INV-LEN931 "Cholerahaus", 1735-1736 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-LEN931
Signatur Archivplan:LEN931
Titel:"Cholerahaus"
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Schützenmatte
Hist. Name Objekt:Altes Schützenhaus
Adresse:Schützenmatte 7
Versicherungs-Nr.:62
Parzellen-Nr.:2402
Koordinate E:2656184
Koordinate N:1249222

Chronologie

Entstehungszeitraum:1735 - 1736
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:LEN932
Nutzung (Stufe 1):Öffentliche Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Schützenhaus

Dokumentation

Würdigung:1735/36 erbautes Schützenhaus, das 1831 vorsorglich zur Unterbringung von Seuchenkranken erweitert wurde und seither als „Cholerahaus“ bekannt ist. Kernbau des sorgfältig restaurierten Gebäudes ist die in der Bauflucht leicht zurückspringende nördliche Hälfte; südlich schliesst der im 19. Jahrhundert in spätklassizistischen Formen errichtete Erweiterungsbau an, mit dem zusammen auch das über beide Gebäudeteile gezogene, gerade Satteldach entstand. Der schmucke, in Heimatstilformen gehaltene hölzerne Eingangsvorbau des Obergeschosszugangs stammt aus der Zeit um 1900. Zusammen mit dem benachbarten Schiessstand von 1912/13 (Bauinventarobjekt LEN932) bildet das „Cholerahaus“ eine lokalgeschichtlich wertvolle Baugruppe, welche den alten Festplatz mit seinem schönem, geometrisch angepflanzten Hain von Rosskastanien rahmt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Seit 1532 lag die Lenzburger „Zielstatt“ an der Landstrasse nach Baden am Fuss des Schlossbergs, wo 1580/81 ein Schützenhaus erbaut wurde [1]. Weil dort unter Gefährdung der Reisenden über die Landstrasse geschossen werden musste, verlegte man das Schützenhaus auf die aus Privatparzellen zusammengekaufte „Schützenmatt“, wo 1735/36 der Kernbau des bestehenden Gebäudes errichtet und 1736 mit Festivitäten eingeweiht wurde [2]. 1744 figuriert der Bau auf dem Plan des ursprünglichen sowie des damals erweiterten Burgernziels (vgl. Bilddokumentation), dessen Grenze exakt um die Gebäulichkeiten der Zielstatt herum gezogen wurde [3]. 1831 baute man als vorsorgliche Massnahme zur Aufnahme von Seuchenkranken die südliche Gebäudehälfte an, die zunächst als reiner Holzbau bestanden haben soll. Von daher erhielt das Gebäude seinen Namen „Cholerahaus“, obwohl es diesem Zweck schlussendlich nie dienen musste [4]. Nach der Ausführung des Anbaus entsprach das Gebäude gemäss dem Brandkatastereintrag von 1850 mit 67 x 27 Fuss (20.1 x 8.1 Meter) bereits den heutigen Abmessungen und wurde als „Schützenhaus von Stein, Rieg & Holz unter Ziegeldach“ beschrieben. Ein weiterer „Anbau“ ohne Grössenveränderung im Jahr 1867 ist vielleicht als Renovation oder Ummauerung des vorher hölzernen Anbaus zu deuten. In den 1870er Jahren waren hier internierte Soldaten der Bourbaki-Armee untergebracht; kurz darauf logierten am Bahndammbau beteiligte Bauarbeiter in dem Gebäude [5]. Um 1900 wurde das Gebäude insbesondere im Bereich des Treppenaufgangs historisierend umgestaltet, so dass der „Offizielle Festführer“ des Kantonalschützenfests die Gäste von 1911 auf das „geschmackvoll renovierte Schützenhaus“ hinweisen konnte [6]. Im Nachgang zum Schützenfest errichtete man 1912/13 in der unmittelbaren Nachbarschaft einen neuen Schiessstand (Bauinventarobjekt LEN932).
1995/96 erfolgte eine Renovation mit restauratorischer Wiederherstellung der Dekorationsmalereien an Dachuntersicht und Treppenaufgang [7]. 2003 schloss die Schützengesellschaft Lenzburg den Umzug in die 1992 eröffnete Schiessanlage in der Kiesgrube Lenzhard ab, womit der alte Schiessplatz seine angestammte Nutzung verlor [8]. Im Erdgeschoss beherbergt das Gebäude die als Festlokal benutzbare ehemalige „Schützenstube“ sowie ein kleines Bauamts-Magazin; das Obergeschoss dient verschiedenen Vereinen als Übungslokal.
Beschreibung:Das „Cholerahaus“ erhebt sich als langgestreckter Satteldachbau parallel zur nahen Hangkante gegen das Aabachtal hin und fasst mit dem quer dazu gerichteten Schiessstand von 1912/13 (Bauinventarobjekt LEN932) einen reizvoll gestalteten, baumbestandenen Platz, der früher den Schützenfesten diente. Der verputzte Mauerbau gliedert sich in zwei unterschiedliche Gebäude-hälften, die am Aussenbau gut abzulesen sind. Beim nördlichen, in der Fassadenflucht leicht zurückspringenden Hausteil handelt es sich aufgrund der sorgfältig gearbeiteten Zwillingsfenster mit barock profilierten Wulstsimsen um den noch aus dem 18. Jh. stammenden Kernbau, zu dem auch die Aussentreppe mit schön profilierter steinerner Brüstung gehört. Der mit 4 x 3 Fensterachsen gleichmässig gestaltete, in spätklassizistischen Formen gehaltene südliche Hausteil bildet die Erweiterung aus dem 19. Jh. Ein knappes, gerades Giebeldach, das wohl gleichzeitig mit der Erweiterung entstand erstreckt sich mit weiterer Vorkragung auch über den nördlichen Hausteil. Darunter ist das Podest der Aussentreppe mit einem hölzernen Eingangsvorbau aus der Zeit um 1900 geschmückt, der als Arkade samt Blumenfries auf zwei Balustern gestaltet ist. Die bunte Farbfassung des Vorbaus wie auch der Dachuntersicht und des markanten, geometrisch beschnitzten Bugs an der nordöstlichen Gebäudeecke wurde 1996 in Anlehnung an den Zustand der Zeit um 1900 wiederhergestellt. Neben dem Obergeschosszugang besteht unter dem Dachvorsprung ein leeres Fassadenfeld, das mit einem Grundputz wohl zur Aufnahme eines schliesslich nicht ausgeführten Wandbilds bestimmt war [9]. (Inneres nicht gesehen.)
Der vom „Cholerahaus“ zusammen mit dem Schiessstand gerahmte alte Festplatz besitzt einen schönen, geometrisch gepflanzten Rosskastanienhain samt Resten der ehemaligen, heute durch die Bahnlinie unterbrochenen Zugangsallee von der Stadt her.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Stadt Lenzburg. Inventar der kommunal schutzwürdigen Gebäude, 1997 (BNO 1997, Anhang 1, Inventarliste), Nr. 1.
- Aargauer Heimatschutz AHS / Aargauer Landschaftsarchitekten BSLA, Inventar der Historischen Gärten und Anlagen des Kantons Aargau, Stadt Lenzburg, LEN-G-014.
Anmerkungen:[1] Jean Jacques Siegrist, Lenzburg im Mittelalter und im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Kleinstädte [Geschichte der Stadt Lenzburg, Bd. I], Aarau [1955] (auch erschienen als: Argovia, Bd. 67), S. 170-172.
[2] Halder 2016.
[3] Heidi Neuenschwander, Geschichte der Stadt Lenzburg. Von der Mitte des 16. zum Ende des 18. Jahrhunderts. Auf dem Weg vom Mittelalter zur Neuzeit, Aarau 1984 (auch erschienen als: Argovia, Bd. 96), S. 45.
[4] Halder 2016.
[5] Halder 1995.
[6] Aargauisches Kantonal-Schützenfest 1911, S. 59.
[7] Restaurator Stephan Link; Untersuchungsbericht 1995 und Restaurierungsbericht 1996 im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
[8] http://www.sg-lenzburg.ch/web/?Gesellschaft___Vereinsgeschichte (Zugriff 13.10.2017).
[9] Restaurator Stephan Link vermutete 1995, dass hier ein Wandbild von Werner Büchli vorgesehen war, zumal der Grundputz mit jenem der Sgraffito-Malereien von Büchli am Angelrain-Schulhaus (Bauinventarobjekt LEN916) und am Pestalozzi-Denkmal in Birr übereinstimmt. Vgl. Untersuchungsbericht 1995 im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
Literatur:- Heiner Halder, Cholerahaus musste dem Zweck nie dienen, in: AZ, 21.12.2016.
- Heiner Halder, Das Lenzburger „Cholerahaus“ stahlt in neuem Glanz, in: Mittelland-Zeitung, 22.12.1995.
- Alte Ansichten von Lenzburg. Gemälde und Grafiken von 1470-1900, hrsg. von der Ortsbürgerkommission der Stadt Lenzburg und der Stiftung pro Museum Burghalde, Aarau 1992, S. 149 (histor. Ansicht).
- Liebes altes Lenzburg, Fotos von anno dazumal, hrsg. von der Ortsbürger-Kommission Lenzburg und der Stiftung Pro Museum Burghalde Lenzburg, Lenzburg 1986, S. 134 (histor. Aufnahme).
- Aargauisches Kantonal-Schützenfest Lenzburg vom 17.-25. Juni 1911. Offizieller Fest-Führer, Lenzburg 1911, S. 59.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten: Untersuchungsbericht Fassaden 1995; Restaurierungsbericht 1996.
- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
DOK-LEN839.007 Schützenmatte 7, Cholerahaus (=LEN931), Keine Angabe (Dossier (Dokumentationsobjekte))
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=39492
 

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