Macke-Aquarell bleibt im Kunsthaus
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Bitte um Herausgabe eines Werks fehlt rechtliche Grundlage
Der Aargauische Kunstverein kommt der Bitte eines Berliner Anwaltsbüros nicht nach, wonach das Aquarell "Garten mit lesender Frau" von August Macke den Nachfahren der einstigen Besitzer ausgehändigt oder abgegolten werden sollte. Ein vom Kunstverein erstelltes Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass es sich bei diesem Werk, das Teil der Sammlung Häuptli ist, nicht um Raubkunst im Sinne der Washingtoner Erklärung handelt.
Das Werk von August Macke (1887 1914) war Bestandteil der Kunstsammlung des 1931 verstorbenen Alfred Hess in Erfurt, der jüdischer Herkunft war. Dessen Erben versuchten 1934, verschiedene Kunstwerke durch Ausschaffung in die Schweiz dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entziehen. Darunter befand sich Mackes Aquarell "Garten mit lesender Frau", das von den Erben Hess einem Kunsthändler in Kommission gegeben und von diesem auftragsgemäss verkauft wurde. Das Aquarell stellt somit nicht Raubkunst im Sinne der Washingtoner Erklärung dar, weil es nicht durch die Nazis konfisziert, sondern durch die damaligen Besitzer rechtmässig veräussert worden war. Folgerichtig tritt das Berliner Anwaltsbüro, welches die einzige Erbin der Familie Hess vertritt, nicht mit einer Forderung, sondern mit einer Bitte an den Aargauischen Kunstverein heran.
Nicht belegt ist, wie später das Sammlerehepaar Valérie und Othmar Häuptli in den Besitz des Werks gelangt ist. Aufgrund der Person und der belegbaren Sammlertätigkeit von Valérie und Othmar Häuptli darf aber ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es sich um einen rechtmässigen Erwerb in gutem Glauben handelte, betont der Kunstverein. Valérie und Othmar Häuptli schenkten ihre wertvolle Sammlung 1970 integral dem Aargauischen Kunstverein. Die Sammlung gelangte nach Ableben der Schenker 1983 ins Aargauer Kunsthaus und ist seither der Öffentlichkeit zugänglich. Das Aquarell "Garten mit lesender Frau" gehört zum Kern der Sammlung. Indem kein Rechtsanspruch für die Herausgabe des Bildes besteht, kommt der Vorstand des Kunstvereins zum Schluss, dass er mit Rücksicht auf das hohe öffentliche Interesse am Erhalt des Sammlungsbestands nicht berechtigt ist, dem Herausgabebegehren zu entsprechen.
Gesamter Sammlungsbestand untersucht
Als im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Geschichte des 2. Weltkriegs das öffentliche Interesse an Raub- und Beutekunst stark zunahm, hat das Aargauer Kunsthaus sowohl die private Sammlung des Kunstvereins, der die Sammlung Häuptli angehört, wie auch die Sammlung des Staates Aargau in Bezug auf die Herkunft der Werke untersucht. Diese Gesamtanalyse kam zum Schluss, dass sich in den beiden unter dem Dach des Kunsthauses vereinigten Sammlungen keine Werke befinden, die sich gemäss Washingtoner Abkommen der Raubkunst zuordnen liessen.