INV-OFT935 Schwarzhaar 10, 1835 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-OFT935
Signatur Archivplan:OFT935
Titel:Schwarzhaar 10
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Oftringen
Ortsteil / Weiler / Flurname:Wolfbach
Adresse:Schwarzhaar 10
Versicherungs-Nr.:278
Parzellen-Nr.:1381
Koordinate E:2636469
Koordinate N:1241227

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1835
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:OFT936
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Repräsentatives Wohnhaus, Villa

Dokumentation

Würdigung:Stattliches Fabrikantenwohnhaus aus der Zeit um 1835, welches auf die Gründungszeit der Handweberei und Färberei Meyer im Wolfbach zurückgeht. Der dreigeschossig aufragende Mauerbau weist in seiner Gesamtanlage klassizistische Züge auf, während die stichbogigen Fensterformen noch dem Spätbarock angehören Eine kurz vor 1900 erstellte gartenseitige Loggia mit Kunststeinsäulen und neubarockem Geländer verleiht dem Wohngebäude eine repräsentative Note. Im Zusammenspiel mit der zeitgleich errichteten Scheune (Vers.-Nr. 280), einem zweiten, kleineren Wohnhaus (Vers.-Nr. 282) sowie dem 1857 entstandenen grossen Fabrikgebäude (Vers.-Nr. 283; Bauinventarobjekt OFT936) ergibt sich eine aussagekräftige frühindustrielle Baugruppe von hohem lokalgeschichtlichem Zeugenwert.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Der Textilbetrieb im Wolfbach geht auf eine Handweberei mit Ferggerei (Verlagssystem) zurück, die 1835 durch die in Oftringen wohnhafte Unternehmerfamilie Meyer gegründet wurde [1]. Vermutlich aus der Anfangszeit des Unternehmens stammen das stattliche, hier beschriebene Fabrikantenwohnhaus (Vers.-Nr. 278), die zugehörige Scheune (Vers.-Nr. 280) und ein zweites, stöckliartiges Wohnhaus mit Lager- und Speditionsräumen (Vers.-Nr. 282). Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1850 sind die drei Gebäude folgendermassen beschrieben: "Wohnhaus, 3-stökig von Mauer, 2 gewölbte Keller, mit angebauter eingewandeter Laube und Ziegeldach; Scheune, 2-stökig von Mauer, nebst Wagenschopf von Mauer und Holz, mit Ziegeldach; Wohnhaus, 2-stökig von Mauer, unten Magazin, angebauter doppelter Schweinestall von Holz, mit Ziegeldach", alle im Eigentum von Abraham Meyer [2].
Das grosse Fabrikationsgebäude Vers.-Nr.283 (Bauinventarobjekt OFT936) kam gemäss Brandkatasterakten 1857 hinzu. Ebenfalls in den 1850er Jahren entstand unten am Dorfbach eine kleine, heute stark veränderte Färberei, die später einen markanten Hochkamin erhielt. Die Mechanisierung des Textilunternehmens wurde dann im 1887 erworbenen Zweigbetrieb, einer Weberei im bernischen Kleindietwil, vorangetrieben. Da Nachkommen fehlten, ging das Unternehmen, das damals etwa 50 Arbeitskräfte beschäftigte, 1892 an die von der Kreuzstrasse stammende Familie Johann Roth-Meyer über. 1901 erwarben die Gebrüder Erhard und Louis Roth den Betrieb, 1925 ging er an Erhards Sohn Norman über. Unter der Bezeichnung Bunt- und Leinenweberei N. Roth & Cie. erweiterte das Unternehmen die Produktepalette zusehends [3]. In der Wolfbach-Villa residierte der Textilfabrikant Norman Roth-Schneeberger (1880-1956) und pflegte hier mit Hausangestellten, Dienstchauffeur und Gärtner einen standesgemäss aufwendigen Lebensstil [4].
Nach dem Tod von Normann Roth 1956 übernahm der langjährige Geschäftsführer Walter Borner aus Kleindietwil das Geschäft und verlegte 1959 Firmensitz und Produktion dorthin. Am Gründungsstandort in Oftringen wurden die Gebäude in beschränktem Umfang weiterhin genutzt. Die bis Ende des 20. Jh. noch freistehende ländlich-gewerbliche Baugruppe ist heute in eine moderne Wohnüberbauung integriert. 2010 fand eine umfassende Renovation des ehemaligen Fabrikantenwohnhauses statt.
Beschreibung:Der stattliche Wohnsitz der Fabrikgründer nahm einst eine prominente Stellung am Hangfuss nördlich des alten Dorfkerns ein, heute ist es von jüngeren Wohnhäusern umgeben. Firstparallel zum leicht abfallenden Gelände erhebt er sich als dreigeschossiger Mauerbau unter mittelsteilem, nur knapp vorspringendem Giebeldach. Die talseitig vorgelagerte Gartenanlage, welche aufwendig mit Wegen, Grünflächen und Büschen gestaltet ist, umgibt eine hohe, teils in Beton erneuerte Stützmauer. Der prominent aufragende Baukörper lässt in der Gesamtanlage eine klassizistische Prägung mit Ecklisenen und regelmässiger Fassadengliederung durch fünf traufseitige und zwei stirnseitige Fensterachsen erkennen. Die nach Süden zum Dorf gerichtete Schaufront zeigt eine zeittypische Betonung der Mittelachse durch einen flachen Quergiebel, welcher gleich wie die Stirnseiten mit einer halbkreisförmigen Lüftungsöffnung (Lünette) besetzt ist. Die stichbogig ausgebildeten Fensteröffnungen aus grau gefasstem Sandstein weisen allerdings noch spätbarocke Züge auf. Gartenseitig vorgelagert ist eine prächtige, auf Kunststeinsäulen abgestützte Loggia aus dem späten 19. Jh., deren Balkon noch das originale, aufwendig gestaltete Eisengeländer bewahrt [5].
Das mit einer Bänderung gekennzeichnete Kellergeschoss kann strassenseitig nahezu ebenerdig durch rechteckige Kellertore betreten werden. Die Erschliessung im Erdgeschoss verläuft über einen durchlaufenden Mittelgang, der rückwärtig auf das Treppenhaus mündet. Die hangseitige Laubenfront wurde nachträglich ummauert, die anschliessenden Flachdachbauten erfuhren anlässlich des Umbaus von 2010 eine teilweise Neugestaltung. Hausinneres nicht gesehen.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte der Textilfabrik vgl. Mäder 1984, S. 33; Hüssy 1993, S. 201; vamus Industriekultur Aargau.
[2] Staatsarchiv Aargau; CA.0001/0636-0639, Brandkataster Gemeinde Oftringen, 1850-1938; die tiefen Versicherungsnummern im Verweis auf das nächstältere, nicht mehr verfügbare Brandlagerbuch von 1828 lässt sogar den Schluss zu, dass die drei Gebäude bereits vor der Gründung des Textilbetriebs 1835 bestanden haben.
[3] 1955 wurde für Matrazendrilche, Bettbarchent, Duvet-Sarcenet, Leintuchstoffe, Küchenwäsche und Schürzenstoffe verschiedener Qualität geworben (Hüssy 1993, S.201).
[4] Eine interessante Schilderung des Unternehmers Norman Roth findet sich bei Bigler 1997, S. 100-105.
[5] Gemäss Brandkatastereintrag wurde 1892 eine Veranda erstellt.
Literatur:- Annelies Hüssy, Oftringen, Die Geschichte eines Dorfes, Ofringen 1993.
- Josef Mäder, Oftringen in alten Ansichten, Zaltbommel (NL) 1984 (Nr. 33).
- Walter Bigler, Oftringer Dorfbachgeschichten 1997.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau; CA.0001/0636-0639, Brandkataster Gemeinde Oftringen, 1850-1938.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=44742
 

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