INV-RUP906 Alte Spinnerei Auweg 2, 1837 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-RUP906
Signatur Archivplan:RUP906
Titel:Alte Spinnerei Auweg 2
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Norden (Kurzinventar 1997)
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Rupperswil
Adresse:Auweg 2
Versicherungs-Nr.:240
Parzellen-Nr.:2322
Koordinate E:2651727
Koordinate N:1250894
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2651727&y=1250894

Chronologie

Entstehungszeitraum:1837
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:RUP005, RUP006
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Fabrikgebäude, Manufakturgebäude

Dokumentation

Würdigung:Die 1837 errichtete Alte Spinnerei ist der Gründungsbau der Rupperswiler Textilfabrik Richner, später Bebié und Steiner. Mit seinen klassizistisch nüchternen Fassaden repräsentiert das äusserlich intakte Gebäude auf eindrückliche Art den frühen Fabrikbau im Aargau. Im räumlichen Zusammenspiel mit der Fabrikantenvilla von 1856 (Kantonales Denkmalschutzobjekt RUP005), dem monumentalen jüngeren Spinnereigebäude von 1857-61 (Kantonales Denkmalschutzobjekt RUP006), dem flussabwärts gelegenen Kosthaus von 1867 (Bauinventarobjekt RUP908) sowie diversen Nebenbauten, Kanal- und Schwellenanlagen ergibt sich ein industriegeschichtliches Ensemble von hervorragendem Zeugniswert. Durch eine fachgerechte Umnutzung zu Wohn- und Dienstleistungszwecken konnten wesentliche Teile der Anlage erhalten und für die Zukunft gesichert werden.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Im August 1836 bewilligte der aargauische Regierungsrat ein von der Rupperswiler Handelsgesellschaft Richner & Comp. gestelltes Gesuch um Gewährung einer Radrechtskonzession [1]. Das Wasserrad sollte zum Antrieb einer mechanischen Baumwollweberei dienen, die man in der Aareebene errichten und über einen Zuleitungskanal betreiben wollte. So entstand 1837 unter der Leitung der beiden Baumeister Umiker und Schmidlin aus Thalheim das heute noch bestehende Gebäude Vers.-Nr. 240, welches im Brandkataster als "4-stöckiges Fabrik- und Wohnhaus mit mechanischer Werkstatt, Wasserrad und Hauptgetriebe, von Stein unter Ziegeldach" verzeichnet wurde [2]. Auf der Michaeliskarte von 1840 ist der Baukörper noch als Solitärbau mit unverbauter Umgebung eingezeichnet (vgl. Bilddokumentation).
Das Unternehmen scheint in den Anfängen jedoch nicht rentiert zu haben. Bereits 1846 wurde es mit grossem Verlust an den Textilfabrikanten Heinrich Bebié aus Turgi verkauft [3]. Unter dessen Führung und ab 1856 unter derjenigen seines Sohnes Hermann Bebié wurde die Spinnerei sukzessive ausgebaut. Es entstand eine grössere Anzahl von Nebenbauten, so ein zweistöckiges Magazin mit Scheune und Schmiedewerkstätte (1850), ein Wohnhaus mit Scheune und ein grosses neues Radhaus (1853), des Weiteren eine Sägemühle (1857), ein Magazingebäude (1872) und schliesslich noch ein Petroleummagazin (1875). Unter den teils spektakulären Grossbauten dieser Boomzeit befinden sich auch die Fabrikantenvilla Steiner von 1856 (Kantonales Denkmalschutzobjekt RUP005) und das 1857-61 erstellte monumentale neue Spinnereigebäude (Kantonales Denkmalschutzobjekt RUP006), wo die Produktion wegen der durch den nordamerikanischen Bürgerkrieg ausgelösten europäischen Textilkrise allerdings erst 1870 vollumfänglich aufgenommen wurde. Die während der Textilkrise in Angriff genommene Kanalerweiterung war bereits 1865 abgeschlossen [4]. Für die neu rekrutierte Arbeiterschaft entstand 1867 am Aarekanal westlich der Fabrik ein Kosthaus mit 16 Wohnungen (Bauinventarobjekt RUP908). Im späteren 19. Jh. war die Rupperswiler Textilfabrik somit zu einer ansehnlichen Gebäudegruppe abseits der Dorfsiedlung angewachsen (vgl. Siegfriedkarte von 1880 in der Bilddokumentation)
1893 erwarb Emil Steiner, Spross einer Textilfabrikantenfamilie aus Birrwil, welcher sich mit einer Enkelin von Hermann Bebié vermählt hatte, die Spinnerei und rüstete den Betrieb mit neuen Maschinen aus. 1899 wurde im neu erstellten Turbinenhaus eine Anlage mit Generator in Betrieb genommen, kurz zuvor waren zur Steigerung der Leistung der Ober- und Unterwasserkanal ausgebaut worden. Der nach dem Zweiten Weltkrieg automatisierte Betrieb galt noch in den 1960er Jahren als modernste Spinnerei der Schweiz. In den 1970er Jahren wurde die Produktion eingestellt. Seither beherbergt die Alte Spinnerei eine grössere Anzahl von Wohnungen. Das neue Spinnereigebäude wurde 2004-06 zu einem grossen Wohnpark mit Wohnungen und Dienstleistungsräumen umgebaut (Kantonales Denkmalschutzobjekt RUP006).
Beschreibung:Der 7 x 4 Achsen zählende, viergeschossige Mauerbau steht quer zum Kanal und trägt ein gerades Giebeldach, das erst nachträglich mit durchlaufenden Schleppgauben versehen wurde. Über dem dritten Geschoss sind traufseitige Vordächer angebracht. Die darüber liegenden Traufwände sind in Fachwerkbauweise erstellt und mit Eternitschindeln verkleidet. An die Ostfassade fügte man bündig zur vorderen Stirnfront nachträglich einen WC-Turm an. Die regelmässig gesetzten Rechtecklichter sämtlicher Fassaden zeigen schlanke, ge-falzte Muschelkalkgewände.
Das Gebäudeinnere ist dreischiffig angelegt und wird an der südlichen Giebelfront durch ein schlichtes, in der Mittelachse gelegenes Portal betreten. Rechterhand befindet sich das Treppenhaus mit Toiletten auf den Zwischenpodesten. Das von zwei längsgerichteten, hölzernen Ständerreihen gebildete Tragsystem ist heute noch ablesbar. Das Hausinnere wurde nachträgliche in kleine Wohneinheiten unterteilt. Das Dachgebälk, eine Pfettenrafenkonstruktion mit liegenden Stuhljochen, hat sich im Originalzustand erhalten. Die kanalseitige Haushälfte ist unterkellert. Hier dürften sich früher die Transmissionsanlagen für die mit Wasserkraft betriebenen Spinn- und Webstühle befunden haben (Inneres gemäss Kurzinventar von 1997).
Anmerkungen:[1] An der Gesellschaft beteiligt waren mehrere Gemeindebürger, darunter Grossrat Jakob Richner (gest. 1844) und Gemeindeammann Jakob Hediger. Zur Gründungsgeschichte der Textilfabrik vgl. Pfister 1968, S.42ff. und www.vamus.ch/industriekultur .
[2] Der Versicherungswert des Gebäudes inklusive mechanischer Werkstatt und Wasserrad betrug 14'000 Franken; 1838 kamen wohl für den Maschinenpark noch einmal 6000 Franken hinzu. Vgl. Pfister 1968. S.41.
[3] Zur Industriellenfamilie Bebié in Turgi siehe Hoegger 1995, S. 132-133.
[4] Pfister 1968, S. 65.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A.
Literatur:- Willy Pfister, Rupperswil, Vom alten zum neuen Dorf seit 1800 (Ortsgeschichte Band III), Rupperswil 1968.
- Peter Hoegger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band VII: Bezirk Baden II, Basel 1995, S. 132-136.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 28-29.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0437-0441: Brandkataster Gemeinde Rupperswil, 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=132014
 

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