INV-GON912 Haldenstrasse 119, 1802 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-GON912
Signatur Archivplan:GON912
Titel:Haldenstrasse 119
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Gontenschwil
Ortsteil / Weiler / Flurname:Kirchdorf
Adresse:Haldenstrasse 119
Versicherungs-Nr.:119
Parzellen-Nr.:2805
Koordinate E:2653193
Koordinate N:1235886
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2653193&y=1235886

Chronologie

Entstehungszeitraum:1802
Grundlage Datierung:Inschrift (Tenntor)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:1802 erbautes Strohdachhaus mit ursprünglich zwei quer zum First angeordneten Wohnteilen. Mit den rundum hölzernen Fassaden, den kunstvoll beschnitzten Bügen und profilierten Brustriegeln sowie der eindrücklichen rauchgeschwärzten Hochstudkonstruktion zeigt das Gebäude ein für seine Entstehungszeit auffallend traditionelles Erscheinungsbild. Dem intakt erhaltenen, sorgfältig renovierten Bauernhaus kommt ein hoher Zeugenwert für die ländlich-bäuerliche Baukultur der Region zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Gemäss einer Inschrift am Jochbalken des südlichen Tenntors wurde das Bauernhaus 1802 für Hans Bolliger (1742-1811), genannt "Hübelhans", errichtet. 1821 erfolgte die Erbabtretung der Witwe Bolliger an den Sohn Rudolf und die Kinder des verstorbenen Bruders Samuel [1].
Im Brandkataster von 1829 ist das Gebäude als "Wohnhaus mit Bescheuerung von Holz, mit zwei gewölbten Kellern und Strohdach", in den Händen von Rudolf Bolliger, verzeichnet [2]. 1834 ist eine Erhöhung des Versicherungswertes vermerkt; vermutlich wurde damals die westliche Stirnwand zur Strasse hin mit Bruchsteinen aufgemauert. Im Brandkataster von 1850 sind zwei Wohnungen in Besitz von Heinrich Bolliger und Hans Rudolf Wildi aufgeführt.
Die Umdeckung von Stroh auf Ziegel dürfte in den 1920er Jahren stattgefunden haben. Eine ältere Fotoaufnahme zeigt das Haus noch in einer Übergangsphase mit überwiegend Strohbelag und Ziegelfirst (vgl. Fotodokumentation). Gut sichtbar sind hier die gereihten breitrechteckigen Fensteröffnungen im Sockelgeschoss, welche auf die Existenz eines Webkellers für die Baumwollverarbeitung schliessen lassen [3]. Auf einer anderen Aufnahme aus der Zeit um 1900 posiert der damalige Eigentümer Heinrich Wildi im Beisein von Bekannten vor dem südlichen Hauseingang.
Das Haus wurde in den 1990er Jahren sorgfältig renoviert und unter weitgehender Wahrung der angestammten Raumstruktur den heutigen Wohnansprüchen angepasst.
Beschreibung:Der behäbige Baukörper steht mit dem First quer zur Haldenstrasse und ist mit seiner Hauptfront nach Süden orientiert. Er setzt sich aus einem ostseitigen, talwärts zum Dorf gerichteten Wohnteil und einem westlich anschliessenden Scheunentrakt mit Tenn, Stall und Futtertenn zusammen. Letzterer schliesst strassenseitig mit einer aus Bruchsteinen gefügten massiven Stirnmauer ab. Die gesamten übrigen Aussenwände sind nahezu unverändert in der traditionellen Bohlenständerbauweise erhalten. Bemerkenswerterweise trifft dies nicht nur auf die südliche Stubenfront, sondern auch auf die rückwärtige, rund 1 m über die Flucht der Ökonomie herausragende Nordfassade des Wohnteils zu. Die Ständerkonstruktion ruht auf einem Sockel aus Bruchsteinmauerwerk, dem ein Schwellenkranz mit einfachen Schlössern aufliegt. Das zweigeschossig hochgeführte Ständergerüst ist im Obergeschoss mit verblatteten Kopfhölzern und kräftigen Riegeln ausgesteift. Das Erdgeschoss zeigt auf der Vorder- wie auch auf der Rückseite durchlaufende Fensterbänke mit barock profilierten Brustriegeln. Die weit vorspringenden Dachflächen werden von karniesartig beschnitzten Bügen gestützt.
Das für ehemalige Strohdachhäuser charakteristisch abgewalmte, im vorliegenden Fall aber nicht sehr steile Dach ist über drei Firstständern (Hochstüden) aufgerichtet, von denen zwei beidseits des Tenns stehen. Abweichend von "klassischen" Prinzip der Hochstudkonstruktion ist der Firstständer der östlichen Tennwand allerdings nicht bis auf die Schwelle geführt, sondern mit seitlichem Versatz zum darunter liegenden Wandständer auf das obere Geschossrähm gesetzt (Vergleichsbeispiel Kleinbauernhaus von Leutwil in der Bilddokumentation). Ein dritter Hochstud ist über dem Wohnteil abgefangen. Das bei der Umdeckung auf Ziegel durch einen stehenden Stuhl verstärkte originale Dachgerüst mitsamt den dreiseitig erhaltenen alten Rafenlagen weist eine durchgehende Rauchschwärze auf. Dies lässt auf die frühere Existenz einer zweigeschossigen offenen "Rauchküche" ohne Kaminabzug schliessen. Der zugehörige tonnenförmige Rauchfang ("Chemihurd") ist leider nicht mehr vorhanden.
Das als Doppelbauernhaus konzipierte Gebäude besitzt zwei quer zum First geteilte, axialsymmetrisch angeordnete Wohnungen, welche auf der Südseite über einen gemeinsamen Hauseingang mit Stichgang erschlossen sind [4]. Von hier gelangt man durch separate Türen in die nebeneinander liegenden, durch eine einfache Trennwand geschiedenen Küchen. Rückwärtig führt ein Doppeleingang mit gemeinsamem profiliertem Sturzholz in die beiden Küchen. Diese sind jeweils von einer Kammer flankiert. In die westliche Kammer gelangt man tennseitig über einen zusätzlichen Eingang, unmittelbar daneben befand sich eine Stiege in den Obergaden. Den gemeinsamen südlichen Haupteingang bekrönen ein profiliertes Sturzholz und ein Oberlicht aus über Eck gestellten gedrechselten Staketen. Beidseits des gemeinsamen Stichgangs schliessen die Stuben an, welche die gesamte Südfront des Wohnteils einnehmen.
Bei der in den 1990er Jahren stattgefundenen Renovation konnten Teile des alten Brettertäfers und der Sichtbalkendecken sowie sämtliche Türgerichte beibehalten werden. Türfüllungen, Fenster und die Stubentäfer wurden nach altem Vorbild neu angefertigt. In der östlichen Stube steht ein 1802 datierter und mit dem Monogramm HF (wohl für den Lenzburger Hafnermeister Hans Jakob Frey) signierter Kachelofen mit Sitzkunst, welcher aus einem Aarauer Altstadthaus stammt. Die weissgrundigen Frieskacheln sind mit Landschaftsmedaillons und verbindenden Girlanden verziert. Unter den südlichen Wohnräumen erstreckt sich ein geräumiger Keller mit Balkendecken, welcher früher als Webkeller diente (Hausinneres gemäss Kurzinventar von 1992).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Freundliche Mitteilung Rolf Bolliger, Gontenschwil (2016).
[2] Staatsarchiv Aargau, BA.05.0070: Brandkataster Gontenschwil 1829-1850; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0238-0241: Brandkataster Gontenschwil 1850-1938.
[3] Vgl. Studer 1939, S. 122-123.
[4] Eine ähnliche Nutzungskonstellation findet sich bei einem etwas älteren, 1784 datierten Doppelbauernhaus Oberes Feld 252 (Bauinventarobjekt GON926).
Literatur:- Hans Studer, Der Einfluss der Industrialisierung auf die Kulturlandschaft des Aargauischen Mittellandes, Dissertation der Universität Zürich 1939.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002, S. 153 (Abb. 274), S. 227 (Abb. 490), S. 255 (Abb. 529).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05.0070: Brandkataster Gontenschwil 1829-1850; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0238-0241: Brandkataster Gontenschwil 1850-1938.
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=35574
 

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