Ein neues Heiligtum in Vindonissa
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Tempel des römischen Gottes Mercurius entdeckt
Auf einem Neubauareal der Kabelwerke AG in Brugg wurde die Bauinschrift eines Merkurtempels entdeckt. Die Steininschrift nennt den Stifter des Tempels mit Namen Iuvenis. Vor wenigen Tagen kamen nun auch die Reste eines römischen Heiligtums zum Vorschein. Bis jetzt sind zwei kleinere und ein grosser Tempel freigelegt. Der heilige Bezirk lag zwischen der städtischen Siedlung des Legionslagers und dem ausgedehnten Gräberfeld an der Strasse nach Aventicum/Avenches.
Die archäologische Sensation kündete sich bereits diesen Herbst an, als das Team der Kantonsarchäologie auf mehrere Hundert Münzen und Fragmente von zwei Weihealtären gestossen war. Überraschend kam vor drei Wochen eine Bauinschrift für einen Merkurtempel hinzu. Die erste Inschrift seit 32 Jahren, die das Bodenarchiv in Vindonissa preisgibt. Und nun ist in den letzten Tagen auch noch einer der seltenen archäologischen Glücksfälle eingetreten: Die Überreste des in der Inschrift genannten Tempels des Merkur haben sich im Boden erhalten und können in den nächsten Wochen wissenschaftlich untersucht werden.
Ein heiliges Gelöbnis für Merkur
Die in Tuffstein gemeisselte Inschrift kam ausserhalb des Heiligtums in einer Grube zu Tage. Aus dem lückenhaft erhaltenen Text geht hervor, dass ein reicher Bewohner von Vindonissa mit Nachname Iuvenis aufgrund eines Gelöbnisses (ex voto) dem Merkur aus seinen eigenen Mitteln einen neuen Tempel hat errichten lassen. Die Stiftung von Tempeln durch reiche Privatpersonen gehörte in der römischen Gesellschaft zu einer üblichen Praxis, um seine Frömmigkeit und Verbundenheit mit einer Gottheit auszudrücken. Der genannte Iuvenis hatte Merkur um eine besondere Gunst gebeten und für deren Erfüllung die Errichtung eines Tempels in Aussicht gestellt. Merkur galt als Beschützer der Händler und Diebe, war also quasi für jede Form des materiellen Gewinns zuständig. Gut möglich, dass ihm Iuvenis den Tempel nach einem riskanten, aber schliesslich erfolgreichen Handelsgeschäft gestiftet hat.
Ein Heiligtum an der Peripherie von Vindonissa
Von dem neu entdeckten Heiligtum konnten die Archäologen bis jetzt einen so genannten gallo-römischen Umgangstempel und die Fundamente von zwei kleinen, kapellenartigen Tempelchen freilegen. Der Umgangstempel gehörte zu einem in Gallien, Germanien und Britannien weit verbreiteten Bautyp mit einem Kultraum (5 x 4,5 m) und einem umlaufenden, von Säulen getragenen Laubengang (3 m breit). Der heilige Bezirk mit Tempel und Kapellen war durch einen Graben von der profanen Welt abgetrennt. Dieser hatte eine Seitenlänge von mindestens 50 m. Der Altar für die religiösen Zeremonien und weitere Teile des Heiligtums wurden leider ohne vorherige archäologische Untersuchung beim Bau moderner Gebäude zerstört.
Die unter grossem zeitlichem Druck stehenden Ausgrabungen konzentrieren sich in den nächsten Wochen auf Spuren der kultischen Opferzeremonien (Münzen, Statuetten, Schmuck u.a.) und eines möglichen Vorgängerbaus aus Holz. In Vindonissa bietet diese Entdeckung erstmalig die Chance, ein römisches Heiligtum nach modernen wissenschaftlichen Methoden auszugraben und damit neue Erkenntnisse über die religiösen Bräuche vor 2000 Jahren zu gewinnen.