Politik vermitteln und Meinungen bilden
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Demokratiekonferenz 2023 in Reutlingen (Baden-Württemberg) im Spannungsfeld von Medien, Politik und Öffentlichkeit
Welche Rolle spielen die Medien heute und zukünftig in der Politikvermittlung? Wie beeinflussen sie die öffentliche Meinungsbildung? Was bedeutet das für die Zukunft der Demokratie? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich Referentinnen und Referenten sowie Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft an der siebten Demokratiekonferenz, die vom Staatsministerium Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit der Staatskanzlei des Kantons Aargau und den Städten Reutlingen und Aarau am 23. und 24. November 2023 in Reutlingen veranstaltet wurde. Am zweiten Tag nahmen auch Gymnasialklassen aus Aarau und Reutlingen an der Konferenz teil. Der Anlass stand ganz im Zeichen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der Politik von morgen in Deutschland und der Schweiz.
Mit engagierten Reden eröffneten Barbara Bosch, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, und Regierungsrat Dieter Egli, Vorsteher des Departements Volkswirtschaft und Inneres, die Demokratiekonferenz in der Stadthalle Reutlingen. Beide unterstrichen die Bedeutung der Konferenz für die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen dem Kanton Aargau und Baden-Württemberg sowie die Wichtigkeit des Konferenzthemas angesichts einer sich rasch ändernden politischen und medialen Landschaft. Insbesondere neue Formen von Beteiligungsprozessen spielen nach Ansicht von Staatsrätin Bosch und Regierungsrat Egli eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen. Regierungsrat Egli betonte ausserdem in seiner Ansprache die Notwendigkeit eines engen Austauschs zwischen Wissenschaft und Politik, um die Partizipation zu stärken, damit sich die Demokratie erneuern und weiterentwickeln kann.
Neben dem Aufkommen von "Fake News" und "alternativen Informationsquellen" stand am ersten Tag auch die Bedeutung der traditionellen Medien für die Demokratie im Mittelpunkt der Konferenz. Keynote-Sprecher Prof. Dr. Heribert Prantl, Journalist, Buchautor und politischer Kommentator, hob in diesem Zusammenhang die Pressefreiheit als demokratische Errungenschaft und die Funktion der Medien als zentrale Institution zur Schaffung von gesellschaftlichem Vertrauen hervor. Welche Folgen der Verlust dieses Vertrauens haben kann, beschrieb Lea Frühwirth, Senior Researcher am Center für Monitoring, Analyse und Strategie, in ihrem anschliessenden Vortrag über verschwörungstheoretische Milieus nach der Corona-Pandemie. Prof. em. Dr. Jakob Tanner näherte sich dem Thema in seinem Impulsreferat aus historischer Perspektive und stellte die provokante Frage nach dem Ende der Demokratie. Trotz Reformbedarf diagnostizierte er der Demokratie das Potenzial, auch in Zukunft Orientierungspunkt des politischen Zusammenlebens zu bleiben. In einer Podiumsdiskussion und mehreren Workshops wurden die aufgeworfenen Fragen vertieft, wobei auch der Vergleich zwischen der Schweiz und Deutschland thematisiert wurde mit dem Ziel, gegenseitig zu lernen.
Herausforderung für Medienschaffende
Die Konferenzteilnehmenden waren sich einig, dass die fortschreitende Digitalisierung und die gleichzeitig stark veränderte Mediennutzung neue Herausforderungen für Medien und Politik mit sich bringen. Davon sind insbesondere auch der Lokaljournalismus und die Öffentlichkeitsarbeit von Städten, Gemeinden und Kantonen betroffen, wie Sven Altermatt, Co-Chefredaktor der Solothurner Zeitung, und Sabine Külschbach, Leiterin des Amts für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Reutlingen, im Rahmen des Podiums bestätigten. Der Austausch im Podium offenbarte aber auch eine grosse Kreativität und Vielfalt im Umgang mit diesen Herausforderungen. Dr. Ulrich Bausch, Leiter der Volkshochschule Reutlingen und Mitbegründer der Reportageschule Reutlingen, nannte als Beispiele hierfür den bewussten Umgang mit Crossmedialität* und die Stärkung der Selbstreflexion, welche Teil der Ausbildung an der Reportageschule Reutlingen sind.
*Crossmedialität bezeichnet den Einsatz unterschiedlicher Kanäle, die inhaltlich, gestalterisch und redaktionell miteinander verknüpft sind, zur Verbreitung von Informationen.
Partizipation und Jugend im Fokus
Am zweiten Konferenztag standen die Themen Vertrauen in die politischen Institutionen und politische Partizipation im Mittelpunkt. In seinem Grusswort verglich Grossratspräsident Dr. Lukas Pfisterer die Demokratie mit einem Haus, das ständig renoviert und instandgehalten werden müsse. Im anschliessenden Impulsreferat widmete sich Prof. Dr. Frank Brettschneider, Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Hohenheim, dem Thema Bürgerbeteiligung und Massenmedien. Er zeigte am Beispiel von Baden-Württemberg, dass dialogische Bürgerbeteiligung sowohl die Demokratiezufriedenheit als auch das Vertrauen von Menschen in Institutionen stärken kann. Dies gilt insbesondere, wenn die Leistung der klassischen Massenmedien von den Menschen positiv eingeschätzt wird. Jasmin Odermatt, Programmleiterin "Smart City" der Stadt Aarau, berichtete aus der Praxis über neue Formen der politischen Partizipation am Beispiel des Projekts "Stadtidee", das Ideen von Einwohnerinnen und Einwohnern über ein partizipatives Budget finanziert und realisiert. In den abschliessenden Workshops wurden mögliche Antworten auf die in den Inputreferaten aufgeworfenen Fragen ausgelotet, wobei in einer eigens durchgeführten Sequenz zu "Jugend und Politik" unter Beteiligung von Schülerinnen und Schülern der Alten Kantonsschule Aarau und des Friedrich-List-Gymnasiums Reutlingen die politische Inklusion zukünftiger Generationen thematisiert und zur Diskussion gestellt wurde.
Der Kanton Aargau und Baden-Württemberg als Partner
Die Politik von morgen war denn auch das Thema der Schlussreferate von Landstatthalter Dr. Markus Dieth und Staatsrätin Barbara Bosch. Dass Politik Mittel und Wege finden muss, ihre Entscheide verständlicher zu kommunizieren, Medien auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der Einordnung spielen müssen, die Demokratie zusammen mit den Einwohnerinnen und Einwohnern weiterentwickelt werden muss und sich Investitionen in die jungen Generationen in Zukunft auszahlen werden, waren für beide zentrale Erkenntnisse der Konferenz. Beide waren sich auch einig, dass dem Kanton Aargau und dem Land Baden-Württemberg bei der Gestaltung dieser Entwicklungen eine zentrale Rolle zukommt.
Dr. Markus Dieth verwies als Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen in diesem Zusammenhang auch auf die anstehenden Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union:
"Es wird in den nächsten Monaten viel Überzeugungsarbeit brauchen, in der Schweiz aber auch in der Europäischen Union. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten – beginnend hier in Reutlingen und dann in Aarau, in Stuttgart, in Bern und in Brüssel."