INV-MUR901 Pfarrkirche St. Goar, 1935-1936 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-MUR901
Signatur Archivplan:MUR901
Titel:Pfarrkirche St. Goar
Bezirk:Muri
Gemeinde:Muri (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Wey
Adresse:Kirchbühlstrasse
Versicherungs-Nr.:153
Parzellen-Nr.:632
Koordinate E:2668089
Koordinate N:1236083
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2668089&y=1236083

Chronologie

Entstehungszeitraum:1935 - 1936
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Sakrale Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Kirche (röm.-kath.)
Epoche / Baustil (Stufe 3):Heimatstil

Dokumentation

Autorschaft:Walter Bosshart-Zumsteg, Architekt, Zürich
Würdigung:Nach Plänen des Zürcher Architekten Walter Bosshardt-Zumsteg erbaute Kirche von 1935/36, welche Turm und Chor eines ansonsten abgebrochenen Vorgängerbaus von 1640-46 integriert. In neoromanischen, gleichzeitig modern reduzierten Formen gehalten, besetzt die Pfarrkirche einen markanten Geländesporn südlich des Klosters und nimmt damit im Ortsbild von Muri als kleineres Gegenüber der Klosterkirche eine prominente Rolle ein. Der Innenraum ist als dreischiffige Basilika mit lichtem Mittelschiff und niedrigen, durch weitgespannte Arkaden abgetrennten Seitenschiffen gestaltet. Anlässlich einer Renovation von 1986-88 wurde die als Zwischenwand eingezogene Chorscheitelwand von 1935/36 entfernt, wodurch sich der Chor im Kontrast zum Neubau von 1935/36 wieder in seinen ursprünglichen Ausmassen präsentiert. Er dient seither als Aufstellungsort einer bemerkenswerten Kreuzigungsgruppe von 1530/40. Turm, Chor und Kreuzigungsgruppe stehen unter kantonalem Denkmalschutz (Objekt MUR008).
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die erste Murianer Pfarrkirche lag an der Stelle des späteren Klosters und wurde bei dessen Gründung im 11. Jh. an die heutige Stelle verlegt. Hier entstand um 1335 der bestehende, 1584 erhöhte Turm, während das Kirchenschiff um 1640-46 durch den Neubau einer Saalkirche mit dreiseitig schliessendem Chor ersetzt wurde [1]. Diesen Vorgängerbau der heutigen Pfarrkirche gedachte man erstmals 1919 zu erweitern, wobei man sich am Umbau der Pfarrkirche von Ebikon LU orientieren wollte. Projekte wurden von Adolf Gaudy aus Rorschach vorgelegt, einem der bekanntesten schweizerischen Kirchenarchitekten seiner Zeit, des weiteren von Albert Rimli, Frauenfeld, Emil Weber, Zug, Wilhelm Hanauer, Luzern sowie von Arthur Betschon, Baden [2]. 1931 wurde eine Baukommission eingesetzt, die Besichtigungen vornahm und mit Josef Zemp und Linus Birchler zwei prominente Vertreter des Fachs als Experten beizog. Zemp war Professor für Kunstgeschichte an der ETH und Präsident der Eidgenössischen Kommission für historische Kunstdenkmäler (heute Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege), sein Schüler Linus Birchler damals Kunstdenkmälerinventarisator von Schwyz und Zug und später Zemps Nachfolger in beiden Funktionen. 1934 stimmte man dem Neubauprojekt von Architekt Walter Bosshart-Zumsteg in Zürich zu, worauf 1935 Kirchenschiff und Beinhaus abgebrochen wurden, während Chor und Turm des Vorgängerbaus erhalten blieben. Im Zusammenhang mit den Abbrucharbeiten wurden durch Architekt A. Schaetzle in Einigen am Thunersee Ausgrabungen im Bereich des Kirchenschiffs durchgeführt. Am Bettag 1936 wurde der Neubau durch Missionsbischof Huwyler aus der Pfarrei Muri eingeweiht.
Beim Einbau der Unterkirche für Unterrichts- und Vereinszwecke (in Form einer Lourdeskapelle) wurden die Fundamente von zwei Kirchen der ältesten Bauperioden freigelegt [3]. 1963 wurden Turm und Chor sowie die Kreuzigungsgruppe von 1530/40, die seit 1960 auf dem Altar des südlichen Seitenschiffs aufgestellt war [4], unter Denkmalschutz gestellt (kantonales Denkmalschutzobjekt MUR008). 1986-88 erfolgte eine durchgreifende Renovation unter der Leitung von Architekt Walter Spettig, Luzern [5]. Dabei näherte man den Chor unter Beseitigung der Einbauten von 1935/36 und mit Rekonstruktion des Triumphogens wieder seinem vorherigen Zustand an und bestimmte ihn zum Aufstellungsort für die Kreuzigungsgruppe. Im Kirchenschiff von 1935/36 ersetzte man wegen Bauschäden die Bodenplatte und die Säulen der Obergadenwände, wobei diese gleichzeitig historisierend ummantelt wurden. Schliesslich erhielt der Innenraum eine neue Decke und eine neue liturgische Ausstattung. 2013 neuer Anstrich im Innern.
Beschreibung:Südlich des Klosters gelegen, nimmt die Pfarrkirche St. Goar zusammen mit dem Pfarrhaus einen markanten Geländesporn ein, der im Zusammenhang mit dem Neubau von 1935/36 durch Terrassenmauern neu gefasst wurde. An Chor und Turm des abgebrochenen Vorgängerbaus gefügt, erhebt sich die Pfarrkirche über einem Sockelgeschoss mit Nebenräumen als dreischiffige Basilika, die von einem hohen, leicht geknicktem Satteldach abgeschlossen wird und in ihrer äusseren Erscheinung so die Grundformen des Vorgängerbaus nachzeichnet. Im Unterschied zu dessen barocken Stichbogenfenstern sind die Fenster am Neubau von neoromanisch geprägten Rundbogen abgeschlossen.
Der Hauptzugang erfolgt von Westen über eine breite Freitreppe mit Granitstufen, die zu einem grossen, offenen Vorzeichen mit Rundbogenarkaden führt. Darüber schmückt ein Mosaik von Albert Schilling von 1937 mit Darstellungen der Heiligen Goar, Burkard von Beinwil, und Bruder Klaus die ansonsten ungeschmückte Westfassade. Der an die nördliche Chorflanke gesetzte Turm stammt in seinen Aussenmauern mit Stockwergurtung aus der Entstehungszeit um 1335; die als rundbogige Zwillingsöffnungen ausgebildeten Schallfenster gehen wohl auf einen Ausbau im Jahr 1584 zurück. Darüber erhebt sich ein hoher, spitzer Turmhelm, dessen Wasserspeier in Form von Drachenköpfen im Jahr 1661 vom Zürcher Kupferschmied Hans Kaspar Zimmermann geliefert wurden [6]. Im Winkel zwischen südlichem Seitenschiff und Chor sind eine aufwendig gearbeitete Gedenktafel für 22 in Muri gestorbene französische Internierte aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und eine einfachere für Soldaten des Ersten Weltkriegs in die Wand eingelassen.
Der flachgedeckte basilikale Innenraum war ursprünglich in neoromanisch beeinflussten, aber modern reduzierten Formen gehalten, wie sie für den Kirchenbau der Zwischenkriegszeit durchaus typisch sind. Seit der Renovation von 1986-88 zeigt er sich in veränderter Erscheinung. Über weitgespannten Rundbögen erheben sich die Obergadenwände, in denen ebenfalls rundbogige Fenster für eine gleichmässige Belichtung des Mittelschiffs sorgen, von dem sich die mit kleinen Zwillingsfenstern spärlicher belichteten niedrigen Seitenschiffe deutlich absetzen. Die Säulen sind seit 1988 in romanisierender Form mit Würfelkapitellen gestaltet, während sie im Zustand von 1936 mit polygonal gebrochenen Schäften aus gelbem Laufener Marmor und ungeschmückten Kapitellen abstrakter stilisiert waren [7]. Gleichzeitig entstand die heutige Decke, die im Unterschied zur ursprünglichen, auch den Chor einbeziehenden flachen Balkendecke auf das Schiff beschränkt ist und durch leichte Anhebung die Mittelachse betont; auch entfernte man die mit einem kreisrunden Betondach bekrönte Kanzel von 1935/36.
Als auffälligste Veränderung entstand 1986-88 die heutige Chorsituation, indem man den polygonalen frühbarocken Chor von 1640-44, der 1753/54 eine Stichbogenbefensterung erhielt, wieder freilegte, mit einer barockisierenden Pilastergliederung versah und durch einen Triumphbogen vom modernen Kirchenschiff absetzte. Er war 1935/36 durch Einbau einer Zwischenwand verkürzt worden, die im Scheitelpunkt der Apsis ein grosses Glasgemälde mit der Kreuzigung Christi von Albin Schweri, Bern, zeigte (vgl. historische Aufnahmen). Heute ist im Chor die um 1530/40 entstandene, unter kantonalem Denkmalschutz stehende Kreuzigungsgruppe aufgestellt, ein wichtiges Werk der Reformationszeit.
Die an der Westwand aufgestellte Statue des Hl. Sebastian (H. 86 cm, Anfang 18.Jh. ) gehört vermutlich der Sebastiansbruderschaft [8]. Im linken Seitenschiff vor der Turmwand befindet sich eine stehende Muttergottesfigur mit Zepter und Krone, daneben eine ebenfalls farbig gefasste und teilvergoldete Statue des Nährvaters Joseph [9]. Die Kreuzwegstationen sind Bronzereliefs von Eduard Spörri, Wettingen (1938) [10]. Grosse Orgel mit 46 Registern auf breiter Empore, gebaut von Metzler und Cie. in Dietikon; Geläute von Rüetschi in Aarau, angepasst an dasjenige des Klosters.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung, Erhaltungsziel A.
Anmerkungen:[1] Ausführliche Beschreibung bei Germann Kdm AG V 1967, S. 190-204, zum Vorgängerbau v.a. S. 197f. – Zwei in jüngerer Zeit wieder aufgefundene Pilasterfragmente der alten Pfarrkirche waren 1998 bei Restaurator Josef Brühlmann, Muri, in Verwahrung (Kurzinventar 1998).
[2] Pfarrarchiv Muri (nach Kurzinventar 1998).
[3] Argovia 66 (1954), S.114ff.
[4] Vgl. Peter Felder, „Rettung“ von spätgotischen Bildwerken in Muri, in: Unsere Kunstdenkmäler 11, 1960, S. 88 f. u. Germann Kdm AG V 1967, S. 198.
[5] Akten zur Restaurierung im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege: MUR008.
[6] Germann Kdm AG V 1967, S. 192.
[7] Zur ursprünglichen Ausstattung des Neubaus vgl. Schilter 1957, S. 43-47.
[8] Germann Kdm AG V 1967, S. 198.
[9] Beides Ankäufe aus jüngerer Zeit durch den Lourdes-Pilgerverein; freundl. Auskunft von J. Brühlmann, Muri, 1998.
[10] Vgl. Kaufmann 1989.
Literatur:- Georg Germann, Der Bezirk Muri (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band V), Basel 1967, S. 190-204.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 97f.
- Eugen Kaufmann, Der Kreuzweg in der Pfarrkirche Muri von Eduard Spörri, Baden 1989.
- Peter Felder, „Rettung“ von spätgotischen Bildwerken in Muri, in: Unsere Kunstdenkmäler 11, 1960, S. 88 f. u. Germann Kdm AG V 1967, S. 198.
- Josef Schilter, Die Benediktinerabtei Muri im aargauischen Freiamt.: Führer durch Bauten und Geschichte, 2., stark veränd. Auflage, Muri 1957, S. 43-47.
- Argovia 66 (1954), S.114ff.
Quellen:- Pfarrarchiv Muri (Pläne 1919 u. 1935/36).
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
STC-MUR839.002 Pfarrkirche, abgebrochen, 1757 (Dossier (Spezialinventare))
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=42432
 

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