprungszustand rekonstruiert wurden, geben dem Bau eine bernische Note (vgl. Zustand vor der Renovation 1991/92 in der Bilddokumentation). An beiden Traufseiten ist das Dach über unterschiedlich breite, hölzerne Schopfanbauten herabgeschleppt, von denen der bergseitige als kleinräumiges Tenn diente und noch eine alte vertikale Verbretterung besitzt. Der talseitige, der in seinem heutigen Bestand einer Rekonstruktion von 1991/92 entspricht, muss die im Brandkataster erwähnte Trotte beherbergt haben. Die Ausrichtung auf den Weinbau erklärt wohl auch das Fehlen eines Ökonomietrakts in den üblichen Dimensionen.
Das im Grundriss nahezu quadratische Wohnhaus ruht auf einem mächtigen Mauersockel mit talseitigem Gewölbekeller, der an der nördlichen Stirnseite von aussen her frontal zugänglich ist. Die ca. 60 cm starken Mauern des Erdgeschosses und des Obergeschosses sind aus Kalk- und Sandbruchsteinen sowie aus Flusskieseln gefügt und mehrfach verputzt worden. Darin sitzen an beiden Stirnseiten eichene Fenstergerichte mit kräftig profilierten, lippenförmigen Simsen, wobei die drei Fensterachsen an der Nordseite leicht unregelmässig verteilt sind. Die Giebelfelder, von denen das nordseitige ebenfalls verputzt ist, sind in Fachwerk ausgeführt. Der Hauseingang liegt mittig an der nördlichen Stirnseite und wird über eine doppelläufige Muschelkalktreppe erreicht. Das einfache gefelderte Türblatt, das rautenförmig gestaltete Eisengeländer und einige noch erhaltene, ältere Fenster mit liegender Sprossenteilung und Espagnoletteverschlüssen stammen wohl vom selben Umbau in der Zeit um 1920/30. Das Dach ist mit alten Biberschwanzziegeln eingedeckt. Der seeseitige Schleppdachanbau besitzt seit 2016 einen grossformatigen Lukarnenaufbau. Vom selben Umbau stammt die talseitige Stützkonstruktion aus übermässig auffälligen, grossen Steinblöcken.
Der Hauseingang an der nördlichen Giebelseite öffnet sich direkt auf die Küche, von wo aus ursprünglich eine Stiege ins Obergeschoss führte. Die Stube und eine Nebenstube liegen auf der Südseite, eine Schlafkammer neben der Küche. Beide Geschosse bewahren noch einen bemerkenswert grossen Anteil der ursprünglichen Ausstattung wie ungestrichene Sichtbalkendecken und Wandtäfer (stehendes Brettertäfer mit profilierten Deckleisten), Tannenriemenböden, Brettertüren mit aufgedoppelten Füllungsfriesen und originalen Beschlägen. Im Erdgeschoss ist zudem ein grüner Kachelofen mit Sitzkunst aus dem Jahr 1824 erhalten (Jahrzahl am Ofenfuss). Ebenfalls aus dem 19.Jh. stammen die grüne Sitzkunst in der Stube des Obergeschosses sowie die Eisenöfen in beiden Küchen. Teile des Wandtäfers (vor allem im Obergeschoss) dürften um 1900 erneuert worden sein. Beim Umbau von 1989/90 wurde die Erschliessung des Obergeschosses in den bergseitigen Schopfanbau verlegt, der auf beiden Geschossen auch die Badezimmereinbauten aufnimmt. Bei der Dachkonstruktion handelt es sich um ein Rafendach mit liegendem Stuhl und Kniestock (Inneres gemäss Kurzinventar 1992).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Gautschi 1985, S. 186.
[2] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0067, Bezirksamt Kulm, Brandkataster Gemeinde Beinwil am See, 1829-1850; CA.0001/0220-0223, Brandkataster Gemeinde Beinwil am See, 1850-1938. Bis 1829 wurden Versicherungsnummern bis zur Zahl 142 vergeben, während das hier beschriebene Haus die Nr. 132 trug.
[3] Häfliger Holzbau Reinach, Zimmermann Martin Hoffmann (Pläne im Kurzinventar 1992; freundl. Hinweis der Eigentümer, 1992).
Literatur:- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 53.
- Karl Gautschi, Beinwil am See. Das Dorf im Wandel der Zeit, verf. im Auftrag des Gemeinderats Beinwil am See, Beinwil am See [1985], S. 186.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05/0067, Bezirksamt Kulm, Brandkataster Gemeinde Beinwil am See, 1829-1850; CA.0001/0220-0223, Brandkataster Gemeinde Beinwil am See, 1850-1938.
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=29814
 

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