Kulturgüterschutz – eine (inter)nationale Aufgabe
Kulturgüter haben eine grosse identitätsstiftende Bedeutung für die Bevölkerung. Sie müssen so gut wie möglich vor Beschädigungen oder gar Zerstörung geschützt werden. Das ist Aufgabe des Kulturgüterschutzes. Um diesen Schutzauftrag wahrnehmen zu können muss man die Kulturobjekte kennen. Zu diesem Zweck wurde 1988 das Inventar der Kulturgüter von nationaler und regionaler Bedeutung erstellt, das aktuell zum dritten Mal überarbeitet wird.
Der Kulturgüterschutz in seiner heutigen Form entstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Europa stand unter Schock. Die massive Zerstörung von Baudenkmälern, Museen und anderen wertvollen Bauten führte zur Erkenntnis, dass die Bestrebungen zum Schutz der Kulturgüter intensiviert werden mussten. Die in dieser Zeit entstandene, wichtigste völkerrechtliche Grundlage ist das von der UNESCO in Kraft gesetzte «Haager Abkommen vom 14. Mai 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten». Die Schweiz hat dieses Abkommen 1962 ratifiziert. Sie ist damit verpflichtet, bereits in Friedenszeiten Sicherungsmassnahmen für Kulturgüter zu planen und zu ergreifen.
Eine der wichtigsten Aufgaben bei der Umsetzung der rechtlichen Grundlagen des Kulturgüterschutzes ist die Erstellung eines Inventars der bedeutendsten Kulturgüter. Darin werden Kulturgüter von nationaler (A-Objekte) und regionaler (B-Objekte) Bedeutung aufgelistet – es ist dies eine Liste der wertvollsten Bauten, Sammlungen und der archäologischen Schutzzonen des Landes. Zum ersten Mal wurde das vom Bundesrat zu genehmigende Schweizerische Inventar der Kulturgüter von nationaler und regionaler Bedeutung 1988 publiziert. Aktuell wird das KGS-Inventar zum dritten Mal revidiert und soll 2021 in Kraft treten. Mit der Neuauflage des Inventars soll sichergestellt werden, dass die verantwortlichen Stellen beim Bund und in den Kantonen über eine aktuelle und umfassende Grundlage verfügen, um die Kulturgüter mit geeigneten Mitteln schützen zu können.
Inventar der nationalen und regionalen Kulturgüter
Die Ereignisse der jüngsten Zeit zeigen auf, wie gross der ideelle Wert von Kulturgut ist. Der Brand der Kathedrale von Notre Dame in Paris im April 2019 mag im Aargau an den Brand der Stadtkirche von Bremgarten im Jahr 1984 erinnern. Doch auch jüngere Ereignisse wie der Brand der Unteren Mühle in Seon von 2014 und der Brand des Landgutes Hirzenberg in Zofingen von 2017 verdeutlichen, dass auch in unserer Region Kulturgüter gefährdet sind und dass präventive Schutzmassnahmen von grosser Bedeutung sind, um unsere kulturelles Erbe der Nachwelt erhalten zu können.
Ein effizienter Schutz und die Planung von vorsorglichen Massnahmen ist nur dann möglich, wenn Objekte als Kulturgut erkannt sind. Zu diesem Zweck werden Inventare erstellt. Sie dienen dazu, die Kulturobjekte zu bestimmen und ihre Geschichte und ihre Eigenheiten nach einheitlichen Kriterien vergleichbar darzustellen. Gemäss dem 2015 in Kraft getretenen Bundesgesetz über den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten, bei Katastrophen und in Notlagen (KGSG) hat der Bund ein Kulturgüterschutzinventar mit Objekten von nationaler und regionaler Bedeutung zu führen (KGS-Inventar). Dieses Inventar wird durch den Fachbereich Kulturgüterschutz im Bundesamt für Bevölkerungsschutz in Zusammenarbeit mit den Kantonen und der Eidgenössischen Kommission für Kulturgüterschutz periodisch nachgeführt, so wie dies gemäss Artikel 2 der Verordnung vom 29. Oktober 2014 über den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten, bei Katastrophen und in Notlagen gefordert wird (KGSV). Das aktuelle Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung von 2009 ist auf der Website des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz online einsehbar.
Objekte von regionaler Bedeutung (B-Objekte) – Ein Blick in den Aargau
Das Inventar der Kulturgüter von regionaler und somit kantonaler Bedeutung (B-Objekte) wird in erster Linie durch die kantonalen Denkmalpflegen mit ihren Fachstellen für Kulturgüterschutz erstellt. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Kulturgüterschutz des Bundesamts für Bevölkerungsschutz. Die Listen der Objekte von regionaler Bedeutung (B-Objekte) sind auf der Website des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz online einsehbar.
Objekte von nationaler Bedeutung (A-Objekte) – Ein Blick in den Aargau
Im Schweizerischen Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung sind beinahe 3000 A-Objekte erfasst. Für diese Objekte wurde in enger Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, der Eidgenössischen Kommission für Kulturgüterschutz und externen Fachexperten ein gesamtschweizerisch einheitlicher Standard angewendet. Unter den ausgewählten Objekten befinden sich 2247 Einzelbauten, 420 Sammlungen in Museen, Archiven und Bibliotheken und 322 archäologische Fundstellen.
Der Kanton Aargau ist reich an kulturellem Erbe und so erstaunt es nicht, dass knapp 300 dieser Objekte von nationaler Bedeutung auf Aargauer Boden liegen – darunter befinden sich zahlreiche Schlösser, ehemalige Klosteranlagen und ländliche Bauten von herausragender Bedeutung.
Im Kanton Aargau umfasst die Liste der regional bedeutenden B-Objekte in erster Linie den Bestand an kantonal geschützten Objekten. Aktuell sind dies ungefähr 1500 Objekte, wovon nur etwas mehr als 1000 Objekte Gebäude sind.
Das Spektrum der Objekte reicht hier von Kirchenbauten und Kapellen über Wohnhäuser und landwirtschaftliche Kleinbauten bis hin zu Brückenbauten, Wegkreuzen und Einzelbauteilen wie Wirtshausschildern. Diese Objekte sind im Online-Inventar der Kantonalen Denkmalpflege Aargau einsehbar.
Vorschlage für die Neuaufnahme – Objekte von nationaler Bedeutung
Jedes Inventar gilt als veraltetet, kaum ist es publiziert. Daher wird wie erwähnt auch das KGS-Inventar in gewissen Intervallen aktualisiert. Zurzeit läuft die Überarbeitung des KGS-A-Inventars auf Bundesstufe. Die Kantone haben die Aufgabe, das bestehende Inventar zu überprüfen und dem Bund allfällige Vorschläge für die Neuaufnahme von Objekten von nationaler Bedeutung zu unterbreiten. In der Beurteilung dieser Neuvorschläge sind der Fachbereich Kulturgüterschutz im Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) wie auch das Bundesamt für Kultur (BAK) involviert. Eine Arbeitsgruppe, die aus Fachleuten aus der ganzen Schweiz besteht - darin auch ein Vertreter der Kantonalen Denkmalpflege Aargau - beurteilt sämtliche Vorschläge der kantonalen Kulturgüterschutz-Fachstellen.
Auch der Kanton Aargau hat verschiedene Objekte zur Neuaufnahme vorgeschlagen, darunter zum Beispiel das markante Sauerländerhaus in Aarau oder die ebenso markante, wenn auch viel jüngere Sichtbeton-Kirche von Buchs. Bleiben wir gespannt, welche neuen Aargauer Objekte es in die KGS-A-Liste von nationaler Bedeutung schaffen werden!