INV-LEN935 Wylgasse 2/4, 17. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-LEN935
Signatur Archivplan:LEN935
Titel:Wylgasse 2/4
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Ziegelacker
Adresse:Wylgasse 2, 4
Versicherungs-Nr.:395
Parzellen-Nr.:392, 389
Koordinate E:2655864
Koordinate N:1248598

Chronologie

Entstehungszeitraum:17th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus mit Gewerbelokal

Dokumentation

Würdigung:Baugeschichtlich komplexes, heutiges Doppelwohnhaus, das in seinem Kern noch auf das 17. Jahrhundert zurückgehen dürfte und im 19. Jahrhundert lange eine Wagnerei beherbergte. Der ursprünglich wohl in Ständerbauweise errichtete Baukörper, der heute mehrheitlich aus Fachwerk besteht und teilweise verputzt ist, trägt ein einseitig abgewalmtes Knickdach und hat sich in seiner äusseren Erscheinung als einer der wenigen Zeugen der vormodernen Vorstadtbebauung des 17. und 18. Jahrhunderts erhalten. Erwähnung verdient im ansonsten stark erneuerten Inneren eine sicherlich auf die Entstehungszeit des Hauses zurückgehende Wendeltreppe, die durch ihre hölzernen Blockstufen und das offengelassene Treppenauge eine konstruktionsgeschichtliche Rarität bildet.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Gebäude dürfte nach seinen altertümlichen Bauformen noch auf das 17. Jh. zurückgehen, wofür insbesondere das Kellerportal, die mächtige Schwelle und der hölzerne Blockstufenwendel im Hausteil Wylgasse 2 anzuführen sind. Ursprünglich handelte es sich wohl um einen in Ständerbauweise errichteten bäuerlichen Vielzweckbau mit westlichem altem Wohnteil und hangseitiger Scheune. Durch sukzessive Umbauten erhielt das Gebäude im Verlauf einer nicht in allen Details zu klärenden Baugeschichte seine heutige Gestalt als mehrteiliges Wohn- und Gewerbehaus [1]. Der erste verfügbare Brandkatastereintrag von 1829 lautet auf ein „einstökiges [nach heutiger Zählung zweistöckiges] Wohnhaus mit 2 Trämkellern und mit Scheuerwerk von Rieg und Ziegeldach“. Das Gebäude war damals noch ungeteilt und befand sich im Eigentum des Rudolf Kieser, Mezger. 1836 ging die Liegenschaft an Samuel Widmer, Wagner, über, von dem es im selben Jahr heisst, er habe „aus dem Scheuerwerk eine Wagnerwerkstatt errichtet“ [2]. Ebenfalls im selben Jahr trennte man eine Wohnung ab, die nun als Eigentum des Samuel Sandmeier, Schneider, erschien. 1840 wurde eine weitere Wohnung abgetrennt, worauf die Liegenschaft bis ins 20. Jh. hinein eigentumsrechtlich dreigeteilt blieb und von verschiedenen Handwerkern bewohnt wurde. Der Hausteil mit der Wagnerwerkstätte – vermutlich der ehemalige Scheunentrakt – ging 1849 an Abraham Marti, ebenfalls Wagner, über. Der zweite Hausteil, der gemäss dem Schätzwert etwa gleich gross war, gelangte 1885 von Samuel an Abraham Sandmeier, wiederum Schneider. Der dritte, etwas kleinere Anteil gehörte ab 1840 zunächst Rudolf Fischer, Hafner, dem 1747 Samuel Müller, Küfer, 1857 Rudolf und 1860 Jakob Halder, beide Weber, folgten.
1982/83 erfolgte eine Gesamtrenovation, wobei das Innere unter Erhaltung der Grundkonstruktion und einzelner Ausstattungsstücke stark erneuert wurde. 2016 erfolgte am Hausteil Wylgasse 2 eine weitere Renovation mit Eingriffen in die Raumstruktur, Dämmung des Daches sowie dem Ausbruch eines grossen Fensters an der Südseite [3].
Beschreibung:Das stirnseitig an die Wylgasse stossende Doppelwohnhaus tritt von der Burghalde her als traufbetonter, riegelartiger Baukörper in Erscheinung und bezeugt in seiner näheren Umgebung als letztes Gebäude die ältere Vorstadtbebauung aus der Zeit vor dem 19. Jh. Das mehrheitlich in Fachwerk aufgeführte, teilweise verputzte Gebäude, das quer zum First in zwei unterschiedlich grosse Teile gegliedert ist, trägt ein ausladendes, westlich teilweise abgewalmtes Knickdach. Die traufseitige Gliederung mit sechs, jeweils paarweise angeordneten Fensterachsen lässt noch die für das 19. Jh. dokumentierte Dreiteilung des Hauses erahnen. Der westliche, talseitige Hausteil mit verputzten Aussenwänden und nordseitig insgesamt vier Fensterachsen ist dabei als ursprünglicher Wohnteil anzusprechen. Auf ein hohes Alter des Kernbaus verweist das gefaste steinerne Rundbogenportal im teilweise freiliegenden Kellergeschoss der westlichen Stirnseite. Darüber erhebt sich eine zweigeschossige, hölzerne Laube (1983 erneuert). Die wohl im Lauf des 19. Jh. entstandene Einzelbefensterung zeigt entsprechend der Fachwerkkonstruktion auch am verputzten westlichen Hausteil hölzerne Einfassungen. Der Hauseingang liegt in der westlichen Achse der Nordseite und besitzt noch ein Türblatt aus dem 19. Jh. samt Oblicht. Die nach Süden gerichtete Stubenfront des Ursprungsbaus besitzt einen weiteren Eingang, der früher vielleicht dem mittleren Hausteil diente. Daneben öffnet sich ein grosses, aluminiumgerahmtes Kastenfenster vom Umbau von 2016.
Der hangseitige, östliche Hausteil Wylgasse 4 erhielt wohl im Lauf des 19. Jh. einen westseitigen, nachträglich nochmals erweiterten Anbau, wobei das Hauptdach über den ersten, zum Wohnhaus gehörenden Bereich herabgeschleppt ist, der äussere Werkstattanbau hingegen unter einem Quergiebel liegt. An der Westseite des Anbaus liegt heute der Eingang zu diesem Hausteil. Der Werkstattanbau stammt in seiner heutigen Gestalt als teilweise mit Eternitschindeln verschalter Holzbau aus dem früheren 20. Jh. Die weitgehend geschlossenen Dachflächen sind über beiden Hausteilen mit Biberschwanzziegeln eingedeckt.
Im Inneren des westlichen, wohl ursprünglichen Wohnteils, sind die Balkenlagen über Erd- und Obergeschoss und teilweise die Raumstruktur erhalten. Die Oberflächen sind vollständig erneuert. An der Stubenfront ist innenseitig noch der ausgesprochen mächtige, altertümlich wirkende Schwellenkranz der ehemaligen Ständerkonstruktion zu erkennen. Ein äusserst seltenes und interessantes Einzelstück stellt eine Wendeltreppe aus hölzernen Blockstufen dar, die noch dazu mit offenem Treppenauge konstruiert ist – „eine Konstruktion von einmaliger Kühnheit, ist sie doch teilweise seitlich nicht einmal eingebunden oder aufgelagert“ [4]. Ein ähnliches Stück besteht im Treppenturm der nahegelegenen Alten Burghalde (Kantonales Denkmalschutzobjekt LEN027); ansonsten dürfte es sich aber weitherum um ein Unikum handeln. Ein signierter, grünweisser Lenzburger Ofen von 1828, der 1982 noch im Erdgeschoss stand, ist nicht mehr erhalten [5]. Vom Dachgerüst sind die liegenden Stuhljoche erhalten; die Sparrenlage ist erneuert.
Im östlichen Hausteil führt vom Hauseingang eine Innentreppe zu den im Obergeschoss gelegenen Hauptwohnräumen; das Erdgeschoss beherbergt ein nordseitig zugängliches Ladenlokal (früher vielleicht eine Werkstatt). Erhalten sind hier noch teilweise die alten Balkendecken. In der Stube steht noch die Sitzkunst eines historistischen Ofens mit Reliefkacheln aus der Zeit um 1900; die küchenseitige Einfeuerungswand zeigt ältere, grüne Kacheln und einen eisernen Sparherd. Die Keller sind in beiden Hausteilen mit Betondecken erneuert.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Gemäss baugeschichtlichen Beobachtungen anlässlich eines Augenscheins von A. Schlatter, Kantonale Denkmalpflege vor Umbauarbeiten im Oktober 1982, im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
[2] Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
[3] Freundl. Hinweise der Eigentümer (2017).
[4] Baugeschichtliche Notizen von 1982 im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
[5] Vgl. ebd.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=39516
 

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