INV-ROT903 Bernstrasse 55 samt Speicher, 1817 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-ROT903
Signatur Archivplan:ROT903
Titel:Bernstrasse 55 samt Speicher
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordosten (2017)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Rothrist
Ortsteil / Weiler / Flurname:Rothrist
Adresse:Bernstrasse 55
Versicherungs-Nr.:88, 89
Parzellen-Nr.:956
Koordinate E:2634835
Koordinate N:1239476

Chronologie

Entstehungszeitraum:1817
Grundlage Datierung:Inschrift (Bug Giebelründe)
Nutzungen:1831-1848 Zollstation, 2.H.19.Jh. Postablage

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau
Epoche / Baustil (Stufe 3):Barock

Dokumentation

Inschriften:"1817" (Bug Giebelründe)
Würdigung:1817 errichteter Mauerbau von bernisch-spätbarocker Prägung, der von 1831 bis 1848 als Zollstation diente und später die Postablage beherbergte. Der giebelbetonte bäuerliche Vielzweckbau, der sich mit einem Gehrschilddach samt Ründe zur Bernstrasse wendet, ist in seiner äusseren Erscheinung weitgehend intakt erhalten. Er zeichnet sich durch gefugte Ecklisenen und Stichbogengewände aus Sandstein sowie schöne, in Louis XVI-Manier beschnitzte Büge aus. Im anschliessenden Ökonomieteil wurden schon früh eine Werkstatt und später ein Ladenlokal eingebaut. Zur Liegenschaft gehört ein im Gebiet des Berner Aargaus typologisch recht seltener gemauerter Speicher aus dem frühen 19.Jh. Mit seiner prominenten Ecklage am Rössliplatz, wo sich die Hauptstrasse mit Verbindungswegen nach Norden und Süden kreuzt, kommt dem Gebäude ein ausgesprochen hoher Situationswert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Gemäss Jahrzahl an einem Bug der Giebelründe wurde der bäuerliche Vielzweckbau im Jahr 1817 errichtet. Er kam unmittelbar an die Zürich-Bern-Strasse zu liegen, mit deren Neutrassierung ab 1766 Rothrist erst an die wichtige Fernverbindung gerückt war [1]. Von 1831 bis zur Aufhebung der Binnenzölle mit der Bundesstaatsgründung 1848 diente das Gebäude als Zoll- und Kaufhaus; von da an diente der im Haus wohnhafte ehemalige Zollbeamte Samuel Matter als erster eidgenössischer Postbeamter in Rothrist [2]. Im ersten verfügbaren Brandkatastereintrag von 1875 wird die Liegenschaft als „Wohnhaus u. Scheune von Stein u. Holz mit 1 gew[ölbtem] u. 1 Tremkeller“ beschrieben, wozu ein heute noch bestehendes „Gebäude mit Waschhaus, Speicher u. Holzhaus v. Stein u. Holz“ gehörte. Eigentümer waren nun die Söhne des Samuel Matter, sel., bevor 1877 Eduard und Paul Matter und 1897 Posthalterin Augustine Hofer genannt werden [3]. 1876 registrierte man den „Einbau einer Schlosserwerkstätte“; weitere Verbesserungen folgten in den Jahren 1877, 1890 sowie 1898. Der nachfolgende Eintrag von 1899 spricht von einem „Wohnhaus und Scheune mit Anbauten“, das nun „Postbüreau und Schmiedewerkstatt“ enthielt. Wohl beim Übergang an Spengler Ernst Fehlmann 1904 wurde das Postbüro aufgegeben und anstelle der Schmiede wieder eine Spenglerwerkstatt eingerichtet. Später ergänzte man diese um ein „Verkaufsmagazin“, das nach der Schaufensterfront aus der Zeit um 1920/30 stammen dürfte. Es beherbergte genmäss einer Fotografie von 1945 die Bauspenglerei E. Fehlmann, die auch sanitäre Anlagen und Haushaltungsartikel verkaufte (vgl. Bilddokumentation).
1920 erfolgte der Anbau von Garagen an den Speicher. Das Innere des Wohnteils wurde in den 1950er Jahren modernisiert. 1988 ersetzte man die Südwand des Speichers durch einen Betonträger [4]. Vor einigen Jahren wurde das Obergeschoss des ehemaligen Ökonomieteils zu Wohnzwecken ausgebaut.
Beschreibung:Das bernisch-spätbarock geprägte, mit Gehrschild und Giebelründe ausgezeichnete Gebäude nimmt eine ortsbildbestimmende Ecklage an der Südwestseite des Rössliplatzes ein, wo sich seit den 1760er Jahren die Zürich-Bern-Strasse mit lokalen Wegverbindungen nach Norden und Süden kreuzte. Ursprünglich handelte es sich um einen giebelbetonten bäuerlichen Vielzweckbau, dessen Ökonomieteil allerdings schon früh durch einen Werkstattanbau und den Einbau eines Ladenlokals umgestaltet wurde. Der zweigeschossige, annähernd würfelförmige, gemauerte Wohnteil besitzt gefugte Ecklisenen und stichbogige Fenstergewände aus Sandstein, die an der Giebelfront zur Hauptstrasse in vier, an den Traufseiten annähernd regelmässig in drei Achsen disponiert sind. Die Giebelründe wird von Bügen getragen, die in Louis-XVI-Manier mit Scheibenfries und Zopfmotiv beschnitzt sind. An der zum Garten gerichteten westlichen Traufseite besitzt das Haus eine ursprünglich wohl offene Obergeschosslaube mit Verbretterung und Einzelbefensterung aus der Zeit um 1900. Darunter ist mittig der Hauseingang angelegt. Erhalten sind am Erdgeschoss noch die hölzernen Brettläden, im Obergeschoss Jalousieläden mit Stangenverschlüssen aus der Zeit um 1900; die Fenster wurden vor einigen Jahren ersetzt.
Im ehemaligen Ökonomieteil öffnet sich eine breite Ladenfront aus der Zeit um 1920/30, mit zentralem, von zwei gerundeten Pfeilern gerahmtem Eingang und zwei flankierenden Schaufenstern. Im südseitigen Schleppdachanbau und im rückwärtigen Bereich lag die Schlosserwerkstätte. Durch leichtes Anheben des Dachvorscherms wurde über der ehemals eingeschossigen Strassenfront des Ökonomieteils vor einigen Jahren ein Obergeschoss zu Wohnzwecken geschaffen.
Der rückwärtig gelegene Hauseingang öffnet sich direkt auf die Küche, von wo eine Treppe ins Obergeschoss führt. Die ursprüngliche Raumaufteilung des Wohnteils ist im Erdgeschoss durch Entfernung von Innenwänden verändert, im Obergeschoss noch original. Die Räume wurden bereits in den 1950er Jahren gänzlich modernisiert (Inneres gemäss Kurzinventar 1995).
Westlich des Hauses steht, etwas von der Hauptstrasse zurückversetzt, ein zweigeschossiger, aus Bruchsteinen aufgemauerter und teilweise verputzter Speicher. Der Kleinbau wird von einem Kniestock-Rafendach abgeschlossen, das ostseitig über eine doppelgeschossige, von Holzpfosten abgestützte Frontlaube mit Aussentreppe weit auskragt. Die Tür- und Fensteröffnungen im Erdgeschoss besitzen Sandsteingewände, jene am Obergeschoss Holzrahmen. Am erdgeschossigen Speicherraum ist die bauzeitliche Brettertür erhalten, die aussen aufgedoppelte Füllungsfriese mit breitköpfigen Nägeln zeigt. An der Südseite des Speichers schliesst ein grosser Schleppdachanbau an (nicht Teil des Schutzumfangs); die ehemalige Aussenwand des ansonsten intakt erhaltenen Speichers wurde hier 1988 durch einen Stahlträger über Betonpfeilern ersetzt.
Anmerkungen:[1] Vgl. dazu Fritz Heitz, Von Strassen und Brücken in und um Aarburg, Aarburg 1991, S. 34-40; Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS), AG 10.2 (1992).
[2] Rothrist 1967, S. 15-17; Widmer-Dean 2012, S. 159.
[3] Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938.
[4] Gemäss Kurzinventar 1995.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Michael Stettler, Die Bezirke Aarau, Kulm, Zofingen (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. I), Basel 1948, S.
- ’s Rothrist, Rothrist 1967, S. 15-17.
- Markus Widmer-Dean, Rothrist im Lauf der Zeit, Rothrist 2012, S. 159.
- R[olf] Hofer, Rothrist in alten Ansichten, Zaltbommel (NL), 2. Auflage, 1981, Abb. 6 (histor. Ansicht).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=133537
 

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