Reihenweise Grubenhäuser in Boswil

Im Vorfeld eines Bauprojekts in Boswil begleitete die Kantonsarchäologie den Aushub und dokumentierte dabei überraschend viele Überreste.
In Boswil entstehen derzeit zwischen Bachstrasse und Kirchweg mehrere Wohngebäude. Die Kantonsarchäologie begleitete die Aushubarbeiten in Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft und der Aushubfirma. Das vorgesehene Bauprogramm konnte ohne Verzögerungen umgesetzt werden.
Die Lage im historischen Ortskern liess erwarten, dass im Bereich des Bauprojekts eventuell mittelalterliche und vielleicht sogar vorgeschichtliche Überreste ans Licht kommen könnten.
Zwölf Grubenhäuser

Was dann aber gefunden wurde, übertraf die Erwartungen deutlich. Auf etwa 1400 Quadratmetern legten die Mitarbeitenden neben älteren Funden zwölf sogenannte Grubenhäuser frei. Das sind kleine, zwischen 2 x 3 und 3 x 4 Meter grosse und 40 bis 60 cm eingetiefte Gebäude, die zum Weben oder als Vorratskeller dienten. Grubenhäuser sind typisch für das Mittelalter, vor allem die Zeit vom 7. bis 12. Jahrhundert.
In Boswil stammen sie aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Das ist auch die Zeit, in der Boswil zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde. In einer Liste der Besitzungen des Grossmünsters in Zürich wird um 880 auch ein Hof in Boswil erwähnt, von dem aus bedeutende Ländereien in der Region verwaltet wurden.
Regionales Zentrum

Zusammen mit den ähnlich alten Strukturen im Huebacher, die 2014 und 2016 dokumentiert wurden und mit den früh belegten zwei Kirchen (Alte Kirche und Martinskapelle) zeichnet sich in Boswil ein frühes regionales Zentrum ab, das erst mit den Gründungen des Klosters Muri und der Stadt Bremgarten an Bedeutung verlor.
Die 11 Grubenhäuser, die bei den Ausgrabungen im März bis Mai 2025 freigelegt wurden, lagen in Gruppen beieinander. Sie orientieren sich an einem Weg, der ganz in der Nähe über den Bach führte. Diese Lage in der Nähe eines Gewässers ist typisch für frühmittelalterliche Grubenhäuser. Wohngebäude und Ställe lagen üblicherweise etwas weiter entfernt vom Wasser, sind also wohl südlich des Kirchwegs zu suchen.
Frühchristliche Bestattungen

Etwas älter als die Grubenhäuser sind zwei frühe christliche Bestattungen. Sie dürften aus dem 8. Jahrhundert stammen. In dieser Zeit hatte die Kirche den Friedhofszwang noch nicht durchgesetzt und die Toten wurden manchmal neben den Häusern in sogenannten "Hofgrablegen" bestattet.
Dass es keine Armen waren, die hier hausten, zeigen unter anderem der Fund eines Reitersporns, von Hufeisen, von einem Ohrring und von Lavez-Gefässen. Solche Töpfe aus Speckstein wurden in Graubünden und dem Tessin hergestellt und im frühen Mittelalter auch im Alpenvorland gerne verwendet.
Feuergruben mit umstrittener Funktion

Wesentlich älter waren sechs bronzezeitliche "Feuergruben" aus der Zeit um 1000 v. Chr. Das sind lang-rechteckige Gruben, häufig etwa 80 x 220 cm gross und 20 bis 40 cm tief. Sie sind gefüllt mit verbrannten Steinen und die Wände sind vom intensiven Feuer rot gebrannt. Ihre Funktion ist umstritten. Es könnten Koch- oder Werkgruben gewesen sein. Wahrscheinlicher ist aber eine Funktion als Unterbau für einen Scheiterhaufen auf denen ein Toter verbrannt wurde. Siedlungsreste dieser Epoche stammen in Boswil vom Huebacher und aus dem Bereich der Industriestrasse.
Mächtige Überdeckung

Überdeckt wurden bronzezeitliche und frühmittelalterliche Strukturen durch eine 1,50 m mächtige Schicht aus Lehm, Sand und Kies. Sie muss nach dem Jahr 1000 entstanden sein und dürfte um 1500 das heutige Niveau erreicht haben. Darauf weisen ein kleiner Steinkeller und ein Steinsockel hin, letzte Überreste von Spychern, wie sie heute noch vereinzelt anzutreffen sind. Beide dürften aus dem 17. Jh. stammen und wurden bereits vom heutigen Niveau aus errichtet.
Die gewaltigen, bis 150 cm hohen mittelalterlichen Schwemmschichten in Boswil sind ein weiterer Beleg dafür, wie stark der Aargau damals entwaldet war und wir stark der Mensch damals seine nächste Umwelt zerstörte. Überschwemmungen und Murgänge waren die Folge. Was damals eine Katastrophe war, ist aber wenigstens für die Archäologie und Geschichte ein Vorteil. Diese Schichten schützten die alten Siedlungsspuren über die Jahrtausende. 2025 wurden die Überreste aus dem Frühmittelalter und der Bronzezeit schliesslich doch zerstört. Zum Glück konnten sie vorher archäologisch untersucht werden und liefern so einen wichtigen Beitrag zur regionalen Geschichte.