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Podcast Riesi

Die Entdeckung

Aufgeschlagene Seite eines alten Tagebuchs mit einer schwarz-weiss Fotografie eines Ausgräbers.

Es ist Ostermontag im Jahr 1923. Ein Posthalter aus Seengen führt auf einer Halbinsel im Hallwilersee Bohrungen durch. Er ist auf der Suche nach menschlichen Spuren...

In diesem warmen Sommer steht das Wasser im Hallwilersee so tief wie schon lange nicht mehr. Dadurch wird die folgende Grabung erst möglich, die im Anschluss an die Bohrungen des Posthalters Hauri organisiert wird. Gefunden hat er nämlich Holzkohle, Tierknochen und verzierte Topfscherben − unzweifelhaft Überreste von Menschen aus vergangener Zeit.

Überreste von sogenannten Pfahlbauten kamen schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an vielen Schweizer Seen zum Vorschein. Das löste ein regelrechtes Pfahlbaufieber aus, das nicht nur Antiquitätenjäger auf den Plan brachte, sondern auch zahlreiche Forscher. Die Grabung auf der Halbinsel Riesi leitet nun ein Forscher namens Reinhold Bosch, ein junger Bezirksschullehrer aus Seengen. In seinem Tagebuch hält er akribisch die Fortschritte der Ausgrabung fest, lässt uns darüber hinaus auch an Frust und Freude teilhaben.

Die Tagebücher sind Zeitdokumente aus der Geschichte der Schweizer Archäologie. Was sie uns heute noch ermöglichen, was in den 1920er-Jahren anders war als heute und was es mit den Pfahlbauten auf sich hat, beleuchtet diese erste Episode.

Aufgeschlagene erste Seite eines handschriftlichen Tagebuches.
Viele dunkelbraune und schwarze Keramikscherben übereinander.
Ein Keramikspinnwirtel liegt auf einer aufgeschlagenen Tagebuchseite neben einer Tuschzeichnung eines Spinnwirtels.

Die Protagonisten

  1. Reinhold Bosch (1887−1973)
  2. Arnold Hauri (1871−1944)

Über den Schreiber der Tagebücher

Die beiden Ausgrabungstagebücher von Reinhold Bosch aus den Jahren 1923 und 1924 über die "Moorbaute Riesi" umfassen rund 200 Seiten. Sie enthalten neben den handschriftlichen Aufzeichnungen von Bosch auch Skizzen, Fotos, Briefe sowie Zeitungsartikel.

Bosch schreibt von Hand, das Schriftbild ist harmonisch, klar und schnörkellos. Bosch erweist sich als routinierter und präziser Beschreiber. Neutral und nüchtern berichtet er über die Grabung, über Funde und Vermutungen – distanziert, so wie man das von einem Wissenschaftler erwartet. Dass Bosch die Ausgrabung leitet, steht an keiner Stelle, erschliesst sich nur indirekt aus dem Text.

Die erste Seite des Tagebuches "D" von April bis Mai 1923.

Über den Menschen Reinhold Bosch verraten die Tagebücher wenig. Der Ich-Erzähler hält sich zurück. Es geht ihm um die Ausgrabung, nicht um den Ausgrabenden. Wer genau liest, erfährt immerhin, dass Bosch im Brotberuf wohl Lehrer sein muss. So schreibt er über den 17. September 1923: "Wir gruben den ganzen Tag (ich war frei wegen der Kantonalkonferenz)."

Warum Bezirkslehrer Bosch meinte, sich für den freien Montag rechtfertigen zu müssen, kann nur vermutet werden: Er will festhalten, dass er seine Schülerinnen und Schüler nicht im Stich gelassen hat; die hatten ohnehin frei. Entsprechend sparsam geht Bosch mit seinen Emotionen um. Am 20. Juni 1923 freut er sich: "Wir haben noch keinen so interessanten Schacht geöffnet". Und am gleichen Tag konstatiert er "mühsame Ausgrabungsbedingungen". Drei Monate später ärgert er sich:

Ich probierte in der Abenddämmerung ein Bild, das aber misslang.

Reinhold Bosch 29. September 1923

Geradezu lakonisch enden seine Aufzeichnungen am 23. September 1923: "Wir können, da die Mittel und Arbeitskräfte fehlen, nicht mehr weitergraben. Posthalter Hauri räumt heute das Material weg und schafft die Pumpe heim." (Autor: Jörg, Freiwilliger).