INV-UNS929D Alte Färberei/Winderei Stroppel, 1870 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-UNS929D
Signatur Archivplan:UNS929D
Titel:Alte Färberei/Winderei Stroppel
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Norden (2015)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Untersiggenthal
Ortsteil / Weiler / Flurname:Stroppel
Adresse:Stroppelstrasse 26
Versicherungs-Nr.:183
Parzellen-Nr.:2808
Koordinate E:2660427
Koordinate N:1261610
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2660427&y=1261610

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1870
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Bauten der Nähfadenfabrik Stroppel (Bauinventarobjekte UNS929A-C, E-M)
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Fabrikgebäude, Manufakturgebäude

Dokumentation

Würdigung:Giebelständiger Mauerbau unter schwach geneigtem Satteldach, der mit einem hohen Erdgeschoss und einem ausgebauten Kniestock den Eindruck eines zweigeschossigen Baukörpers erweckt. Die um 1870 errichtete und nach der Erweiterung der Fabrikanlage 1907-11 zur Winderei umfunktionierte Färberei gehört zu den gründungszeitlichen Produktionsgebäuden der Nähfadenfabrik Stroppel. In Analogie zur gleichzeitig erstellten Zwirnerei und zum Poliergebäude (Bauinventarobjekte UNS929A und C) zeigen die Fassaden eine Gliederung mittels Lisenen und Zahnschnittfriesen sowie erdgeschossige Fenster mit Bogenabschluss. Die alte Färberei, die als einziger Bau quer zum Limmatkanal gestellt ist, bildete bis 1908 den südöstlichen Abschluss des langgezogenen Fabrikkomplexes. Trotz ihrer Einbindung in die um einen neuen Färbereitrakt verlängerte Zeile, tritt der Baukörper mit seinen Stirnfassaden bis heute sowohl hof- als auch flussseitig markant in Erscheinung.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Fabrikanlage allgemein:
Pläne von alt Ammann Johann Baptist Umbricht und "Löwen"-Wirt Josef Leonz Müller aus Untersiggenthal, im Stroppel am rechten Limmatufer eine Baumwollspinnerei und -weberei zu eröffnen, wurden trotz der 1864 regierungsrätlich erteilten Konzession für ein Wasserrad nicht umgesetzt. 1867 erwarb der Zürcher Unternehmer Emil Escher-Hotz sowohl Land als auch Radrecht und nahm 1869 in der neu erstellten mechanischen Nähfadenfabrik die Produktion auf [1]. Gemäss Brandkataster von 1875 umfasste das Fabrikareal damals folgende Gebäude: "1. Färberei- und Bleichereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929D, hier beschrieben], einstöckig, von Stein erbaut mit Dampfkamin und zwei gewölbten Räumen im Erdgeschoss; 2. Zwirnereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929A], dreistöckig, von Stein erbaut; 3. Poliergebäude [Bauinventarobjekt UNS929C], einstöckig, zwischen dem 1. und 2. Gebäude eingebaut, mit Blech- und Glasdach; 4. Turbinenhaus [Vorgängerbau des heutigen Kraftwerks von 1908/1932, Bauinventarobjekt UNS929B], einstöckig, von Stein, Riegel und Holz; 5. Sägegebäude [Bauinventarobjekt UNS929G], an das Werkstattgebäude angebaut, einstöckig, von Stein, Holz und Riegel, mit Anbau, 1 Vertikalsäge, 2 Zirkularsägen, 1 Bandsäge nebst Getriebe; 6. Werkstattgebäude [Bauinventarobjekt UNS929H], zweistöckig; 7. Ökonomiegebäude mit angebauter Stallung [Bauinventarobjekt UNS929I] [2]." Zur Anlage gehörten ausserdem ein unmittelbar neben dem Ökonomiegebäude stehendes zweistöckiges Wohnhaus mit drei Wohnungen (sog. "Meisterhaus", Bauinventarobjekt UNS929J) und im Roost zwei zweistöckige Arbeiterwohnhäuser (beide abgebrochen). Um das Einzugsgebiet für auswärts wohnende Arbeitskräfte auch auf die andere Uferseite erweitern zu können, unterhielt Escher-Hotz 1869-72 eine Fähre und 1872-1881 einen Fussgängersteg über die Limmat [3]. Mit 259 Arbeiterinnen und Arbeitern erreichte die Fabrik 1883 einen Spitzenwert [4]. 1885 beschäftigte sie noch 225 Personen – zu drei Viertel Frauen und Mädchen – und war damit die achtgrösste Fabrik im Kanton [5].
1906 wurde die Firma von den Erben Eschers an die weltweit tätige schottische Unternehmergruppe für Nähfaden und Handarbeitsgarne, J. & P. Coats Ltd. in Glasgow verkauft und 1907 in die "Zwirnerei Stroppel AG" umgewandelt. Es folgten ein Umbau und eine Modernisierung der Anlagen, wobei das Turbinenhaus zu einem Kraftwerk (Bauinventarobjekt UNS929B) umgebaut und die Fabrik elektrifiziert wurden [6]. Neu hinzu kamen in dieser zweiten Bauetappe zwischen 1907 und 1911 flussaufwärts die neue Färberei (Bauinventarobjekt UNS929E), die Mitte 20. Jh. ein Sheddach erhielt, das Kesselhaus mit Hochkamin (Bauinventarobjekt UNS929F) und das Wasseraufbereitungsgebäude am südöstlichen Ende des Areals (nicht Bestandteil des Bauinventars). Ausserdem wurden in nordwestlicher Verlängerung der Anlage eine Direktorenvilla, ein Angestelltenwohnhaus und ein Arbeiterinnenheim mit Waschhaus (Bauinventarobjekte UNS929K-M) errichtet. Nach einem Brand im Jahr 1932 musste das Maschinenhaus des Kraftwerks neu gebaut werden [7].
Im Laufe der 1980er Jahre stellte Coats Stroppel AG die Produktion ein (Aufgabe der Zwirnerei 1985) und fokussierte sich auf den Handel mit Merceriewaren, was mit einer Stilllegung auch des Wasserkraftwerks einherging [8]. 1995 erwarb die Proma Energie AG das Kraftwerk und die historische Fabrikanlage. Nach einer sanften Nachrüstung und Automatisierung setzte sie das Kleinkraftwerk wieder in Betrieb. Seit 2011 wird es von der Axpo betrieben, welche die verbliebenen alten Maschinengruppen (Turbinen und Generatoren) auswechselte. Die anderen technischen Einrichtungen blieben teilweise museal vor Ort erhalten. Im Industrieareal entwickelte sich währenddessen ein Gewerbezentrum. Heute sind in den Gebäuden der ehemaligen Nähfadenfabrik verschiedene Nutzungen vereinigt, vom Kleingewerbe und Büroarbeitsplatz über Kunstateliers und Kulturbetriebe bis zu Wohnungen.

Alte Färberei, später Winderei:
Die um 1870 erstellte alte Färberei bildete bis zur Vergrösserung der Anlage den südöstlichen Abschluss der Nähfadenfabrik. 1909 wurde sie flussaufwärts durch einen eingeschossigen Erweiterungsbau mit Dachaufbauten ergänzt, im welchem fortan die Bleich- und Färbeprozesse stattfanden; die alte Färberei wurde währenddessen in eine Winderei umfunktioniert. Aus dieser Zeit dürfte auch die flussseitige Fassadengestaltung am Erdgeschoss mit vier breiten Segmentbogenfenstern stammen (südlichstes in jüngerer Zeit zu einem ebenerdigen Ausgang verlängert).
Beschreibung:Die alte Färberei ist das einzige giebelständig zur Limmat ausgerichtete Fabrikgebäude. Obwohl sie, zwischen dem Poliergebäude und dem Färberei-Erweiterungsbau (Bauinventarobjekte UNS929C und E) gelegen, Teil eines langgezogenen Fabrikkomplexes ist, tritt sie daher als markanter Baukörper in Erscheinung. Sie verfügt über ein hohes Erdgeschoss und einen ausgebauten Kniestock, so dass in Bezug auf die Gesamthöhe der Eindruck eines zweigeschossigen Gebäudes entsteht. Den oberen Abschluss bildet ein schwach geneigtes, mit Ziegeln gedecktes Satteldach, dessen Rafen auf doppelt gelegten Pfetten mit beschnitzten Balkenköpfen aufliegen. Die aus verputztem Mauerwerk aufgeführten Fassaden sind in ähnlicher Weise mittels Lisenen und Zahnschnittfriesen gegliedert wie an der gleichzeitig errichteten Zwirnerei und Spulerei. In der Gestaltung übernommen wurde auch der aus grossen, grob behauenen Kalkquadern gebildete Sockel (heute mehrheitlich mit hellgrauer Farbe gefasst).
Die hofseitige Stirnfront bewahrt noch das ursprüngliche Fassadenbild. Sie wird von Lisenen in einen breiten, drei Achsen zählenden Mittelbereich und zwei schmale seitliche Felder von je einer Achse unterteilt. Die am Erdgeschoss durchwegs in Rundbogenform gestalteten, hohen, schlanken Öffnungen sind im Mittelfeld zu einer etwas enger gesetzten Dreiergruppe, bestehend aus einem zentralen Portal und zwei flankierenden Fenstern, zusammengefasst. Sie werden von den beiden äusseren Rundbogenöffnungen, von welchen die südliche einen zweiten Durchgang bildet, leicht überragt. Am Kniestock verfügen die drei mittleren Achsen über grosszügige, hochrechteckige Lichter, die in den Ecken des Giebelfelds von insgesamt drei kleinen Rechteckfensterchen begleitet werden. Analog zum Zwirnereigebäude sind die aus Sandstein gehauenen Gewände am Erdgeschoss im Scheitel des Bogens mit einem Schlussstein geschmückt; die Rechtecklichter weisen Falze auf.
Völlig anders ist die der Limmat zugewandte Stirnfassade konzipiert, wobei zumindest die breiten Segmentbogenfenster am Erdgeschoss auf die Umbau- und Erweiterungsetappe um 1908 zurückgehen dürften. Anstatt die Mittelachse zu betonen, sind die vier Achsen hier paarweise auf die beiden Gebäudehälften verteilt, so dass im Mittelbereich ein breites geschlossenes Mauerstück bestehen bleibt. Am Kniestock werden die beiden inneren Achsen von zwei rechteckigen Zwillingslichtern eingenommen, welche die gleiche Breite aufweisen wie die darunter liegenden Segmentbogenfenster. Unter dem First befindet sich eine kleine runde Öffnung, während die seitlichen Spickel des Giebelfelds in Entsprechung zur Hofseite je von einem kleinen Rechtecklicht besetzt sind. Die vermutlich noch aus der Bauzeit um 1870 stammenden oberen Fenster weisen gefalzte Sandsteingewände mit Blockgesimsen auf, während die in der Formensprache des frühen 20. Jh. gehaltenen Öffnungen am Erdgeschoss mit gestuften, farblich gegliederten Leibungen ins Mauerwerk eingelassen sind. Die liegenden Kniestockfenster sind nur noch auf der nordwestlichen Traufseite sichtbar; südöstlich wurde die ganze Fassade bei der Erweiterung 1908 überformt.
Anmerkungen:[1] Hoegger 1995, S. 175-176.
[2] Boner 1983, S. 188. Die abweichenden Bezeichnungen der Gebäude auf der Schautafel des Industriekulturpfads 1996 beziehen sich auf die Zeit nach dem Umbau und der Modernisierung der Bauten 1907-09.
[3] Lang/Steigmeier 1995, S. 23.
[4] Meier/Steigmeier 2008, S. 130.
[5] Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss 1996, S. 21.
[6] Lang/Steigmeier 1995, S. 5-6; Hoegger 1995, S. 175.
[7] Meier/Steigmeier 2008, S. 132 (Bildlegende Abb. 10)
[8] Hoegger 1995, S. 175-176; Lang/Steigmeier 1995, S. 6-7; AZ vom 22. Juni 2012, S. 31; Meier/Steigmeier 2008, S. 131.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung BLN, BLN 1019 Wasserschloss beim Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat (Schutzziel 3.8 Die kulturhistorischen Zeugen der Wasserkraftnutzung und der frühen industriellen Entwicklung erhalten).
Literatur:- Georg Boner, Die Geschichte der Gemeinde Untersiggenthal, Baden 1983, S. 186-190.
- Peter Hoegger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 7, Basel 1995, S. 175-177.
- Der Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss im Raum Turgi-Untersiggenthal-Vogelsang (Dokumentation 5), Baden 1996, S. 19-21.
- Norbert Lang/Andreas Steigmeier, Fabrikanlage und Kraftwerk Stroppel (Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss, Dokumentation 2), Baden 1995.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 135.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0067: Brandkataster Gemeinde Untersiggenthal 1899-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=130277
 

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