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Funde & Archäologische Sammlung

Das Lamm Gottes in Wölflinswil

Eine Scheibenfibel mit farbigen Glaseinlagen und der Darstellung eines Lamms.

In einer Ausgrabung 2023 in Wölflinswil fand sich eine seltene Fibel mit Glaseinlagen und der stilisierten Darstellung eines Lamms.

Bei Ausgrabungen in Wölflinswil entdeckte die Kantonsarchäologie 2023 am Rand einer frühen mittelalterlichen Strasse eine Scheibenfibel mit Glaseinlagen aus dem 10./11. Jahrhundert. Europaweit waren bisher gerade einmal 13 vergleichbare Stücke bekannt, in der Schweiz nur aus Sion und Cham-Oberwil ZG: Grosse runde Scheibenfibeln mit breitem Rand, in deren Mittelfeld ein rückwärts blickendes Tier abgebildet ist. Im Aargau ist eine weitere Fibel aus Zurzach bekannt.

Diese Tiere sind häufig stark stilisiert und werden als Löwe, Panther, Ochse oder Lamm interpretiert. Im Fall von Wölflinswil ist es "Agnus Dei", das Lamm Gottes – als Osterlamm ein uraltes Zeichen für die Auferstehung Christi. Mit seinem Vorderbein hält es die Siegesfahne mit dem Kreuz. Sowohl das erhobene Vorderbein als auch das Kreuz über dem Rücken des Tiers sind auf der Fibel aus Wölflinswil eindeutig zu erkennen. Agnus-Dei-Darstellungen sind ebenfalls auf kleineren Scheibenfibeln ohne breiten Rand bekannt, etwa aus Hilterfingen BE. Aber auch ihre Zahl ist gering.

Seltene Zeugnisse

Zwei Scheibenfibeln mit Darstellungen eines Lamms.
Zwei Scheibenfibeln mit Darstellung eines Lamms. Links: aus Wölflinswil; rechts: aus Zurzach

Selbst auf frühen Burgen des Hochadels gelten Emailscheibenfibeln als seltene Zeugnisse der Anwesenheit wohlhabender Damen oder hoher Herren. Ein solches Objekt in einer ländlichen Siedlung des Fricktals wirft daher Fragen auf. Diese Fragen werden noch grösser, betrachtet man die vergoldeten Beschläge von Kästchen und Riemen, die in der gleichen Schicht wie die Fibel entdeckt wurden. Vergleichbare Stücke hatte man bisher nur von Burgen, etwa der nahe gelegenen Alt-Homberg gekannt.

Wenn solche "adeligen" Ausstattungsstücke jetzt in einer ländlichen Siedlung des 10./11. Jahrhundert zum Vorschein kommen, gibt das einen Hinweis darauf, wo die Oberschicht in dieser Zeit vor der Burgen- und Städte-Gründungswelle gelebt haben könnte. In Wölflinswil zeigen allerdings auch die Baubefunde, dass es sich zumindest im 9./10. Jahrhundert nicht um eine einfache bäuerliche Siedlung handelte. Ein Steinsockel eines 13 x 14 m grossen Gebäudes zählt zu den Überresten früher Herrenhöfe in der Nordwestschweiz. Wohlstand und Bedeutung dieses Platzes und seiner Bewohner erklären sich aus der Eisenproduktion, die offenbar schon um diese Zeit in Wölflinswil florierte.