INV-LEN923 Villa Bahnhofstrasse 17, 1915 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-LEN923
Signatur Archivplan:LEN923
Titel:Villa Bahnhofstrasse 17
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Bahnhof
Hist. Name Objekt:Villa Häfliger, vormals Wälli
Adresse:Bahnhofstrasse 17
Versicherungs-Nr.:919
Parzellen-Nr.:1747
Koordinate E:2655567
Koordinate N:1248977

Chronologie

Entstehungszeitraum:1915
Grundlage Datierung:Baugesuch

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Repräsentatives Wohnhaus, Villa
Epoche / Baustil (Stufe 3):Heimatstil

Dokumentation

Autorschaft:Brenner & Stutz (Albert Brenner, 1860-1938, und Walter Stutz, 1878-1955), Architekten, Frauenfeld
Würdigung:1915 nach Plänen der Frauenfelder Architekten Brenner & Stutz für „Hero“-Direktor Hans Wälli-Sultzberger erbaute Villa, die sich als stattlicher Walmdachbau in heimatlich anmutendem Neobarock präsentiert. Das Gebäude, das durch eine sorgfältige Instrumentierung mit Kunststeinelementen und Schmiedeeisengeländern auffällt, ist äusserlich weitgehend intakt erhalten und besitzt auch noch seine hochwertige Ausstattung im Inneren. Der in seiner markanten Lage stadtbildprägende Bau schliesst als jüngster die Zeile von insgesamt vier stattlichen Villenbauten entlang der Angelrainstrasse zur Bahnhofstrasse hin ab. Er kam damit unmittelbar neben die Villa von „Hero“-Gründer Gustav Henckell (Bauinventarobjekt LEN913) zu liegen, mit dem sich Wälli fortan die Leitung der Firma teilte.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Villa wurde 1915 für Hero-Direktor Hans Wälli-Sultzberger errichtet, den Gründer der 1906 mit der „Hero“ fusionierten Konservenfabrik Frauenfeld, der im selben Jahr 1915 als Nachfolger des verstorbenen Karl Roth in die Direktion der Firma eingestiegen war. Mit dem Projekt beauftragte Wälli die in seiner Heimat sehr bekannten Architekten Brenner & Stutz in Frauenfeld, die ab 1906 für die dortige Konservenfabrik und ab 1909 auch für die „Hero“ und deren Umfeld in Lenzburg verschiedene Wohn- und Fabrikgebäude errichtet hatten; später realisierten sie auch das Bezirksschulhaus [1]. Das Gebäude kam in unmittelbare Nachbarschaft der Villa von „Hero“-Gründer Gustav Henckell zu liegen (Bauinventarobjekt LEN913), mit dem sich Wälli die Leitung der Firma teilte.
In den 1950er Jahre wurde der Verandavorbau zu einem Anbau umgestaltet. 1998 errichtete man einen doppelgeschossigen Anbau an der Südwestecke des Hauses [2]. Im Inneren wurde wohl gleichzeitig eine räumliche Trennung zwischen Praxis- und Wohnräumen vorgenommen.
Beschreibung:Die in markanter Lage auf einer Hügelkuppe über der Bahnhofstrasse erbaute Villa ist ein stattlicher Neobarockbau, der von einer grosszügigen Gartenanlage mit altem Baumbestand, Hecken und schöner Einfriedung umgeben wird. Es handelt sich um die nördlichste von vier stattlichen Villen entlang der Angelrainstrasse, von denen die drei anderen um einige Jahre älter und damit auch in einer früheren Formensprache gehalten sind (Bauinventarobjekte LEN913-915). Der zweigeschossige verputzte Mauerbau wird von einem steilen, geknickten Walmdach abgeschlossen. In der repräsentativen, streng axialsymmetrisch gestalteten Strassenfront wird die Mittelpartie im Erdgeschoss durch einen segmentbogigen Standerker betont, der im Obergeschoss einen Balkon trägt und beidseits von einer Achse von Einzelfenstern flankiert wird. Über der Traufe erhebt sich ein breiter, ebenfalls dreiachsiger Dacherker mit ausgeschiedenem Giebelfeld.
Freier gestaltet sind demgegenüber die Schmalseiten. In der Westfassade flankieren eingestellte kannelierte Säulen den Windfang des zurückgesetzten Hauseingangs, dessen Tonnengewölbe mit kassettierten Kunststeinplatten verkleidet ist. Erhalten ist auch das üppige, beschnitzte Türblatt mit kunstvoll verfremdeten Neobarockmotiven. Die Ostseite ist im stark abfallenden Terrain dreigeschossig ausgebildet und besitzt im Keller einen direkten Gartenausgang mit strahlenförmig gestaltetem Türblatt.
Die als Rückseite behandelte Südfassade zeigt in ihrer Mitte das in vertikale Streifen geteilte Treppenhausfenster. Darunter befindet sich der Hintereingang, der ein originell gestaltetes Türblatt mit verschlungenen, polygonalen Leisten besitzt. An der Südostecke liegt ein ursprünglich offener Verandavorbau, der in den 1950er Jahren verschlossen wurde. Im Obergeschoss springt über Eck eine Rundbogenlaube mit Mittelsäule in den Baukörper ein. Türgewände sowie Fensterrahmungen mit barockisierenden Wulstsimsen bestehen aus gelblichem Kunststein, desgleichen die Gliederungselemente von Standerker und Veranda. Durchwegs erhalten sind die hölzernen Jalousieläden. Balkongeländer und Fenstervergitterungen sind schöne Schmiedeeisenarbeiten mit punktuell eingesetzten Barockmotiven. Die weit vorspringende Dachuntersicht ist vertäfert und mit floralen Motiven dekoriert. Das Dach besitzt eine Doppeldeckung mit Biberschwanzziegeln; der kurze First ist an beiden Enden von zwei Kaminen besetzt. An der Südwestecke schliesst ein Anbau von 1998 an.
Im Inneren erreicht man über einen Windfang die grosszügige, zentral gelegenen Halle, an die nörd- und ostseitig die repräsentativen, heute als Zahnarztpraxis genutzten Wohnräume stossen. Südseitig ging die Halle ursprünglich offen in das Treppenhaus über, das heute mit einem lichtdurchlässigen Abschluss von den Praxisräumen abgetrennt ist. Halle und Wohnräume sind mit architektonisch streng gegliedertem Täfer aus kostbarem, holzsichtigem Hartholz versehen. Die Stuckdecken zeigen dagegen schwungvolle, zeittypisch verfremdete Neobarockformen. Einen Blickfang bilden vier lebensgrosse, ganzfigurige Porträtbilder, die frontal gegenüber dem Eintretenden zu beiden Seiten der Esszimmertür als Ölgemälde in das Täfer eingepasst sind und vom Unternehmerstolz des Erbauers zeugen. Sie zeigen in links den Hausherrn sowie seinen Compagnon Gustav Henckell, der in der Nachbarvilla wohnte, rechts die beiden Ehefrauen, jeweils auf Goldgrund und gerahmt von breiten Festons; auf beiden Gemälden findet sich die Signatur A. Baur. Die Obergeschossräume zeigen bauzeitliche Parkettböden und holzsichtige, gefelderte Zimmertüren, die Treppe ein schönes, geschnitztes Balustergeländer. Die aufwendige Dachkonstruktion besitzt ein vollständiges Unterdach aus Holzschindeln. Die beiden Kaminzüge werden über eine aufwendige, ausgemauerte Eisenfachwerkkonstruktion an die gewünschte Stelle im First des Hauses geführt.
Der Garten ist im abfallenden Gelände zur Angelrainstrasse hin entsprechend dem nach 1900 modernen Architekturgartenstil durch Mauern terrassiert und so in verschiedene Bereich unterteilt. Er besitzt einen alten Baumbestand und wird gegen Bahnhof- und Angelrainstrasse hin von einer Umfriedung mit hohem Mauersockel, Mauerpfosten und Staketenzaun umgeben. In einer einspringenden Ecke zwischen beiden Strassenzügen ist der heute nicht mehr benutzte, repräsentative Hauptzugang gelegen, der über eine viertelrunde Freitreppe erreicht wird. Heute erfolgt der Zugang direkt von der Niklausstrasse her, auf die sich der Hauseingang öffnet.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
- Aargauer Heimatschutz AHS / Aargauer Landschaftsarchitekten BSLA, Inventar der Historischen Gärten und Anlagen des Kantons Aargau, Stadt Lenzburg, LEN-G-046.
Anmerkungen:[1] Baueingabepläne im Baugesuchsarchiv. Zu Brenner & Stutz (Albert Brenner, 1860-1938, und Walter Stutz, 1878-1955) vgl. Güntert 2004. Zu den ersten Bauten für die Hero vgl. Hanak 2009, S. 25, zu weiteren Bauten von Brenner & Stutz in Lenzburg vgl. Bauinventarobjekte LEN918, 926, 952, 953. Zu Hans Wälli vgl. Isabel Koellreuter / Martin Lüpold / Franziska Schürch, Hero – seit 1886 in aller Munde. Von der Konserve zum Convenience Food, Baden 2011, S. 22 u. 35.
[2] Freundl. Hinweis der Eigentümer.
Literatur:- Michael Hanak, Architekturgeschichtliches Inventar Industrieareal Hero, Lenzburg, im Auftrag des Stadtbauamtes Lenzburg, 2009 (Stadtbauamt Lenzburg), S. 23f.
- Gabriela Güntert, Sie bauten den Thurgau: Die Architekten Brenner, hrsg. v. Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau (Denkmalpflege im Thurgau, Bd. 6), Frauenfeld 2004, S. 147.
Quellen:- Stadt Lenzburg, Baugesuchsarchiv: Baueingabepläne 1915.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=39444
 

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