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Bauberatung

Aussenrestaurierung der Stiftskirche in Rheinfelden

Nach einer 1980 abgeschlossenen, umfassenden Restaurierung der St. Martinskirche in Rheinfelden drängten sich jetzt nach 40 Jahren verschiedene Renovationsmassnahmen an der Gebäudehülle auf. Bei der nun erfolgten Aussenrestaurierung konnten die historischen Oberflächen erhalten und geschützt werden.

Restaurierte Stiftskirche St. Martin in Rheinfelden.
Restaurierte Stiftskirche St. Martin in Rheinfelden. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Chris Leemann.
Restaurierte Stiftskirche St. Martin in Rheinfelden, Vorzeichen mit Stuckdecke.
Restaurierte Stiftskirche St. Martin in Rheinfelden, Vorzeichen mit Stuckdecke. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Chris Leemann.

Die Entstehungsgeschichte der Kirche St. Martin lässt sich in sechs Bauphasen unterteilen. Die erste geht auf die Mitte des 11. Jahrhunderts zurück und ist nur in den Fundamenten nachweisbar. Danach wurden diverse Annexbauten angefügt. In der vierten Bauphase um 1220-1235 gestaltete man sie als spätrömische Pfeilerbasilika um. Im 14. Jahrhundert erfolgte ein einheitlich geplanter Neubau der Kirche, dem die Dachwerke und das gesamte Mauerwerk zum Opfer fielen. Einzig der Triumphbogen in der Nähe der Chorschranke und Teile des Chors blieben erhalten. Kurz vor und nach der Wende zum 17. Jahrhundert erfuhr die Kirche eine Vielzahl von signifikanten Veränderungen, die mehrheitlich mit den Reformbeschlüssen des Trienter Konzils in Zusammenhang standen: Altarplätze wurden beseitigt, der Hochaltar ersetzt, neue Räume kamen hinzu. Barockisiert und im Erscheinungsbild vereinheitlicht wurde die Kirche in den Jahren von 1769-1772. Dabei wurde die heute den Kirchenraum prägende, prachtvolle Stuckverkleidung angebracht. In den zwei Jahrhunderten nach dem napoleonischen Umsturz erlebte die Kirche kaum noch schöpferische Eingriffe; das Baugeschehen beschränkte sich im Wesentlichen auf Sanierungen.

Vorgängige Restaurierungen

Als eine der letzten grossen Sakralbauten des Kantons Aargau wurde die St. Martinskirche gegen Ende des 20. Jahrhunderts nach modernen Methoden und unter Aufsicht der Eidgenössischen und Kantonalen Denkmalpflege restauriert. Von 1979-1980 erfolgte die Aussenrestaurierung, von 1986-1992 fand eine Innenrestaurierung statt. 40 Jahre nach der letzten Aussenrestaurierung drängten sich 2021 verschiedene Restaurierungsmassnahmen an der Gebäudehülle auf. Projektziel war, die historischen Oberflächen zu erhalten und zu schützen. Fehlstellen bei den Natursteinarbeiten, wie Fenster- Türgewänden und Schallöffnungen wurden repariert und bei Bedarf reprofiliert.

Die Restaurierung von ganz nah

Die aktuelle Restaurierung hat der Präsident der Baukommission, Chris Leemann, in zahlreichen Aufnahmen und Videos festgehalten, die LeVol AG zu einer Videodokumentation zusammengefügt hat.

Aussenrestaurierung der Stiftskirche Rheinfelden 2021

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Fassaden

Bei der 2021 erfolgten Aussenrestaurierung der Stiftskirche St. Martin in Rheinfelden wurden die schadhaften Fassadenverputzflächen am Kirchenschiff und Turm wurden zum Teil erneuert, so vor allem im Sockelbereich (Spritzwasserhöhe). Dabei wurden auch Risse an den Fassaden mit Sumpfkalk verfüllt, anschliessend geschlämmt und mit einer mineralischen Farbe gebürstet. Bei den Natursteinarbeiten, wie z.B. Gewände und Gurtbänder aus rotem Sandstein wurden versandete Stellen reprofiliert. Anschliessend wurden sie wieder mit Mineralfarbe gestrichen, basierend auf dem Bestand.

Dach und Turm

Die Dachbalken sind aufgrund von eintretendem Wasser dunkel verfärbt. © Kantonale Denkmalpflege Aargau.

Nachdem erneut im nördlichen Seitenschiff im Anschlussbereich ein Wasserschaden im Innern der Kirche aufgetreten war, erhielten die beiden Seitenschiffdächer ein Unterdach und neue Spenglerabschlüsse, um so künftig Wasserschäden im Innern der Kirche vorzubeugen. Bei der Kontrolle des Gebälks stellte man sowohl anhand der zahlreichen Reparaturen an der Tragkonstruktion des Holzwerks als auch anhand von provisorischen Schutzmassnahmen fest, dass in den letzten Jahrzehnten diverse Wassereintritte stattgefunden haben mussten. Für die geschützte Fledermauskolonie im Estrich aus der Familie der Grossen Mausohren wurde das Unterdach in einem ausgewählten Bereich fledermausgerecht gestaltet.

Turm nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Chris Leemann.

Bei der Kontrolle der Dachhaut wurde festgestellt, dass die Ziegel über das gesamte Dach sehr brüchig und stark mit Moos überzogen waren. Dieser Moosbefall begünstigte die Feuchtigkeitsaufnahme der Ziegel sehr stark. Besonders bei Frost bestand die Gefahr, dass noch mehr Ziegel brechen könnten. Die Dächer mussten dazu komplett umgedeckt werden. Für die Neudeckung wurden soweit möglich bestehende Biberschwanzziegel verwendet. Kaputte wurden durch neue, farblich angepasste Biberschwanzziegel ersetzt. Auf den Dächern der Seitenschiffe ergab sich eine Stückzahl von 15'950 Ziegel, rund 74% der alten Ziegel konnten wiederverwendet werden.

Die Spenglerarbeiten mit dem Blitzschutz wurden kontrolliert und bei Bedarf erneuert oder angepasst. Die Zifferblätter mit Zeigern und der Turmschmuck wurden von einer spezialisierten Firma restauriert und wie bestehend neu blattvergoldet.

Neueindecken des Daches. © Kantonale Denkmalpflege Aargau.

Fensterbekrönungen

Abplatzungen der Ecken, Abwitterung und Schalenbildung in der barocken Grisaillemalerei über den Fenstern. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Ina Link.

Die fensterbekrönenden Malereien im Stil einer spätbarocken Grisaillemalerei gehen auf die Barockisierung der Stadtkirche zurück. Sie wurden auf die ehemals spitzgiebligen gotischen Fenster aufgemalt. Die barocken Malereien sind zum Teil noch im Original erhalten, im Bereich der äusseren Einfassungen wurden sie jedoch bei diversen Renovationen stark überarbeitet oder gingen teilweise verloren.

Auch wenn die Malereien grösstenteils intakt und lesbar waren, kam es jedoch bei vorangegangenen Restaurierungen zu Fehlinterpretationen in der Formensprache. Bei der aktuellen Restaurierung stellte die Restauratorin Ina Link kleinere Abplatzungen und Schadstellen sowie diverse kleine Risse, Hohlstellen und Witterungsabrieb fest. Auch der rote, regionale Sandstein, der als Malgrund dient, war stellenweise beschädigt und abgeplatzt. Im Restaurierungsbericht weist die Restauratorin darauf hin, dass unter den Malereien, die sich stellenweise über den gotischen Fenstern befinden durch Abklopfen noch das ursprünglich vorhandene, mit Putz verfüllte, gotische Masswerk der Fenster erahnt werden kann.

Restaurierte Grisaillemalerei, innerhalb des Fenstergewändes ist ein zweiter Profilrahmen erkennbar, der gotische Spitzbogen. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Ina Link.

Die Malereien wurden zuerst mit Staubbesen abgestaubt und anschliessend mit Granulatschwämmen trocken gereinigt, partiell wurde leicht chemisch-feucht nachgearbeitet. Dann wurde der Sandsteinuntergrund durch die spröden Malereien hindurch mit Kieselsäureesther getränkt. Anschliessend entschied man sich für eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Festigungsart: Nach fünf Wochen Standzeit wurden die Malereien mit heissem Leinölfirnis eingelassen und abfrottiert. Leinöl ist ein historischer Anstrichstoff, der lange Zeit elastisch und gut überarbeitbar bleibt. Er durchdringt alle Schichten bis zum Untergrund und verklebt und bindet sie. Er platzt nicht schichtenweise ab, wie man es von modernen Bindemitteln kennt. Dieses Verfahren wurde schon an zahlreichen historischen Steinbauten erprobt und erfolgreich angewandt. Die danach folgenden Retuschen und Ergänzungen der Malerei konnten anschliessend mit Künstlerölfarben aufgetragen werden.

Stuckdecke im Vorzeichen

Abgelaugte Stuckdecke im Vorzeichen der Stiftskirche, Detail des Vorzustands. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Ina Link.

Die Stuckdecke im Vorzeichen ist in Anlehnung an die Farbigkeit im Kircheninnern in den Farbtönen grau, rosa und malachitgrün gefasst. Die Stuckaturen waren verschmutzt und von Spinnweben überzogen. Es wurden nur wenige Risse und Abplatzungen der Gipsverzierungen festgestellt.

Stuckdecke im Vorzeichen der Stiftskirche, Detail des fertigen Zustands 2021. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Ina Link.

Die Stuckaturen wurden bei der früheren Restaurierung mit Dispersionsfarbe gestrichen. Da diese die Oberfläche zu sehr verschliesst und Abplatzungen die Folge sind, entschied man sich bei der aktuellen Restaurierung dafür, die Dispersionsfarbe abzulaugen und den Stuck mit Emulsionsfarbe zu grundieren. Die Farbtöne stimmte man auf das Innere der Kirche ab. Die Stuckkartuschen wurden mit malachitgrüner Lasur gefasst, die Stuckprofile in einem hellen Grauton gestrichen. (Franziska Schmid-Schärer)