INV-BUS903 Spittel, 1836-1838 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BUS903
Signatur Archivplan:BUS903
Titel:Spittel
Bezirk:Aarau
Gemeinde:Buchs (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Lenzburgerstrasse
Hist. Name Objekt:Armenhaus
Adresse:Lenzburgerstrasse 49
Versicherungs-Nr.:102, 101
Parzellen-Nr.:2697
Koordinate E:2648755
Koordinate N:1249141

Chronologie

Entstehungszeitraum:1836 - 1838
Grundlage Datierung:Brandkataster; Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Öffentliche Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Spittel, Armenhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätklassizismus

Dokumentation

Würdigung:Auffallend grossvolumiges Gebäude, das 1836-38 als Armenhaus oder «Spittel» der Gemeinde Buchs erbaut wurde und bis 1867 seiner ursprünglichen Funktion diente. Das in der Art eines bäuerlichen Vielzweckbaus disponierte Gebäude besitzt einen gemauerten Wohnteil, der in zeittypisch strengen und nüchternen, spätklassizistisch-biedermeierlichen Formen gehalten ist und eine von Anfang an bestehende, später erweiterte Ökonomie. Es kam, wie dies für Armenhäuser charakteristisch ist, weit ausserhalb der damaligen Siedlung an die Strasse nach Lenzburg zu liegen. Mit seiner Lage und mit der speziellen Disposition im Inneren, die sich durch Längsgänge mit einer Vielzahl von Kammern nach beiden Seiten auszeichnet, dokumentiert das einstige Armenhaus in seltener Anschaulichkeit seine ursprüngliche Zweckbestimmung. Dem renovationsbedürftigen, in der Grundsubstanz aber gut erhaltenen Gebäude kommt damit erheblicher sozial- wie auch lokalgeschichtlicher Zeugenwert für das Fürsorgewesen und den Umgang mit bedürftigen Bevölkerungsgruppen im 19. Jahrhundert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:1835 beschloss die Bürgergemeinde den Bau eines Armenhauses oder «Spittels», worauf man 1836 mit der Ausführung begann. 1838 war das Gebäude wohl im wesentlichen fertiggestellt, als es noch «unausgebaut» in den Brandkataster eingetragen wurde. Von Anfang an bestand gemäss dem Eintrag auch eine «Spitalscheuer», worunter der seitlich anschliessende Ökonomieteil zu verstehen ist [1]. Armenhäuser, wie sie in denselben Jahren auch in anderen Gemeinden entstanden, dienten dazu, die Bedürftigen zu kontrollieren und zur Arbeit anzuhalten, zumal deren Unterstützung für die dazu verpflichteten Bürgergemeinden eine grosse Last darstellte. 1842 beherbergte das Buchser Armenhaus bei einem Bestand von 25 Betten insgesamt 44 Personen, davon 14 Frauen, 2 Mädchen, 15 Männer und 13 Knaben. Bis zu zehn Personen lebten eng zusammengedrängt in einem Raum; selten hatte eine Familie mehr als ein Bett. Die Insassen arbeiteten auf dem Spittelland, als Taglöhner, oder sie verrichteten in einfache Hilfsarbeiten. Die Führung der Einrichtung durch schlecht bezahlte und oft überforderte «Spitalväter» führte immer wieder zu Schwierigkeiten.
1867 wurde das Armenhaus wieder aufgehoben, weil es die Erwartungen nicht erfüllt hatte, worauf man den Landwirtschaftsbetrieb verpachtete. Nachdem die Pflicht zur Unterstützung Bedürftiger mit dem Armengesetz von 1936 an die Wohnsitzgemeinden übergegangen war, übertrug man das Armengut samt dem weiterhin dazu gehörenden Gebäude an die Einwohnergemeinde. Wohl im frühen 20. Jh. wurde der Ökonomieteil verlängert.
Nachdem die letzten Pächter ausgezogen waren, nutzte die Gemeinde das Gebäude um 1980/90 als Unterkunft für Flüchtlinge. Seit rund 30 Jahren steht es leer.
Beschreibung:Das Armenhaus steht in einer für die Bauaufgabe charakteristischen Lage weit ausserhalb des historischen Dorfkerns an der Strasse nach Lenzburg, wo es sich zur Entstehungszeit noch allein auf dem völlig unbebauten Gelände erhob (vgl. Michaeliskarte um 1840 in der Bilddokumentation). Entsprechend seiner Funktion handelt es sich um ein ausgesprochen grossvolumiges Gebäude, das nach dem Muster eines bäuerlichen Vielzweckbaus in ein Wohnhaus und eine in gleicher Firstrichtung anschliessende, etwas niedrigere Ökonomie geteilt ist. Das in zeittypisch nüchternen spätklassizistisch-biedermeierlichen Formen gehaltene Wohnhaus ist ein verputzter Mauerbau, der von sieben auf drei Fensterachsen streng regelmässig gegliedert wird und von einem auffallend steilen, geraden Satteldach abgeschlossen wird. Die schlanken Rechteckfenster sitzen in schmalen Muschelkalkgewänden mit ebenso schmalen Blockbänken; die Jalousieläden wurden vor geraumer Zeit erneuert.
Die zur Strasse gerichtete südwestliche Trauffront nimmt in ihrer Mittelachse den Vordereingang auf, der mit einem einfachen Rechteckportal ohne weitere Akzentuierung ausgestattet ist. Die Mittelachse der Stirnseite ist gegenüber dem First leicht verschoben, zumal das Dach auch eine rückwärtige Laubenschicht miteinbezieht. Das Giebelfeld zeigt als zeittypisches Schmuckelement eine Lünette (halbkreisförmige Öffnung). Die rückwärtige Obergeschosslaube, die sich über die gesamte Gebäudelänge zieht, wird von vier hölzernen Stützen getragen. Ihre Brüstung sowie die ganze Stirnseite sind verbrettert. Erdgeschossig öffnet sich neben dem Ökonomieteil der Hintereingang, der noch die alte, aussen aufgedoppelte Brettertür besitzt. Darüber lag in der Obergeschosslaube ursprünglich der Abtritt. Unter der Laubenfront führt ein breiter Treppenabgang mit Sandsteinstufen in einen mächtigen, längsgerichteten Gewölbekeller, der sich in der Breite über zwei Drittel des Gebäudes erstreckt. Das vollständig geschlossene Dach ist noch mit Biberschwanzziegeln wohl aus der Bauzeit eingedeckt. Es stützt sich auf eine weitgespannte Sparrenkonstruktion mit liegendem Stuhl.
Die innere Erschliessung und Raumstruktur zeugen von der ursprünglichen Zweckbestimmung des Gebäudes. Charakteristisch sind die in Firstrichtung durchlaufenden Längsgänge, an die sich im Erd- wie auch im Obergeschoss beidseitig eine Vielzahl von Kammern lagern. Ein kurzer Stichgang mit originalem Treppenaufgang ins Obergeschoss vermittelt vom Hintereingang zum Längsgang. Über einen weiteren Stichgang ist der mittige Vordereingang angeschlossen. Die Räume zeigen insbesondere im Erdgeschoss teilweise noch schlichte Täferausstattungen und Wandschränke aus dem 19. Jh., einfache Bretterböden sowie Sichtbalkendecken mit eingeschobenen Bretterböden. Teilweise sind zwischen den Deckenbalken Stakenfüllungen zu erkennen. In der rückwärtig orientierten erdgeschossigen Stube steht ein hellblauer Biedermeier-Kastenofen mit Sitzkunst. Im Obergeschoss ist ebenfalls rückwärtig eine grüne Sitzkunst wohl aus dem frühen 20. Jh. erhalten. Die Fenster stammen mehrheitlich aus dem früheren 20. Jh. und besitzen Espagnolettenverschlüsse. Im Lauf des 20. Jh. wurden einige behelfsmässige Umbauten vorgenommen, vor allem in den insgesamt drei Küchen und den Bädern. Allgemein sind die Räume heute in einem stark renovationsbedürftigen Zustand.
Der nach Südosten anschliessende, nur geringfügig niedrigere Ökonomieteil weicht an der Front- wie auch der Rückseite leicht hinter die Flucht des Wohnteils zurück. Er umfasste ursprünglich Tenn, Stall sowie Futtertenn und wurde nach den Bauformen wohl im frühen 20. Jh. um ein weiteres Futtertenn samt Stall verlängert. Erhalten ist an der Strassenfront noch das alte, wohl bauzeitliche Tenntor. Der äussere Stallbereich zeigt Stichbogenöffnungen und Backsteinwände mit zierfömigen Lüftungsöffnungen aus dem frühen 20. Jh.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Gemeinde Buchs, Inventar der geschützten Kulturobjekte, 2018, Inv.-Nr. 145.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Byland 1960, S. 81-87; vgl. auch ders. 1982, S. 28; Widmer-Dean / Richner 2010, S. 150; Staatsarchiv Aargau: ZwA 1936.0001/0200-0202; CA.0001/0009-0010, Brandkataster Gemeinde Buchs, 1805-1847, 1875-1938.
Literatur:- Max Byland, Alt-Buchs, [Buchs] 1960, S. 81-87.
- Max Byland, Die Gemeinde Buchs. Vom Bauerndorf zur Industriegemeinde, Buchs 1982, S. 28.
- Markus Widmer-Dean / Raoul Richner, Dorf und Gemeinde Buchs, Buchs 2010, S. 150.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau: ZwA 1936.0001/0200-0202; CA.0001/0009-0010, Brandkataster Gemeinde Buchs, 1805-1847, 1875-1938.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=32382
 

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