INV-NIL907 Fabrikgebäude Hetex, 1940-1945 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-NIL907
Signatur Archivplan:NIL907
Titel:Fabrikgebäude Hetex
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Niederlenz
Adresse:Lenzburgerstrasse 2
Versicherungs-Nr.:30
Parzellen-Nr.:20
Koordinate E:2655666
Koordinate N:1250180

Chronologie

Entstehungszeitraum:1940 - 1945
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Fabrikgebäude, Manufakturgebäude

Dokumentation

Autorschaft:Richard Hächler, Lenzburg (Architekt)
Würdigung:Das Hetex-Areal umfasst ein vielfältiges, historisch gewachsenes Fabrikensemble von beträchtlichem industriegeschichtlichem Wert. Ausgehend von einer Mitte des 18. Jahrhunderts gegründeten Indiennedruckerei entstand nach 1810 unter der Lenzburger Fabrikantenfamilien Hünerwadel ein bedeutendes Textilunternehmen mit mechanischer Baumwollspinnerei und -weberei, das bis 1972 als Schweizerische Leinenindustrie AG florierte. Im Zentrum steht der markant aufragende Spinnerei-Hochbau aus der Zeit um 1830 (Kantonales Denkmalschutzobjekt NIL006). Nordwestlich schliesst ein vielgliedriger Gebäudekomplex an, welcher nebst älteren Gebäudeteilen eine nach Plänen des Lenzburger Architekten Richard Hächler errichtete Sheddachanlage mit auffälligem Kopfbau aus den 1940er Jahren umfasst. Bei letzterem handelt es sich um einen dreigeschossigen Flachdach-Bürotrakt, dessen konsequent moderne Gestaltung ihn als bemerkenswerten Exponenten des Neuen Bauens ausweist.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die im Volksmund "Pfupfi" genannte Leinenweberei am südlichen Dorfeingang geht auf eine Indiennedruckerei zurück [1]. Ihre Gründung hatte sich der lange Zeit beim Lenzburger Textilfabrikanten Hünerwadel angestellte Joseph Vaucher anlässlich seiner Einbürgerung in Niederlenz ausbedungen. Vaucher erwarb ein Landstück am Aabach samt gültiger Wasserrechtskonzession. 1757 erhielt er die Bewilligung, dort eine Walke zu errichten und 1758 mit einer Bleiche zu erweitern. Um 1760 waren in der Bleiche gegen 60 Personen beschäftigt; 1764 wurde zusätzlich eine Glätte bewilligt. Die alteingesessenen Bleichebetreiber, allen voran die Witwe Hünerwadel aus Lenzburg, machten dem neuen Konkurrenten Schwierigkeiten, doch durfte Vaucher zumindest sein eigenes Indienne-Druckzeug selber bleichen.
1800 verkaufte Vaucher die Indienne-Druckerei an die Firma Peter Fels & Co. 1810 ging die Firma an Gottlieb Heinrich Hünerwadel (1769-1842) aus Lenzburg über, welcher 1811 die Bewilligung für ein viertes Wasserrad für eine mechanische Spinnerei erhielt. 1813 kam es in der Hünerwadelschen Spinnerei zu einem Aufstand der Angestellten, der als erster Fabrikarbeiterstreik der Schweiz in die Geschichte einging [2].
Die ältesten heute noch bestehenden Gebäude sind der Spinnerei-Hochbau aus der Zeit um 1830 (Kantonales Denkmalschutzobjekt NIL006) und die östlich des Fabrikgeländes stehende Villa Hünerwadel von 1833 (Bauinventarobjekt NIL904); eine zweite stattliche Fabrikantenvilla aus der Zeit um 1845 (Direktorenhaus) besteht heute nicht mehr. Einem abermaligen Ausbau der Anlage 1881 folgte in den frühen 1890er Jahren der Konkurs. Von der aargauischen Kreditanstalt ging die Fabrik 1895 an den Zürcher Textilunternehmer Heinrich Meyer-Wespi, der hier eine Tricotweberei und eine Flachsspinnerei errichtete. 1900 erfolgte der Zusammenschluss mit der Schaffhauser Leinenspinnerei Schleitheim zur Vereinigten Leinenspinnerei Schleitheim-Niederlenz.
1918 kam als zusätzlicher Produktionszweig die in Schleitheim aufgegebene Weberei nach Niederlenz. Hierzu wurde westlich des damals noch bestehenden Direktorenhauses ein grosszügiger Neubau durch die Lenzburger Baufirma Theodor Bertschinger erstellt (Bauinventarobjekt NIL909).
Der fortan unter dem Namen Schweizerische Leinenindustrie SLI AG Niederlenz geführte Betrieb erfuhr nach dem Zweiten Weltkrieg einen neuerlichen Ausbauschub. Im Gefolge dieser Expansion entstand in den 1940er Jahren nordwestlich des alten Hochbaus (Kantonales Denkmalschutzobjekt NIL006) die neue Spinnerei, welche in mehreren Etappen zu einem vielgliedrigen Gebäudekomplex anwuchs. Projektiert wurde die Anlage durch den Lenzburger Architekten Richard Hächler [3]. Dem "Hausarchitekten" Hächler wurden auch kleinere Bauaufgaben übertragen, so 1948 die Erstellung eines neuen Portierhauses beim Aabach-Übergang (Kantonales Denkmalschutzobjekt NIL008). Hier entstand als letzter Grossbau 1955-56 ein neues Verwaltungsgebäude nach Plänen der Firma Locher & Cie., Zürich (Kantonales Denkmalschutzobjekt NIL007).
Um 1960 beschäftigte die SLI über 600 Angestellte. 1972 ging das Unternehmen an die Heberlein & Co. in Wattwil über, welche am Zweigstandort in Niederlenz Kunstfasergarne herstellte. Nach der 1995 erfolgten Betriebsschliessung wurde das Gebäude zu einem Gewerbe- und Dienstleistungscenter umgenutzt.
Beschreibung:Der Spinnerei-Neubau von 1940/45 gliedert sich in eine etappenweise erstellte Sheddachanlage im Zwickel zwischen Aabach und Hauptstrasse und einen zur Strasse hin markant in Erscheinung tretenden, flachgedeckten Bürotrakt. Der dreigeschossige Würfel ist konsequent modern gehalten, indem er eine formal reduzierte, asymmetrische Gliederung im Sinne des Neuen Bauens zeigt. Die grosszügig bemessenen Fensteröffnungen sind hart in die glatten Fassadenflächen eingeschnitten und bewahren teils noch die bauzeitlichen Eisenfenster. Lediglich der hofseitige Eingangsbereich dürfte eine nachträgliche Veränderung erfahren haben.
Zwischen dem Spinnerei-Neubau und dem Spinnerei-Hochbau von 1830 (Kantonales Denkmalschutzobjekt NIL006) erheben sich noch weitere, verschiedene Ausbauschritte dokumentierende Bauten (Werkstatt Vers.-Nr. 28; Kesselhaus mit Hochkamin Vers.-Nr. 26; Verbindungsbau Vers.-Nr. 274). In ihrer Formenvielfalt tragen sie wesentlich zum lebendigen Erscheinungsbild des Fabrikareals bei.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte der Leinenweberei vgl. Schenkel 1945, S. 27-31; Niederlenz Dorfchronik 1961, S. 150-151; Chronik Gemeinde Niederlenz 1989, S. 64-79; www.vamus.ch.
[2] Zum Streik von 1813 siehe Niederlenz Dorfchronik 1961, S. 70-79.
[3] Zu Richard Hächler siehe Architektenlexikon der Schweiz 19./20.Jahrhundert (Hrsg. Isabelle Rucki/Dorothee Huber), Basel 1998, S.245.
Literatur:- Karl Schenkel, Niederlenz vom Werden und Wachsen einer aargauischen Industriegemeinde, Aarau 1945.
- Niederlenz Dorfchronik, Niederlenz 1961.
- Chronik der Gemeinde Niederlenz, Niederlenz 1989.
- 725 Jahre Niederlenz, Das Buch zum Jubiläumsjahr, Niederlenz 2016.
- Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Basel 1996 (Hrsg. Isabelle Rucki, Dorothee Huber).
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 65.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, DB.W01/0039/02: Wasserwerksplan von 1907.
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
KI-NIL908 Verwaltungsgebäude mit Portierhaus, Keine Angabe (Dossier (Platzhalter))
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=43512
 

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