Frühmittelalterliche Gräber in Eiken

Im Sommer 2021 entdeckte die Kantonsarchäologie auf einer Baustelle in Eiken Gräber aus dem Frühmittelalter. Das beleuchtet die Ortsgeschichte neu.
Schon 1927 wurden am nordöstlichen Ortsrand in der früheren Eiker Gemeindekiesgrube Gräber aus dem frühen Mittelalter entdeckt, weitere folgten bis Ende der 1950er-Jahre. Als im Sommer 2021 die Überbauung einer unmittelbar gegenüber am heutigen Blaienweg gelegenen Parzelle bevorstand, war klar, dass die Erdarbeiten durch die Kantonsarchäologie begleitet werden mussten. Und tatsächlich zeigten sich schon bald die ersten verdächtigen Steinstrukturen...
Vier Gräber
In Absprache mit der Bauführung fanden die archäologischen Freilegungs-, Dokumentations- und Bergungsarbeiten parallel zum Baugrubenaushub statt. An insgesamt vier Stellen waren nach dem vorsichtigen Entfernen der Humusdecke kantige Kalksteine im sonst kiesigen Untergrund zum Vorschein gekommen. Beim händischen Freipräparieren erwiesen sie sich als Steinsetzungen, mit denen die Wände der rechteckigen Grabgruben umstellt worden waren. Am Boden dieser Gruben waren die Überreste von vier Körperbestattungen gut erhalten geblieben. Die Totenhaltung sowie einzelne Eisennägelchen lassen annehmen, dass die Verstorbenen in Brettersärgen beigesetzt worden waren. Zur Totentracht gehörten in zwei Fällen kleine Eisenmesser, die an Hüftgürteln getragen wurden. Mit diesem Grabbau und den wenigen Beigaben handelt es sich um Bestattungen, wie sie in der späten Merowingerzeit des 7. bis 8. nachchristlichen Jahrhunderts typisch waren.
Eine Untersuchung gibt Details aus dem Leben preis
Nach Grabungsabschluss konnten die am Blaienweg geborgenen Skelette im Rahmen der Interkantonalen Arbeitsgemeinschaft für Anthropologie (IAG), welcher die Kantonsarchäologie Aargau angehört, näher erforscht werden. Anthropologinnen und Anthropologen können durch die genaue Untersuchung des Knochenmaterials Informationen zum Geschlecht und Sterbealter sowie zu gewissen Lebensumständen und Krankheiten gewinnen. Wie sich zeigte, stammen die vier fast vollständig erhaltenen Skelette von erwachsenen Personen – von drei Männern und einer Frau. Mit einem Sterbealter von höchstens 46 Jahren erreichte keine dieser Personen aus heutiger Sicht ein fortgeschrittenes Alter. Ihre Knochen zeigen teils Spuren von Krankheit, Mangelernährung und hoher körperlicher Belastung. Bei einem der drei Männer konnte ausserdem eine auffallend lang-schmale Schädelform festgestellt werden. Solche Schädelformen sind in der Nordwestschweiz gehäuft an den Skeletten aus fränkischen Gräberfeldern beobachtet worden. Bemerkenswert ist schliesslich, dass bei der genauen Durchsicht des Skelettmaterials immer wieder einzelne Knochen auffielen, die von weiteren Individuen stammen mussten. Das bedeutet, dass es in mindestens drei der Grabgruben bereits Vorgängerbestattungen gehabt haben muss, die bei der Beisetzung der drei Männer und der Frau ausgeräumt worden waren.
Ein Gesamtbild entwickelt sich
Für sich betrachtet wären vier frühmittelalterliche Gräber keine allzu aussergewöhnliche Entdeckung. In diesem Fall werfen sie aber neues Licht auf die Entstehung Eikens. Zusammen mit den früheren Grabfunden aus der gegenüberliegenden Kiesgrube lassen sie nun ein überraschend grosses und in geordneten Reihen angelegtes Gräberfeld erkennen. Dies ist bemerkenswert, weil der heutige Ortsname auf die althochdeutsche Grundform Eit-ing-hovun ("bei den Höfen der Sippe des Eido/Eito") zurückgeführt wird. Derartige Ortsnamen gelten als typisch für sogenannte Ausbausiedlungen, die während einer Expansionsphase im 7. und 8. Jahrhundert oft in abgeschiedener Lage entstanden. Natürlich ist das Fricktal bei Eiken aber keineswegs als abgeschieden oder siedlungsungünstig zu bezeichnen. Die Grösse und Struktur des Gräberfelds beim Blaienweg weist nun darauf hin, dass der Ort tatsächlich schon im 7. und 8. Jahrhundert eine beachtliche Bevölkerung gehabt haben muss und wahrscheinlich mehrere Höfe umfasste.
