INV-RUA907 Reinerstrasse 2, 17. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-RUA907
Signatur Archivplan:RUA907
Titel:Reinerstrasse 2
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordwesten (2018)
Bezirk:Brugg
Gemeinde:Rüfenach
Ortsteil / Weiler / Flurname:Rüfenach
Adresse:Reinerstrasse 2
Versicherungs-Nr.:22
Parzellen-Nr.:71
Koordinate E:2657742
Koordinate N:1262296

Chronologie

Entstehungszeitraum:17th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Ländlicher Oberschichtbau

Dokumentation

Würdigung:Stattliches spätgotisches Wohnhaus des frühen 17. Jahrhunderts, das eine äusserst wichtige Eckstellung an der Einmündung der Reinerstrasse in die Hauptstrasse einnimmt und im Zusammenspiel mit der zugehörigen Scheune von 1843 sowie dem gegenüber liegenden Wohnhaus vergleichbarer Zeitstellung (Bauinventarobjekte RUA911 und RUA914) den Ortskern prägt. Der giebelbetonte Mauerbau bewahrt noch wesentliche Teile der bauzeitlichen Fassadengestaltung, darunter zwei- und dreiteilige Reihenfenster mit teilweise aufwändig verzierten gekehlten Gewänden und einem um die Ecke geführten durchlaufenden Sohlbankgesims an der ehemaligen Stubenfront im Obergeschoss. Hinter dem markanten steilen Giebel mit den zeittypischen kleinen Rechtecköffnungen verbirgt sich noch die originale rauchgeschwärzte Dachkonstruktion mit doppeltem Stuhl. Der ländliche Oberschichtbau, der im späteren 18. Jahrhundert zeitweise als Geschäftshaus diente, blickt auf eine interessante Nutzungsgeschichte zurück. Der bestehende Hauszugang und die Verhältnisse im Innern entstammen einem Umbau in den 1960er Jahren.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die steilgieblige Form und die spätgotische Befensterung lassen eine Entstehung des Hauses im frühen 17. Jh. vermuten. Über die Bauherrschaft, die sicherlich in der ländlichen Oberschicht zu suchen ist, ist nichts bekannt. 1777 gehörte das Wohnhaus Heinrich Vogt. Wegen Streitigkeiten um Durchfahrtsrechte kam es im selben Jahr zu einem Tausch, bei welchem sein Nachbar, der in Rüfenach aufgewachsene Grosskaufmann und Fabrikant von Bauwollgarn und –tuch Heinrich Meyer (1746-1821) das Haus übernahm und ihm im Gegenzug die Nachbarliegenschaft überliess [1]. Mit dem Umzug in das stattliche Gebäude unterstrich der geschäftlich erfolgreiche Meyer seinen gesellschaftlichen Aufstieg. Eine Fenstersäule mit der Jahrzahl „1777“ erinnerte noch bis ins 20. Jh. an die durch ihn veranlasste bauliche Erneuerung des Gebäudes. Mit seiner Frau Salome Fehlmann bezog er die Wohnung im Obergeschoss, während im Erdgeschoss die Lager- und Büroräume eingerichtet waren. Obwohl Meyer 1786 ins vornehmere und zentraler gelegene spätbarocke Palais Fröhlich in Brugg umzog, blieb die Liegenschaft noch bis 1793 in seiner Hand. In den drauf folgenden Jahren wagte Johann Franz Strauss den erfolglosen Versuch, darin eine Seifenfabrik zu betreiben. Nach der Übernahme 1795 durch Johannes Märki, Eigentümer des „Blauen Engels“, blieb das Haus bis Anfang 20. Jh. in dessen Familienbesitz. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 ist das Gebäude als zweistöckiges steinernes Wohnhaus mit Ziegeldach und Gewölbekeller verzeichnet, das je hälftig Samuel Märki, Gemeindeschreiber, und Heinrich Märki gehörte [2]. 1847 ging die untere Wohnung von Heinrich Märki an dessen Bruder Johannes und 1851 die Wohnung im Obergeschoss von Samuel Märki an Heinrich Märki, Lehrer, über. Laube, Schweinställe, Keller und Estrich wurden geteilt.
Historische Aufnahmen geben Auskunft über die frühere Erschliessungssituation. Diesen zufolge führte auf der strassenzugewandten Stirnseite eine Treppe hinauf in eine offene, um die Hausecke geführte Erschliessungslaube. Anfang der 1960er Jahre musste der westliche Teil der Laube im Zuge einer Strassenkorrektur weichen, die Wohnungseingänge wurden folglich auf die Traufseiten verlegt. Bei der damit verbundenen teilweisen Umgestaltung der Fassaden entstanden auch einige neue Fensteröffnungen. Dem neuen Eingang ins Erdgeschoss auf der Nordseite fiel ein vermutlich aus dem späteren 19. Jh. stammendes Doppelfenster zum Opfer. Gleichzeitig wurde auch das Innere des Hauses stark modernisiert und im Grundriss verändert, wobei der wohl durch Konrad Stampfer 1766 eingebaute und 1811 durch Johannes Märki verbesserte grüne Kachelofen in der unteren Stube entfernt wurde [3]. Im Rahmen der Dachsanierung wurden die Rafen ausgewechselt und die Ziegel ersetzt, während die übrigen Teile der Tragkonstruktion erhalten blieben.
1843 wurde zum Wohnhaus die noch heute bestehende Stallscheune (Bauinventarobjekt RUA911) schräg gegenüber auf der anderen Strassenseite errichtet.
Beschreibung:Das stattliche spätgotische Wohnhaus bildet den Kopf einer kurzen Häuserzeile entlang der Reinerstrasse, die hier in die Hauptstrasse mündet. Eigentumsrechtlich gehört ein Teil des östlich anschliessenden Ökonomiegebäudes dazu, das aber nicht Bestandteil des Schutzumfangs ist. Der an der Strassenecke gelegene, zweigeschossige Mauerbau ist unter einem mächtigen, steilen Satteldach geborgen. Er ist mit der hohen Stirnfront, der Haupt- und ehemaligen Eingangsfassade, nach Westen auf die Hauptstrasse ausgerichtet. Ein auf Konsolen abgestütztes Vordach schützt das Obergeschoss, wo sich früher auch der über eine hölzerne Laube zugängliche Hauseingang befand. Das dadurch vom Rest der Fassade geschiedene, markante Giebelfeld zeigt noch die ursprüngliche, sparsame Belichtung des Dachraums mittels kleiner Rechtecköffnungen. Aufgrund des nach Westen ansteigenden Geländes ist der Baukörper zur Hauptstrasse hin stärker ins Erdreich eingetieft; die Erdgeschossfenster liegen hier nur wenig über dem heutigen Strassenniveau. Die Fassaden zeigen eine unregelmässige Fensteranordnung, die teilweise in der Erneuerung der Erschliessung anlässlich einer Strassenkorrektur Anfang der 1960er Jahre begründet liegt. Mit der Verlegung der Eingänge auf die Traufseiten wurden an den betreffenden Stellen neue Fenster eingebaut. An der Nordwestecke, die ehemals von den Stuben beider Wohnungen eingenommen wurde, haben sich spätgotische Reihenfenster mit zeittypischer Kehlung erhalten. Besonders aufwändig ist das Gewände des nördlichen Doppelfensters im Erdgeschoss gearbeitet, das gleichartige Verzierungen zeigt wie das dreiteilige Gaststubenfenster der ehemaligen Untervogtei von 1604 (Denkmalschutzobjekt RUA002). Am Obergeschoss sind das dreiteilige Fenster der Westfassade und das Nordfenster durch ein um die Ecke geführtes Sohlbankgesims miteinander verbunden. Von diesen unterscheiden sich in der Ausführung die beiden axial angeordneten östlichen Fenster auf der Nordseite, die zusätzlich zur Kehlung einen Falz aufweisen. Auf einer historischen Aufnahme sind noch die zugehörigen Kreuzstockfenster zu sehen (vgl. Bilddokumentation). Die südliche Fassade weist noch immer eine Laube auf, ist durch jüngere Fensteröffnungen und Durchgänge jedoch stärker verändert.
Durch den nordseitigen Hauseingang betritt man das Hausinnere ebenerdig. Das Raumgefüge beider Wohngeschosse zeugt vom Umbau in den 1960er Jahren. Von der ursprünglichen Aufkammerung mit stirnseitig angeordneter, ehemals direkt über den Aussenzugang erschlossener Küche zwischen den Hauptstuben im nördlichen und weiteren Räumen im südlichen Hausteil, ist nichts mehr ersichtlich. Der untere, entlang der westlichen Stirnseite verlaufende Korridor besitzt jedoch eine aufwändig profilierte Balkendecke mit Birnstab, welche als Rest der früheren wertvollen Ausstattung zu sehen ist. Der Dachraum bewahrt als grosse Rarität die rauchgeschwärzte Dachkonstruktion aus der Bauzeit mit doppeltem liegendem Stuhl, kräftigen gezapften Kopfhölzern sowie Andreaskreuzen als Längsversteifung. Der untere Dachraum ist durch eine firstparallele Fachwerkwand in zwei Hälften geteilt. Die zugehörige Wangentreppe besitzt noch das alte hölzerne Geländer mit polygonalem Pfosten und gerundetem Handlauf. Ins obere Dachgeschoss führt eine einfachere Wangentreppe mit Brettstufen. Unter dem Haus befindet sich ein Gewölbekeller, der über eine Aussentreppe an der Nordseite zugänglich ist.
Anmerkungen:[1] Baumann 1998, S. 165, 197-198.
[2] Staatsarchiv Aargau, 4519: Brandkataster Gemeinde Rüfenach 1829-1849; CA.0001/0178-0180: Brandkataster Rüfenach 1850-1938.
[3] Baumann 1998, S. 198. Der Kachelofen trug die Inschrift "Jacob Beck, Hafner in Brugg 1766", die Kunst die Inschrift "Johannes Märki, Rüfenacht 1811", vgl. Stettler/Maurer 1953, S. 391.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- Max Baumann, Rein und Rüfenach. Die Geschichte zweier Gemeinden und ihrer unfreiwilligen Vereinigung, Baden 1998, S. 165, 197-198, 282.
- Michael Stettler, Emil Maurer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 2, Basel 1953, S. 391.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar IV-21/2.
- Staatsarchiv Aargau, 4519: Brandkataster Gemeinde Rüfenach 1829-1849; CA.0001/0178-0180: Brandkataster Gemeinde Rüfenach 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=134352
 

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