INV-WEG922 "Alte Trotte", 1803-1804 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-WEG922
Signatur Archivplan:WEG922
Titel:"Alte Trotte"
Bezirk:Rheinfelden
Gemeinde:Wegenstetten
Adresse:Hauptstrasse 72
Versicherungs-Nr.:39
Parzellen-Nr.:292
Koordinate E:2637094
Koordinate N:1260747
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2637094&y=1260747

Chronologie

Entstehungszeitraum:1803 - 1804
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerliches Wohnhaus

Dokumentation

Würdigung:Wohnhaus von 1803/04 mit rechtwinklig angebauter Scheune, das mit seinem hohen Anteil an originaler Bausubstanz und historischen Ausstattungsteilen ein bedeutendes Zeugnis der Bau- und Wohnkultur um 1800 darstellt. Das ursprünglich zur Einrichtung einer Gastwirtschaft vorgesehene Gebäude verfügt über einen originellen Grundriss und teilweise aussergewöhnliche Raumhöhen. Der Name "Trottehuus" leitet sich von der ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzung des Gebäudes ab. Sowohl im hinteren Teil des Wohnhauses als auch im Bereich der Scheune waren um 1850 je eine Baumtrotte aufgestellt. Der weitgehend aus verputztem Bruchsteinmauerwerk aufgeführte Baukörper wird vom giebelständigen Wohnhaus dominiert, das als riegelartiges Element in der Kurve der Hauptstrasse das Siedlungsbild im südlichen Ortsteil in erheblichem Masse prägt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das unter dem Namen "Trottehuus" bekannte Wohnhaus entstand 1803/04 im Auftrag von "Sonnen"-Wirt Josef Gass-Walde, dem damals auch die Gasthäuser "zum Schwanen" (vgl. ehem. Mühle, Bauinventarobjekt WEG925) und "zum Schlüssel" (Bauinventarobjekt WEG919) gehörten [1]. Im Neubau sollte ebenfalls eine Gastwirtschaft eingerichtet werden, versprach sich Josef Gass vom Marktrecht, das Wegenstetten 1804 erteilt wurde, doch einen grossen wirtschaftlichen Aufschwung. Finanzielle Probleme zwangen Gass aber gegen Ende der Bauzeit zum Verkauf des Hauses. Dieses ging 1855 an Johann Baptist Hürbin, Meisterknecht des damals aufgelösten Klosters Olsberg, über, der zusammen mit seiner Frau, der früheren Olsberger Klosterköchin, nach Wegenstetten zog und im neu erworbenen Haus einen Landwirtschaftsbetrieb aufbaute. Die unter leicht höherem First rechtwinklig an den Wohnbau anschliessende Scheune dürfte daher eine kurz nach der Errichtung des Wohnbaus erfolgte Ergänzung durch die neuen Eigentümer sein. Der ehemals als Tanzsaal vorgesehene Raum im Obergeschoss wurde als Heubühne benutzt. Der zugehörige Rebberg veranlasste Hürbin ausserdem zum Einbau von je einer Traubenpresse im rückwärtigen Teil des Wohntraktes sowie der Scheune, wovon sich der Hausname "Trottehuus" ableitet.
Im Brandkataster von 1850 ist das Gebäude beschrieben als "Wohnhaus nebst Weintrotte mit Trottbaum, Anbau mit Scheune und Stall, Futtertenn und Weintrotte mit Trottbaum; von Stein, Holz; mit Ziegeldach" [2]. Die eichenen Trottbäume wurden bereits in den 1880er Jahren in die Ostschweiz verkauft [3]. Das Haus selbst bewahrt insbesondere im Wohnteil einen hohen Anteil an originaler Bausubstanz und Ausstattungsteilen.
Beschreibung:Die "Alte Trotte" nimmt an der Hauptkreuzung im südlichen Ortsteil eine zentrale Stellung ein. Der winkelförmige Baukörper setzt sich aus einem giebelständigen Wohnhaus und einer winkelförmig anschliessenden, um Vorplatztiefe zurückversetzten traufständigen Scheune zusammen. Die beiden Satteldächer – eine gerade Rafenkonstruktion am Wohnhaus und ein leicht geknicktes Sparrendach mit etwas höherem First am Scheunentrakt – fügen sich in einem Walm ineinander. Nordseitig werden die Gebäudeteile jeweils von einem Schopf unter Pultdach flankiert.
Die nach Osten gerichtete, hart an die Strasse grenzende Stirnfront des Wohnhauses, ist die Hauptfassade des Gebäudes. Sie wird durch drei Fensterachsen regelmässig gegliedert und ist im Giebelfeld mit einer kleinen Lünette und einem auffallend grosszügigen Rechtecklicht besetzt, das früher vielleicht auch als Aufzugsöffnung diente. Axial ist auch die Fensterverteilung auf der von Weinreben etwas überwachsenen südlichen Traufseite, wobei hier die Abstände dazwischen abhängig von der inneren Raumstruktur unterschiedlich ausfallen. In der mittleren Achse führt ein ebenerdiger Eingang mit zweiflügliger Holztür in den Trottenraum. Der ebenfalls zweiflüglige Wohnungseingang befindet sich gegenüber auf der Nordseite, hinter dem Schopf versteckt, im Gebäudewinkel direkt neben dem Stalleingang.
Mit Ausnahme der in Sandstein gefassten vorderen Obergeschossfenster sind alle Gewände aus Holz gearbeitet. Zur Strasse hin werden sie am Erdgeschoss von profilierten Leisten gerahmt. Während die verputzten Fassaden aus Bruchsteinmaterial aufgeführt sind, bestehen die Binnenwände aus Fachwerk, das mit lehmverstrichenem Rutenflechtwerk gefüllt ist. In die Deckenbalken sind Holzscheite in enger Reihung eingenutet, wodurch sich eine sehr tragfähige Konstruktion ergibt [4].
Aufgrund der ursprünglichen Nutzungsabsicht als Gastwirtschaft verfügt das Wohnhaus über einen aussergewöhnlichen, individuellen Grundriss [5]. Die erste Raumschicht hinter der strassenseitigen Stirnfront nehmen im Erdgeschoss eine Küche, Stube und Nebenstube/Schlafzimmer ein, welche jeweils ein Fenster zur Strasse hin haben. Der hintere Bereich des Hauses ist in einen Vorraum hinter der Küche, einen ausgedehnten, spärlich belichteten Raum mit zwei Doppelflügeltüren (einer seitlichen und einer hinteren zum Schopf) im Süden und einen von diesem aus zugänglichen Gewölbekeller im Norden unterteilt. Die ursprüngliche Zweckbestimmung des grossen südseitigen Raums, in dem Hürbin einen Trottbaum montierte, ist nicht überliefert. Die für den Gastwirtschaftsbetrieb vorgesehenen Räume befinden sich im Obergeschoss, welches eine überdurchschnittliche Höhe von drei Metern aufweist. Hier sind eine weitere Küche und eine Gaststube mit stattlichen Raumtiefen untergebracht. In diesem ca. 6 auf 8 Metern messenden Saal, der mit einem Podest für die Tanzmusik ausgestattet ist, hat sich ein aus Reliefkacheln im Jugendstil aufgesetzter Kachelofen mit Sitzkunst aus der Zeit um 1900 erhalten. Die obere Küche birgt einen eisernen Sparherd aus dem 19. Jh., über den sich noch die alte "Chemihurd" spannt. Über Trottenraum und Keller besteht eine offene Diele. Im Keller haben sich das Fasslager samt einigen grossen Mostfässern sowie ein Hängegestell für die Lagerung von Lebensmitteln erhalten.
Im angegliederten Scheunentrakt reihen sich Pferde- und Viehställe, ein Futtertenn und ein aussenliegendes Tenn aneinander. Den Abschluss im Norden bildet eine mächtige verputzte Bruchsteinmauer, an die sich unter einem Pultdach eine offene Remise anlehnt. Dem Futtertenn und dem Stall ist eine holzverschalte Laube vorgelagert, die mit der gleichfalls verschalten Tennfront fluchtet. Rückseitig zieht sich über fast die ganze Länge des winkelförmigen Gebäudes ein in die Dachlandschaft integrierter hölzerner Schopf, der zeitweise ebenfalls eine Weintrotte mit Trottbaum aufnahm.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Schreiber-Brändlin 1996, S. 76, 81.
[2] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0586-0588: Brandkataster Gemeinde Wegenstetten 1850-1938.
[3] Schreiber-Brändlin 1996, S. 76.
[4] Schreiber-Brändlin 1996, S. 76; Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, IX-12, 4.
[5] Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, IX-12, 4.
Literatur:- Hans Schreiber-Brändlin, Dorfgeschichte Wegenstetten, Wegenstetten 1996, S. 76, 81.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Basel 2002, S. 173 (Abb. 339), 177 (Abb. 345), 223 (Abb. 479, 481).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0586-0588: Brandkataster Gemeinde Wegenstetten 1850-1938.
- J. Ackermann, Aufnahmen von älteren Häusern und Hausgruppen, 1934, Blatt Nr. 21 (Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv).
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, IX-12, 4.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Materialien.
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
DOK-WEG839.001 Hauptstrasse 72, Alte Trotte (= INV-WEG922), 1803-1804 (Dossier (Dokumentationsobjekte))
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=47376
 

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