INV-MUH905 Köllikerstrasse 1, 1577 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-MUH905
Signatur Archivplan:MUH905
Titel:Köllikerstrasse 1
Bezirk:Aarau
Gemeinde:Muhen
Ortsteil / Weiler / Flurname:Mittelmuhen, Breite
Adresse:Köllikerstrasse 1
Versicherungs-Nr.:119
Parzellen-Nr.:2232
Koordinate E:2646533
Koordinate N:1242558
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2646533&y=1242558

Chronologie

Entstehungszeitraum:1577
Grundlage Datierung:Inschrift (Kellereingang)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Inschriften:1577 (Türsturz Stock); "BH HR 1790" (Hauseingang)
Würdigung:Exponiert in der Talebene der Suhre stehendes ehemaliges Bauernhaus, das trotz einiger Umbauten den in der Region einst weit verbreiteten Typus des abgewalmten Strohdachhauses mit gemauertem „Stock“ (= massiver, feuersicherer Einbau in strohgedeckten Holzhäusern) noch anschaulich repräsentiert. Mit einer Datierung von 1577 gehört das Gebäude zu den ältesten noch bestehenden Bauernhäusern im Kanton. Von der Grundanlage her weist es eine grosse Ähnlichkeit mit dem museal erhaltenen „Lüscherhaus“ auf (Kantonales Denkmalschutzobjekt MUH004). Ohne nennenswerte Veränderungen hat sich die russgeschwärzte Rafendachkonstruktion auf drei imposanten eichenen Hochstüden erhalten. Die ursprüngliche Bohlenständerkonstruktion ist mit zimmermannstechnisch interessanten Details an der südlichen Stubenfront im Obergaden und desgleichen am Scheunentrakt noch gut ablesbar.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das ehemalige Strohdachhaus verfügt über eine lange, bis ins 16. Jh. zurückreichende Baugeschichte, womit es sich vermutlich um das älteste Gebäude der Gemeinde und auch eines der ältesten Bauernhäuser im Kanton handelt [1]. Auf seinen Ursprung verweist eine Jahrzahlinschrift von 1577 am Türsturz des gemauerten Stocks. Aus dieser Zeit dürfte die Grundanlage des Haues mit dem halbgeschossig versetzten Stock, der rauchgeschwärzten Hochstudkonstruktion und den älteren, hölzernen Wandteilen stammen.
Eine am Sturz des nordseitigen Hauseingangs angebrachte Inschrift mit den Initialen "BH HR" (= Bernhard Hunziker) und die Jahreszahl 1790 lassen auf bauliche Veränderungen im ausgehenden 18. Jh. schliessen, bei denen vermutlich grössere Teile der Fassaden, namentlich die gemauerte Nordseite des Hauses mit den grossrechteckigen Fensteröffnungen und dem stichbogigen Türsturz, neu gestaltet wurden [2]. Demgegenüber wurde die erdgeschossige Fassade der südlichen Stubenfront, für die man ursprünglich eine Reihenbefensterung annehmen kann, wohl erst im späten 19.Jh. durch Mauerwerk mit grossen, regelmässig verteilten Rechteckfenstern ersetzt.
Im ersten Brandkatastereintrag von 1806 ist das Gebäude als „Haus samt Scheuerwerk, von Holz, mit steinernem Stock und gewölbtem Keller, mit Strohdach“ eingetragen. Damalige Eigentümerin war die Witwe des obgenannten Bernhard Hunziker [3]. In der Folge verblieb die Liegenschaft über Generationen hinweg in den Händen der Familie Hunziker. Wie auf historischen Fotoaufnahmen zu ersehen ist, hat das Gebäude seine angestammte Strohbedachung lange, in Teilen bis in die 1940er Jahre, beibehalten.
In den 1970er Jahren wurde das Bauernhaus unter weitgehender Beibehaltung der Grundsubstanz zu einem modernen Wohnhaus umgestaltet. Eine erhebliche Veränderung der Umgebung brachte 2003 die Neutrassierung der WSB-Linie mit sich, welcher ein zur Liegenschaft gehörendes Speichergebäude aus dem 18. Jh. zum Opfer fiel.
Beschreibung:Der markante, für ein Strohdachhaus charakteristisch abgewalmte Baukörper steht in Ost-West-Ausrichtung westlich der Suhre in der Talebene, wo er mit dem gleichermassen alten, jedoch starker veränderten Nachbargebäude Köllikerstrasse 3 (Vers.-Nr. 118) die älteste Bebauung von Mittelmuhen bildet. Wesentlicher, intakt erhaltener Bestandteil bildet die gänzlich rauchgeschwärzte Dachkonstruktion, welche von drei eichenen Firstständern („Hochstüden“) getragen wird. Mit den Firstständern, der Firstpfette, dem Unterfirst, den Längs- und Querverstrebungen (Sperrrafen und Windstreben) sowie der gesamten Rundholz-Rafenlage ist sie vollständig erhalten. Zwei der mit ca. 40 cm Seitenlänge überaus mächtigen Hochstüde stehen beidseits des Tenns in den Trennwänden zum Wohnteil bzw. zum Stall, wo sie in das aus Eichenschwellen gezimmerte Grundgerüst eingezapft sind. Der dritte Firstständer über dem Wohnteil ist in gängiger Art auf der Feuermauer zwischen Küche und Stube abgefangen.
In der Grundanlage ist das Gebäude gut mit dem 1721 datierten Strohdachhaus „Lüscher“ (Kantonales Denkmalschutzobjekt MUH004) vergleichbar [4]. Es handelt sich um einen bäuerlichen Vielzweckbau in der Nutzungsabfolge Wohnteil, Tenn, Stall und Futtertenn (Mittertennhaus). Im Wohnteil präsentiert sich das Gebäude ähnlich wie das "Lüscherhaus" als Stockhaus. Die Nordostecke des in Ständerbauweise gefügten Hausgerüsts nimmt ein rundum gemauerter, halbgeschossig versetzter Stock ein (Stock= massiver, feuersicherer Einbau in strohgedeckten Holzhäusern) [5]. Nach Süden und nach Westen setzen sich die Fassaden in verputztem Mauerwerk fort. Die gefalzten Rechteckfenster des Stocks wie auch die Fenstergestaltung der Aussenwände dürften der Umbauphase von 1790 entstammen. Demgegenüber zeigt die nach Süden gerichtete Stubenfront im Bereich des Obergadens noch das originale hölzerne Ständerwerk mit liegender Bohlenausfachung, steil angeblatteten Kopfhölzern (Blattsassen noch erkennbar), altertümlichen gekrümmten Eichenbügen und einem durchlaufenden profilierten Brustriegel (Fensteröffnungen teilweise jüngeren Datums). Die erdgeschossige Fassade bestand ursprünglich wohl ebenfalls aus Ständerwerk mit Reihenfenstern (analog zum „Lüscherhaus“), wurde aber im ausgehenden 19.Jh. durch Mauerwerk mit grossen, regelmässig verteilten Rechteckfenstern ersetzt.
Der neben dem Tenn gelegene nordseitige Hauseingang führt in einen ursprünglich wohl zur Küche gehörenden Vorraum, in welchen auch der dem Tenn entlang geführte Flur mündet [6]. Der Stock ragt nordseitig über die Flucht der Scheune hinaus. Sein mit einer Balkendecke ausgestatteter Keller ist womöglich wegen dem hohen Grundwasserspiegel nur halbgeschossig abgetieft und hebt die Stockkammer um einige Stufen über das Erdgeschossniveau an. In den breit gefasten, segmentbogigen Sandsteintürsturz zum Keller ist die Jahreszahl 1577 nebst einem Steinmetzzeichen eingemeisselt. Der Eingang in die Stockkammer weist ein stichbogiges Türgewände auf.
Im Zentrum des Hauses, zwischen dem nordseitigen Stock und der südlichen Stubenfront, liegt die langgestreckte Küche, die an der östlichen Stirnseite über einen zweiten, direkten Aussenzugang mit stichbogigem Sandsteingewände verfügt. Der Raum über der Küche, die man sich im ursprünglichen Zustand als zweigeschossige offene Rauchküche mit Funkenfang „Chemihurd“ und russgeschwärzter "Füürteli" vorstellen muss, wurde nach dem Einzug einer Decke zwischenzeitlich ebenfalls als Küche genutzt. Zur Erschliessung des Obergeschosses diente früher eine hölzerne Aussentreppe auf der Ostseite des Hauses. Die heute mit der Nebenstube zu einem einzigen Raum zusammengefasste erdgeschossige Stube bewahrt weitgehend noch ihr spätbarockes Kleid. Zwei profilierte Unterzüge tragen einen Bretterboden aus überschobenen Bohlen, die Wände zeigen einfaches, durch profilierte Friesbretter geteiltes Täfer. Die Zugänge zum Stock bewahren noch spätbarocke Brettertüren mit aufgedoppeltem Rahmenwerk (Inneres gemäss Kurzinventar von 1994).
Der Scheunenteil ist weitgehend noch in der ursprünglichen Konstruktion als Bohlenständerbau auf eichenem Schwellenkranz erhalten und zeigt weiterhin die althergebrachte Aufteilung in Tenn, Stall und Futtertenn. Das Tenn dient heute als grosser, offener Wohnraum, im Stall sind ein Schlafzimmer und ein Badezimmer, im anschliessenden Futtertenn ein Geräteraum und eine Werkstatt untergebracht.
Anmerkungen:[1] Eine Chronologie der baugeschichtlich untersuchten Strohdachhäuser findet sich bei Räber 2002, S. 446-449.
[2] Der Türsturz befindet sich nicht mehr an seinem angestammten Platz, da die Eingangspartie erneuert wurde.
[3] Staatsarchiv Aargau, ZwA 1936.0001/0220-0223: Brandkataster 1809-1899; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0022: Brandkataster Muhen 1899-1938.
[4] Ausführliche Beschreibung des denkmalgeschützten "Lüscherhauses" unter anderem in Räber 2002, S. 276-285.
[5] Zum Phänomen des "Stocks" bei ehemaligen Strohdachhäusern vgl. Räber 2002, S. 214-215, 250-252.
[6] Im frühen 20.Jh. war hier eine kleine Küche eingerichtet, die zusammen mit der Stockkammer eine winzige Wohnung bildete (freundliche Mitteilung Max Lüscher, Muhen, 1994).
Literatur:- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 45.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2: Fricktal und Berner Aargau, Baden 2002.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1936.0001/0220-0223: Brandkataster 1809-1899; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0022: Brandkataster Muhen 1899-1938.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Dokumentation Kirchhofer (2012).
- Fotodokumentation Peter und Denise Huber (2014).
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=42228
 

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