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25'000 Steinartefakte

Viele braune und hellgraue Silexartefakte auf einem Haufen.

Es sind 15 Quadratkilometer Geschichte: Im Möhliner Feld im Fricktal haben seit Jahrtausenden Menschen gelebt und ihre Spuren hinterlassen. Zeit seines Lebens hat Werner Brogli diese Zeugnisse gesammelt – über 70 Jahre lang. Dadurch ist eine einmalige und unermesslich wertvolle Sammlung entstanden.

Das Möhliner Feld bildet eine weite, geschlossene Landschaftskammer auf einer Hochterrasse zwischen Rheinfelden und Bad Säckingen. Von hier bieten sich weite Ausblicke über das Tal des Hochrheins bis nach Laufenburg und Basel.

Der Boden besteht aus sogenanntem Löss, ein Sediment, das vor etwa 60'000 bis 18'000 Jahren abgelagert wurde. Es bedeckt grosse Teile des Möhliner Felds und ist Grundlage für eine ertragreiche Landwirtschaft, und zwar seit Jahrtausenden. Bis heute wird das Möhlinerfeld landwirtschaftlich genutzt.

70 Jahre sammeln

Beim Einsammeln von Kartoffeln fand Werner Brogli schon im Kindergartenalter erste Funde. Es waren die gelben, weissen und rötlichen, teils wie Karamell glänzenden Feuersteinartefakte − Silex, in der Mehrzahl Silices genannt − die ihm ins Auge fielen und die er aufzulesen begann. Der kleine Junge sammelte sie anfänglich in einer Kartonschachtel unter dem Bett. In der Schule erfuhr er von den Menschen aus der Urgeschichte und wurde von seinen Lehrerinnen und Lehrern ermuntert weiterzusuchen. Und das tat Werner Brogli.

Bis heute kamen nach über 70 Jahren so rund 100'000 Artefakte zusammen. Nach der Tätigkeit als Lehrer und der seiner Pensionierung wollte Werner Brogli die umfangreiche Sammlung in die Obhut der Kantonsarchäologie geben. Es sind etwa 25'000 Objekte, die als steinzeitliche Arrtefakte anzusprechen sind und in die Archäologische Sammlung des Kantons aufgenommen wurden. Ein Glücksfall für die Archäologie! Schon zuvor standen ihm lange Jahre die Kantonsarchäologie und Fachpersonen aus der Forschung und Lehre mit Rat und Wissen zur Seite. Die Übernahme der Sammlung in die Archäologische Sammlung des Kantons war dennoch ein aufwändiges Unterfangen. Die Artefakte wurden in akribischer Feinarbeit ausgelegt, gesichtet, beschriftet und inventarisiert. Im Rahmen eines Auswertungsprojektes werden die Silices und Steinartefakte seit 2018 aufgearbeitet und ausgewertet.

Das Möhliner Feld

Möhlinerfeld auf einer Luftbildfoto mit darüber gelagerten grünen Feldern, die die Fundstellen markieren.
Die grünen Felder markieren die archäologischen Fundstellen auf dem Möhlinerfeld. Kartengrundlage: googlemaps.

Die gesammelten Objekte stammen aus 48 archäologischen Fundplätzen auf dem Möhliner Feld im Bann der Gemeinden Möhlin, Wallbach und Zeiningen. Die Oberfläche des Möhliner Felds wurde im Laufe der Jahrtausende durch Erosion kontinuierlich abgetragen, aber die Steinobjekte blieben bis heute erhalten. Allerdings beeinträchtigten die Mechanisierung der Landwirtschaft und der Einsatz von Chemikalien ab den 1970er-Jahren die Erhaltungsbedingungen, insbesondere für Keramikfunde. Heute sind intakte prähistorische Strukturen durch das Pflügen bis auf 50 Zentimeter weitestgehend zerstört und verloren.

Der älteste Fund im Kanton

Dadurch ist der Wert der Sammlung Bogli umso grösser. Sie ist ein Archiv der Menschheitsgeschichte, das weiter zurück reicht, als alle anderen Funde im Kanton Aargau. Der älteste Fund ist eine absolute Seltenheit: Der Faustkeil von Zeiningen ist ein Artefakt von nur insgesamt fünf, die es in der Schweiz gibt. Er ist etwa 100'000 Jahre alt und stammt von Neandertalern.

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Erste Zwischenresultate der Auswertung zeigen, wie das Möhliner Feld durch die Jahrtausende besiedelt war:

  • Siedlungsplätze sind für das Jungpaläolithikum (40'000–12'000 v. Chr.) und das Spätpaläolithikum (12'000–10'000 v. Chr.) belegt. Es sind Einzelfunde, welche die Begehung des Möhliner Felds durch Wildbeuter anzeigen.
  • Eine grosse Siedlung ist aus dem Frühmesolithikum (10'000–6500 v. Chr.) belegt, von der die typischen Mikrolithen dieser Zeit stammen. Einzelfunde weisen zusätzlich auf kleine Lager oder einzelne Jagdereignisse hin. Aus dem Spätmesolithikum (6500–5500 v. Chr.) stammen wenige Einzelfunde.
  • Eine durchgehende Besiedlung des Möhliner Felds durch Bauern ist erst ab dem Jungneolithikum (4500–3500 v. Chr.) nachgewiesen. Aus dem Spät- und Endneolithikum (3500–2200 v. Chr.) sind fünf Siedlungen bekannt.
  • Siedlungen aus der MIttekl- bis Spätbronzezeit (1500–800 v. Chr.) sind durch zahlreiche Keramikfragmente nachgewiesen, die Werner Brogli im Laufe seiner Tätigkeit aufgesammelt hat.

Grosser wissenschaftlicher Wert

Die Sammlung Brogli ist von grossem wissenschaftlichen Wert. In weitem Umkreis gibt es kaum ein vergleichbares Gebiet, das so konsequent und nahezu flächendeckend prospektiert wurden. Ein archivgewordenes Lebenswerk! Die prähistorischen Hinterlassenschaften sind vollständig bekannt und liefern dadurch ein einzigartig vollständiges Bild der Landschaftsnutzung.

Filmisches Porträt

Werner Brogli zeigt eine Karte des Möhlinerfelds.
Foto Sabine Doppler

Die Resultate der Auswertung dieser einzigartigen Sammlung sollen künftig in einer wissenschaftlichen Publikation vorgelegt werden. Werner Brogli ist ausserdem ein filmisches Porträt gewidmet. Der Film zeigt nicht nur den wissenschaftlichen Wert seiner Sammlung auf, sondern porträtiert auf feinfühlige Art einen Menschen, der sein ganzes Leben einer grossen Leidenschaft gewidmet hat. Damit hat Werner Brogli ein Stück Menschheitsgeschichte geschrieben.

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