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Bibliothek als Raum

Mehr Zschokke in Bibliotheken und Politik

Wie steht der Geldgeber zur Institution Bibliothek? Ist die Bibliothek im Gemeindegefüge wichtig? Warum sollen Geldmittel in Bibliotheken investiert werden? Was tut die Bibliothek für die Gemeinde und die Schule? Diese und ähnliche Fragen haben mich bewogen, unsere Frau Gemeindeammann anzusprechen. Sie hat sich gerne bereit erklärt, einen Text zu verfassen und gibt Einblick in ihre Gedanken zur Rolle der Bibliothek in der Gemeinde und der Gesellschaft.

Autorin

Eine Frau mittleren Alters mit schulterlangen, gewellten, braunen Haaren lächelt leicht seitlich in die Kamera. Sie trägt einen grauen Blazer.
© Jeanine Glarner

Jeanine Glarner

Lic phil. Historikerin, ist seit 2021 Gemeindeammann von Möriken Wildegg und Vorstandsmitglied der Heinrich-Zschokke-Gesellschaft.

Die Bibliothek in Möriken-Wildegg wird von vielen Kindern, deren Eltern sowie den Schülerinnen und Schülern der Kreisschule Chestenberg besucht. Unsere Mitarbeiterinnen ermöglichen einen spielerischen Einstieg in die Welt der Literatur. Entsprechend geniesst unsere Gemeindebibliothek einen hohen Stellenwert und ist fester Bestandteil unseres gesellschaftlichen Lebens – vergleichbar mit unserer Badi, unserem Berghaus auf der Bettmeralp, unserer Turnhalleninfrastruktur oder unserem Gemeindesaal. Denn alle Jugendlichen finden irgendwo eine Passion – sei dies beim Sport, in der Musik oder eben beim Lesen.

Gerade für eine direkte Demokratie, wie wir sie in der Schweiz haben, ist die Lesekompetenz essentiell. "Lesen, verstehen, umsetzen" ist jeweils mein Motto in der politischen Debatte. Wer diese Grundkompetenzen beherrscht, ist im Vorteil und wer sie nicht beherrscht, kann am politischen und gesellschaftlichen Leben nur schwerlich teilhaben.

Die neusten PISA-Ergebnisse müssen uns daher alarmieren. Wenn rund 25 Prozent der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler in der Schweiz ungenügende Lesekompetenzen mitbringen, dann läuft auch unser einzigartiges politisches System Gefahr, nicht mehr zu funktionieren. Heinrich Zschokke erkannte dies bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er war nicht nur einer der meistgelesenen Schriftsteller im deutschen Sprachraum, er war auch Staatsmann und hat sich für die Einführung der staatlichen Schulen im Kanton Aargau eingesetzt. Denn nur in einem Staat mit einem gebildeten Volk könne eine Volksherrschaft, die direkte Demokratie, geschaffen und gelebt werden.

Bereits im Jahr 1831 wurde daher die Volksschule in der aargauischen Kantonsverfassung verankert und damit zur staatlichen Aufgabe. Das erste Aargauer Schulgesetz geht auf das Jahr 1835 zurück, mit welchem eine einheitliche Grundlage für alle Gemeindeschulen und fortführenden Schulen geschaffen wurde. Diese Meilensteine ermöglichten allen Kindern den Zugang zu Bildung und Heinrich Zschokke hatte diese Entwicklung als Mitglied des Grossen Rats wesentlich mitgeprägt.

Es steht also auch in unserer Verantwortung, dass unsere Kinder und Jugendlichen Sprach- und Lesekompetenzen erlernen. Und hierzu leistet unsere Gemeindebibliothek zusammen mit der Schule einen ganz wesentlichen Beitrag. Entsprechend sehen wir die Ausgaben für unsere Bibliothek nicht als Kosten, sondern als Investition in die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen, aber auch in das Funktionieren unseres politischen Systems. Gefordert ist aber auch die Schule Aargau: Der Fokus liegt heute viel zu wenig auf dem konsequenten Erlernen von und akribischer Arbeit an grundlegenden Lese- und Schreibkompetenzen. Daraus entstehende Defizite können auch unsere Bibliotheken nicht auffangen.

Ich wünschte mir deshalb etwas mehr Heinrich Zschokke in der heutigen Zeit. Dass mehr von ihm und über ihn gelesen wird, dass sein Geist aber auch im politischen Alltag wieder einkehrt. Denn sein Fokus lag auf den grundlegenden Kompetenzen, die ein Staatsbürger beherrschen musste, um seine eigenen Entscheidungen zu fällen, seinen eigenen Weg zu gehen und von keiner Herrschaft unterdrückt zu werden. Und das sind auch in der heutigen Zeit noch lesen, verstehen, schreiben und rechnen.